Klassenkampf statt „Sozialpartnerschaft“: Rechtsentwicklung und Verschiebungen im österreichischen Parteiensystem

Mit der allgemeinen politischen Rechtsentwicklung, dem Aufstieg der FPÖ (aber auch des parlamentarischen Einzugs anderer rechter Kapitalparteien, (neo-)liberaler Gruppen sowie parlamentarischen Etablierung „neuer“ oder „neuerer“ Parteien insgesamt) haben sich die Kräfteverhältnisse „in“ und „um“ die „Sozialpartnerschaft“ nochmals gravierend verschoben, erlitt sie einen zusätzlichweiteren Bedeutungsverlust und sinkenden Einfluss – dem wir in unseren nun 7. Teil unserer Artikelserie zu einer marxistischen, linken Kritik an der „Sozialpartnerschaft“ mit Blick auf Veränderungen „im“ und „des“ politischen Umfelds näher nachspüren.   

Nicht zufällig datiert ihr historischer Zenit in Zeiten eines einst weitgehenden Zwei-Parteien-Systems, beruht sie in ihrem Funktionsgefüge ja nicht ausschließlich auf der „Partnerschaft“ von „Arbeitgeber-“ und „ArbeitnehmerInnenverbänden“, sondern in ihrer Ganzheit zugleich auf deren Verflechtung mit „ihren“ Parteien. Also der Verschränkung der „Arbeitgeberverbände“ mit der ÖVP und der Verzahnung der „ArbeitnehmerInnenverbände“ mit der SPÖ, samt personeller Verflechtungen auf Ebene der Verbände, Parteien, des Parlaments und der Regierung.

Mit dem Ende dieses weitgehenden Duopols der Nachkriegszeit und dem Aufstieg der FPÖ, aber auch der nur wenig mit den Dachverbänden der „sozialpartnerschaftlichen“ Interessensvertretung verflochtenen Grünen, in den 1980er Jahren, hat sich die politische Landschaft ebenso unwiederbringlich wie gravierend geändert. Und das gilt die Institution der „Sozialpartnerschaft“ betreffend, ganz generell nicht nur für deren mehr und minder fundamentalen „Aufkündigung von rechts“ und „neoliberaler Seite“, wie auch dem BZÖ, dem einstigen Liberalen Forum oder dem Team Stronach, sondern auch für ihr quasi „neutral“ gegenübergestandenen oder -stehenden Parlamentsfraktionen wie der Liste Pilz und künftiger neuer parlamentarischen Kräfte (mit der einzig etwaigen Ausnahme der KPÖ, die sich einer Überwindung von links verpflichtet sieht).

Außen Stehende, nicht in sie eingebundene Parteien, allen voran die FPÖ, beabsichtigten und versuchen sie sonach von rechts aufzubrechen. Einerseits, um der machtpolitischen Eigenetablierung und eines reaktionären Umbaus der Republik willens. Andererseits in Einhegungs- bis Zerschlagungsabsicht gegenüber den gewerkschaftlichen Organisationen der österreichischen Arbeiterbewegung. Steht das einstmals ausgerufene Konzept der „Dritten Republik“ für ersteres Pate, so das seinerzeitige Betreiben der sogenannten „FGÖ“ („Freie Gewerkschaft Österreich“) durch die FPÖ als gegen den ÖGB gerichtete gelbe Gewerkschaft außerhalb des ÖGB und der Versuch der Aushebelung der AK mittels Abschaffung der gesetzlichen Mitgliedschaft für zweiteres.

Während die „FGÖ“ – obschon nominell und in im öffentlichen Dienst etwa in Form der AUF weiterexistierend – wieder weitestgehend im Orcus der Geschichte verschwunden ist, haben die Beschäftigten des Landes die Attacke auf die Arbeiterkammer 1996 in einer Urabstimmung mit einem 91%igem Votum für die AK als ihrer gesetzlichen Interessenvertretung abgeschmettert. Die gemeinsame Verteidigung des ÖGB gegen gelbe Gewerkschafts-Projekte sowie die nötige, breite Verteidigung der AK gegen Zerschlagungsabsichten, kann allerdings nur gegen den Strich gebürstet, als fälschliches, vermeintliches Votum aller gewerkschaftlichen Kräfte und Kräfte der Arbeiterbewegung für die „Sozialpartnerschaft“ in eins gesetzt und uminterpretiert werden. Beides sind in Wirklichkeit zwei Paar, wohl zu unterscheidende, Schuhe. So unnachgiebig wir die gewerkschaftlichen Organisationen der Arbeiterbewegung gegen Angriffe von „oben“ und/oder „rechts-außen“ verteidigen, so wenig liegt für uns darin eine Verteidigung der gewerkschaftlichen „Symbiose“ mit dem Kapital, folgt daraus eine Verteidigung der Institution der „Sozialpartnerschaft“.

Das gilt gleichermaßen für die stets erneuten Frontalangriff der FPÖ und seitens der 2013 ins Parlament eingezogenen NEOS (wie vormals auch des BZÖ, des LIF oder Team Stronachs) in ihren Wahlprogrammen, Forderungskatalogen und Parlamentsagenden sowie zahlreichen gestellten Anträgen auf Abschaffung der „gesetzlichen Mitgliedschaften (Pflichtmitgliedschaften) in Wirtschafts- und Arbeiterkammer“ (etwa 2007 LIF, 2008 BZÖ sowie FPÖ, 2015 NEOS – auf Abschmelzung der „Kammerzwangsbeiträge“, 2017 und 2019 als Wahlkampfprogramm, 2023 FPÖ und NEOS). Stellt letzteres einen abermals durchsichtigen Angriff auf die Arbeiterkammer als gesetzlicher Interessensvertretung der Beschäftigten dar, zielt die Aushebelung der gesetzlichen Mitgliedschaft der Unternehmen in der Wirtschaftskammer darauf, die beinahe 100%ige Kollektivvertrags-Abdeckung in Österreich zu zertrümmern, die nicht zuletzt auf jener beruht.

Geradezu augenfällig sichtbar wurde in den Jahren der Regierungsbeteiligung der FPÖ dazu der geschichtliche Umstand der Unmöglichkeit des Konservierens politischer Gegebenheiten. Den Kühlschrank gibt es nicht und wird es nie geben, welcher die den Klassenwidersprüchen entspringenden Entwicklungen einfrieren könnte. Die Erfahrungen der Einbeziehung der FPÖ (als Partei die die herkömmliche „sozialpartnerschaftliche“ Einbindung in politische Prozesse und Entscheidungsfindungen von rechts-außen ablehnt) in der schwarz-blau/orangen Koalition 2000-2006, legte nachdrücklich die bloß „geliehene Stabilität“ und „Macht“ der „Sozialpartnerschaft“ bloß. Entsprechend nüchtern konstatiert auch die einschlägige Forschungsliteratur: „Die Praxis `sozialpartnerschaftlicher´ Abstimmung untereinander und mit der Regierung kam unter der ÖVP/FPÖ-Regierung, von wenigen Ausnahmen (wie „Abfertigung neu“) abgesehen, zum Erliegen.“ In dieser Suspendierung der traditionellen Einbeziehung der Gewerkschaften auf „sozialpartnerschaftliche“ Art, deutet sich zugleich ein nicht auszuschließendes, tiefgreifendes, umfassenden Erodieren des institutionellen Korporatismus unter geänderten politischen Konstellationen an. Über jene dahin deutenden, möglichen politischen Entwicklungsszenarien, dass die spezifische heimische Ausprägung der Institution der „Sozialpartnerschaft“ auch in Österreich nicht für die Ewigkeit bestimmt ist, sondern als solche schneller erodieren könnte als die ihr verpflichteten Gewerkschaftsspitzen „annehmen“, vermag auch ihre nach-schwarz/blaue (partielle) Revitalisierung unter Rot-Schwarz 2007 – 2017 nicht zu übertünchen. Unter Türkis-Blau 2017 – 2019 (in dazu nochmaliger Verschärfung zu Schwarz-Blau I) und Türkis/Schwarz-Grün seit Anfang 2020 erlitt sie, wenn auch unter sozusagen spezifisch-konjunktureller „Inanspruchnahme ihres Krisenmanagements“ für kurzfristige Kriseninterventionen in den Jahren der Corona- und Wirtschaftskrise 2020, ein abermaliges Downgrade ihres Stellenwerts. Und unter den voraussichtlichen politischen Kräfteverhältnissen im Gefolge der nächsten Nationalratswahlen, scheint vielmehr ihre weitgehende Lahmlegung das realistischste Szenario.

Politische Verschiebungen in der SPÖ

Parallel – wenngleich an ihr als Vehikel der Integration der Gewerkschaften in die Regierungspolitik in „abgeschlankter Form“ festhaltend –, vollzogen und vollziehen sich aber auch innerhalb der SPÖ massive Verschiebungen zuungunsten der Gewerkschaften und ihres politischen „Mitgestaltungseinflusses“. Erklärte die SPÖ-Führung und Regierungsriege unter Bruno Kreisky gewerkschaftliche Forderungen noch vielfach zu ihren eigenen, kündigte SP-Kanzler Fred Sinowatz diesen Bezug gleichsam auf, und gingen die SPÖ-Regierungschefs seit Franz Vranitzkys Verordnung von Null-Lohn-Runden sowie den Sparpaketen Lacina/Dietz‘ 1995 resp. 1996/97 und Alfred Gusenbauers Ausbootung der Gewerkschaften in dessen Kanzlerschaft, auf vielfach offene und direkte Konfrontation mit den Gewerkschaften und der AK. Spätestens mit Wende Anfang der 1980er Jahre zog damit ein zunächst latentes und zunehmend wachsendes Spannungsverhältnis innerhalb des sozialdemokratischen Gefüges der „Sozialpartnerschaft“ ein, das – da nie konfrontativer ausgetragen – die Gewerkschaft in weitere Mitleidenschaft zog und ihre soziale Funktion noch stärker entstellte. Die infolgedessen partiell aufgeploppten Krisen in den Beziehungender Gewerkschaften zur SPÖ – etwa aufgrund der Nichteinbeziehungen des ÖGB und der „Sozialpartner“ in die Budgetvorbereitung und -ausarbeitung 1995 – wurden in Nachverhandlungen und der anschließenden Wiedereinbeziehung in die Budgeterstellung jedoch schnell ausgebügelt. Den vorläufigen Höhepunkt dieser Entwicklung markiert dann das letzte Regierungsübereinkommen unter SP-Kanzler Christian Kern. Mit diesem wich nicht nur die vormalige Einbeziehung resp. Konsultierung der Gewerkschaften in die Erarbeitung gewerkschaftsrelevanter Arbeitsmaterien des Regierungsprogramms einem Außen-vor-Lassen,sondern hielt zugleich ein bislang einzigartiger Angriff auf die, wie Eingriff in die KV- und Verhandlungsautonomie der Gewerkschaften Einzug. Nämlich, entweder die durch die Regierung gleich mitvorgegebenen Ergebnisse „auszuverhandeln“ oder diese ansonsten gesetzlich durchzupeitschen. Mit welcher Entschiedenheit und Rigorosität Kanzler Kerndabei seine Forderungen auch gegen die Gewerkschaften nach eigenem Ermessen und Gutdünken durchzupeitschen gedachte, brachte er vor Spitzen-Vertretern des heimischen Kapitals im Jänner 2017 unumwunden in einem Ultimatum zum Ausdruck: „Ich hoffe, dass die Drohung mit einem Gesetz wirkt. Wenn die Sozialpartner bis 30. Juni keine Lösung finden, werden wir das einer Lösung zuführen.

Ungeachtet dessen sieht sich die rosarote Gewerkschafts-Spitze weiterhin der „Partnerschaft“ mit dem Kapital sowie einer unverbrüchlichen Bindung an die SPÖ und ihrer jeweiligen Führungs-Figuren verpflichtet. Trotz formaler Unabhängigkeit des ÖGB, herrscht anstelle einer gewerkschafts-autonomen Strategiebildung und eigenständigen, kämpferischen Politik im Interesse der Arbeitenden, damit hinzu zu seiner immer subalterneren Rolle im eisernen Stahlnetz der „Sozialpartnerschaft“ eine reelle Unterordnung der Gewerkschaften unter die SPÖ auf Kosten der Arbeits- und Lebensinteressen der Werktätigen vor.

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