„Sozialpartnerschaft“ im Rahmen veränderter gesellschaftlicher und politischer Bedingungen

Im 4. Teil unserer Artikelserie zur „Sozialpartnerschaft“ widmen wir uns nunmehr den sich schon in den 1980er, insbesondere dann 1990er Jahren abzeichnenden Veränderungen ihrer Rahmenbedingungen. Mit der neoliberalen Wende des österreichischen Kapitals und seiner politischen Eliten hat sich nicht nur das „sozialpartnerschaftliche Arrangement“ grundlegend gewandelt, auch die Kräfteverhältnisse ‚in‘ und ‚um‘ die „Sozialpartnerschaft“ haben sich fundamental verschoben und verschieben sich weiter zuungunsten der Arbeitenden und Gewerkschaftsbewegung. Spätestens mit dem EU-Beitritt ging zudem ein tief gehender nationaler wirtschafts-, konjunktur- und beschäftigungspolitischer Kompetenzwegfall einher, der dem allgemein schwindenden Einfluss der „Sozialpartnerschaft“ nochmals unübersehbar beschnitt. Einhergehend mit diesen Entwicklungen vollzog sich ein nochmals qualitativer Funktionswandel der gewerkschaftlichen „Partnerschaft“ mit dem Kapital. Umso unabdingbarer für einen unverstellten Begriff der politischen Lage ist es denn auch,all dies ebenso en détail in Rechnung zu stellen.

Und im nächsten Schritt dann bis hin zu politischen Kräften und Tendenzen die sich anschicken die „Sozialpartnerschaft“ von „rechts“ „aufzukündigen“ bzw. maßgeblichen Gruppen und Kräften des Kapitals die (auch wenn das heimische Kapital trotz der rigorosen Verschiebung der Kräfteverhältnisse mehrheitlich weiterhin auf „Sozialpartnerschaft light“ setzt) auf Perspektive zur Aufkündigung der „Sozialpartnerschaft“ von Kapitalseite und einem Übergang zur noch offeneren Konfrontation drängen und die Gewerkschaften vor „vollendete Tatsachen“ zu setzen gedenken.  

Privatisierungspolitik und Wandel der Kapitalstrukturen

Mit der Privatisierungspolitik seit den 1980er Jahren ging eine tief greifende Wandlung der Unternehmens- und Eigentümerstruktur in Österreich einher, sowie neue Konzentrationswelle und internationale Durchdringung.Die Republik hält staatlich direkt im Grunde bloß noch die ÖBB und eine (51%ige) Aktienmehrheit am Verbund und ist über die ÖBIB (Österreichische Bundes- und Industriebeteiligungen) ansonsten im Wesentlichen nur mehr an der OMV, der Post AG, Telekom Austria und den Casinos Austria beteiligt.

Mit den Verschiebungen in den Eigentumsstrukturen der österreichischen Wirtschaft wie Wandlung der Unternehmensstruktur im Land vollzog sich einerseits eine weitere Kapitalkonzentrationen und gruppierte sich parallel die Kapitalstruktur neu.So avancierte etwa Raiffeisen im Zuge der Abwicklung der Verstaatlichten Industrie zur größten Aktionärin des einstigen Flaggschiffs Voest-Alpine (und hält Beteiligungen am gleichfalls privatisierten Aluminium-Primus AMAG). Raiffeisen, zugleich ja auch international tätiger Konzern, stieg über die neuen Möglichkeiten zu Akquisitionen letztlich gar zum größten Unternehmenskomplex im Land auf. Mit der Fusion der beiden ohnehin stark verschachtelten Institute Raiffeisen Bank International (RBI) und Raiffeisen Zentralbank (RZB), entstand zugleich ein „neuer“ Premium-Player am Bankensektor, dessen Bilanzsumme vor Corona für rund 40% der Bilanzsumme der 15 wichtigsten Banken im Land zeichnete.

Die Zerschlagung und Auflösung der Verstaatlichten Industrie, die Privatisierungen im Bankensektor, die starke Verringerung der öffentlichen Beteiligungen und die jüngsten Teilprivatisierungen, führten aber auch zu einer qualitativ neuen Rolle des internationalen Kapitals in Österreichs Wirtschaft sowie tief greifenden Positionsverschiebung zugunsten des Auslandskapitals. Die bspw. zunächst aus einer Fusion der Zentralsparkasse (im mehrheitlichen Besitz der Gemeinde Wien) mit der (verstaatlichten) Länderbank hervorgegangene Bank Austria, wurde, nachdem sie zwischenzeitlich noch die (zuvor ebenfalls mehrheitlich verstaatlichte) Creditanstalt geschluckt hatte, als größte Bank des Landes zunächst nach Bayern veräußert und ging danach in den Besitz der italienische Unicredit über – womit sich der einstige Branchen-Primus und noch immer drittgrößte Bank des Landes in italienischer Hand befindet. Den führenden Einfluss ausländischer Konzerne in Österreich besitzen allerdings unumstritten deutsche transnationale Konzerne. Ein Einfluss und eine Verschiebung der Eigentumsstrukturen welche eng mit der Privatisierungspolitik im indirekt und direkt verstaatlichten Industriebereich ab den 1980er Jahren zusammenhängen. Satte 41% der bestimmenden Konzernzentralen von in ausländischem Besitz gehaltenen Unternehmen in Österreich hatten bereits vor Corona ihren Sitz in Deutschland. Dies reicht so weit, dass gewerkschaftliche oder politische Auseinandersetzungen in der heimischen Lebensmittelindustrie, die mit 91% Marktanteil der größten 4 (Rewe, Hofer, Spar und Lidl) am höchsten konzentrierte in der EU, beinahe einer Auseinandersetzung mit Konzernzentralen deutscher Handelsketten gleichkommt (Rewe: Merkur, Billa, Penny, Adeg, Mondo und Bipa; Aldi: Hofer, und Lidl). Als neben den Handelsketten und der Bank Austria prominente Beispiele drängen sich natürlich sogleich Siemens Österreich, Magna, BMW Motoren, MAN, Heineken, Generali usw. usf. auf.

Lag der Angelpunkt der Privatisierung öffentlichen resp. staatlichen Eigentums allem voran darin, dem Kapital neue Anlagesphären in Sektoren zu eröffnen, spielte in dieser Wende jedoch von Anbeginn an auch die politischen Erwägung eine Mitrolle, damit sowohl die Regulierungsmöglichkeiten des Staates – bis zu den Bundesländern und Gemeinden – zurückzudrängen und sich der lohn- und sozialpolitischen Vorreiterfunktion der Verstaatlichten und Gemeinwirtschaft wie insgesamt eingehegteren Spielräume öffentlicher Arbeitgeber den Beschäftigten gegenüber zu entledigen.

In ideologischer Hinsicht wiederum zielt die Diskreditierung des öffentlichen Eigentums auf den sozialistischen Grundgedanken der Vergesellschaftung der Produktionsmittel, sowie gegen jedwede Alternative zum neoliberalen Credo des „Washingtoner Consensus“.

Alle drei Momente zusammen führten – ökonomisch, politisch und ideologisch – zu einer Festigung des privaten Kapitals wie gravierenden Machtverschiebung in den Klassenkräfteverhältnissen zugunsten des, vielfach internationalen, Monopol- und Finanzkapitals, in gleichzeitig struktureller Schwächung der Gewerkschaften.

Arbeitslosigkeit und gewerkschaftliche Machtressourcen

Zur strukturellen Schwächung der Gewerkschaften trug hinsichtlich der sozio-ökonomischen Rahmenbindungen überdies der tiefgreifende Strukturbruch der kapitalistischen Akkumulation Mitte der 1970er Jahre bei. Denn mit der Weltwirtschafts- und Umbruchskrise 1974/75 trat ein grundlegender Wandel und tiefer Strukturbruch in der Kapitalakkumulation und der Arbeitslosigkeit ein, der seit 1982/83 auch Österreich den Stempel aufdrückt. Während in früheren Konjunkturzyklen die „industrielle Reservearmee“ im Aufschwung sozusagen aus der Etappe geholt wurde, wurde die Arbeitslosigkeit seither auch im Zuge der Aufschwünge nicht mehr wesentlich abgebaut. Die Arbeitsmärkte erwiesen sich quer durch die kapitalistischen Metropolenländer als nicht mehr aufnahmefähig genug, was zu einer kontinuierlich wachsenden strukturellen Massen- und Langzeitarbeitslosigkeit in den OECD-Ländern führte, in der sich die „industrielle Reservearmee“ teils überhaupt zum „stehenden Heer“, genannt „Sockelarbeitslosigkeit“, wandelt. Betrug die Zahl arbeitsloser Menschen in Österreich 1981 knapp 70.000, hat sich diese 1982/83 resp. zur Mitte der 1980er Jahre bereits verdoppelt und kletterte bis 1995 weiter auf 215.000 hoch. 2005 erreichte sie dann den historischen Zwischenhöchststand von 250.000 Arbeitslosen und entwickelte sich danach quasi von Rekordhoch zu Rekordhoch und liegt nach der Corona- und Wirtschaftskrise mit ihren absoluten Rekordhöhen heute mit 400.000 auf Vorkrisenniveau. „Dass die Macht der organisierten Arbeitnehmerschaft schwindet, ist daher“, so selbst eine Publikation der Friedrich Ebert Stiftung 2018, „seit Langem ein Gemeinplatz.“ Seit den 1990er Jahren ist zu dieser strukturell verfestigten Massenarbeitslosigkeit über die Konjunkturzyklen hinweg zudem noch das Aufbranden atypischer Beschäftigungsverhältnisse und deren gewerkschaftspolitische Begleitfolgen mit ins Auge zu fassen. 

Das „sozialpartnerschaftliche“ Credo bzw. ‚Vertrauen‘ darauf, dass der institutionell Integrationismus und dessen institutionelle Verankerung die organisationspolitische Schwächung kompensieren kann, haben sich vor diesem Hintergrund als regelrecht fatal erwiesen. Das Festhalten an einer korporatistischen „verbandlichen Einflusslogik“ anstatt der eigentlichen gewerkschaftlichen Machtressourcen (von lediglich punktuell und partiell konfrontativerem Interessensaustrag abgesehen) führte nachgerade in einen rapiden gewerkschaftlichen Machtschwund, zu völlig unzulänglicher Gegenmacht und vergleichsweiser himmelschreiender Handlungsunfähigkeit sowie mangelndem Strategierepertoire. Ähnliches wie für das fatale Festhalten an der „Partnerschaft“ mit dem Kapital und „sozialpartnerschaftlichen“ Schema der Interessensvermittlung und –politik gilt nicht minder für die Orientierung auf einen ‚progressiv gewendeten Korporatismus‘ unter sozialdemokratischer Regierungs-Ägide, anstatt einer kämpferischen autonomen gewerkschaftlichen Strategiebildung und Rolle als einzig den Arbeits- und Lebensinteressen verpflichteter Akteur.

Wie mit Blindheit geschlagen: Wenn „geliehene Macht“ wie Pulverschnee zerbröselt

Dabei zeichneten sich diese Veränderungen schon seit den 1980er und nochmals verschärft 1990er Jahren ab. Ergänzt um anhaltend schwaches Wirtschaftswachstum, den EU-Beitritt und gestiegenem Wettbewerbsdruck im Zuge der neoliberalen Globalisierung. „Bildete“, so Emmerich Táos, „der nationalstaatliche Rahmen eine räumliche Koordinate für Interessenpolitk“, hat der EU-Beitritt wesentliche Rahmenbedingungen tiefgreifend verändert. Unter diesen veränderten Rahmenbedingungen zerbröselte die „geliehene Macht“ der „Sozialpartnerschaft“ wie Pulverschnee.

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