Klassenkampf statt „Sozialpartnerschaft“: Gewerkschaften und AK als „Ordnungshüter“ des Systems

Für eine neue kämpferische Perspektive von unten!

In unserer 10-teiligen Artikelserie der Rekonstruktion und Aktualisierung der marxistischen, linken Kritik an der „Sozialpartnerschaft“ in gewerkschaftlicher Perspektive, widmen wir uns nach deren allgemeiner Charakterisierung als „Herrschaftsmechanismus“ des Kapitalismus in Teil II ihrer Rolle als und Funktionswandel zum Ordnungshüter des Systems und damit strukturell verbundenen, immanenten Tendenz zur Entdemokratisierung der Gewerkschaftsbewegung in Österreich.

II) Gewerkschaften und AK als „Ordnungshüter“ des Systems & die darin immanent eingeschriebene Tendenz zur Entdemokratisierung

Infolge der „sozialpartnerschaftlichen“ Unterordnung der Gewerkschaften und ihrer Integration in den bestehenden Herrschaftsmechanismus, sind diese denn auch aus einem Kampfinstrument und Organ der konsequenten Interessensvertretung der Arbeitenden zu einem „Ordnungshüter“, einem „Ordnungsfaktor“ des kapitalistischen Systems geworden.

Dieser Funktionswandel der Gewerkschaften bedingt zugleich die rigorose Zentralisierung von Entscheidungen in der ÖGB-Spitze, ja überträgt diese teils einzig den Händen der ÖGB-Präsidenten: sei’s als Pouvoir an den ehemaligen ÖGB-Präsidenten Anton Benya im Vieraugengespräch mit Wirtschaftskammer-Präsident Rudolf Sallinger per Handschlag (in intimer Sauna-Atmosphäre) verbindliche Entscheidungen fällen zu können, oder sei’s wie in der jüngeren Geschichte in Form nächtlicher Auspackeleien zwischen den vormaligen ÖGB-Präsidenten Erich Foglar und Wirtschaftskammer-Chef Christoph Leitl, bereits im Anrollen begriffener Metaller-Streiks diese über sämtliche Köpfe hinweg, allen voran jener der Arbeiterschaft, auf Chefebene in borniert ‚präsidialer Sondierung‘ abzublasen.

Tendenz der Entdemokratisierung

Anders könnte die „Sozialpartnerschaft“, zumal in ihrer spezifisch österreichischen Ausprägung, nicht funktionieren und am Laufen gehalten werden, könnten die „sozialpartnerschaftlich“ ausbaldowerten „Kompromisse“ anschließend nicht verlässlich in ÖGB und AK zur Durchsetzung gelangen.

„Sozialpartnerschaftliche“ Ideologien und politische Orientierungen eines mutmaßlich gemeinsamen „gesamtwirtschaftlichen Interesses“ von Kapital und Arbeit zum „gegenseitigen Vorteil beider“ sowie der vermeintlichen „Verantwortung fürs Ganze“ existieren und herrschen auch in Gewerkschaften anderer Länder vor. Ebenso, wenn auch nicht in der österreichischen Rigorosität des Verzichts auf den Einsatz der Kampfkraft der Gewerkschaften, die Orientierung es „am Verhandlungstisch“ besser „partnerschaftlich“ von „oben“ – anstatt im Klassenkampf, in betrieblicher Konfliktbereitschaft oder „über die Straße“ – „zu richten“.

Vielfach noch den gepriesenen „Verhandlungsweg“ hinter verschlossenen Türen mit „Verhandlungen“ schlechthin gleichsetzend, so als ob kämpferische Auseinandersetzungen nicht auch in „Abschlüssen“ einmünden und es in kämpferischeren Abschnitten der Geschichte Österreichs oder in Ländern mit ausgeprägten gewerkschaftlichen Kampftraditionen keinerlei darin mitbetriebener Formen von „Verhandlungen“ gab oder gäbe.

Die österreichische „Sozialpartnerschaft“ zeichnet sich gegenüber „sozialpartnerschaftlichen“ Ausformungen anderer Länder jedoch durch ihre zusätzlich institutionelle und gremiale Ausprägung aus, die ihr eine nochmals besondere Zähigkeit, Festigkeit und Struktur verleiht. Sie fußt neben ihrer Ausprägung als Ideologie und politischer Orientierung auch auf einem und involviert ein Dickicht an informellen Gremien, Beiräten, Kommissionen, Ausschüssen, Unterausschüssen und Dialogforen der „sozialpartnerschaftlichen Kompromissfindung“.

Auch wenn die einst so mächtige „Zentralinstanz“ der (gegen die Stimmen der kommunistischen Fraktion 1957 ins Leben gerufenen) „Paritätischen Kommission für Lohn- und Preisfragen“ heute real inexistent ist und die „sozialpartnerschaftlichen Akkordierungen“ insgesamt an Einfluss verloren haben und weniger Materien als ehedem zur Agenda haben, existiert nach wie vor ein breit gestaffeltes institutionelles Akkordierungsgeflecht „sozialpartnerschaftlicher Abstimmung“. Angefangen vom „Unterausschuss für Preis- und Wettbewerbsfragen“, über den in einträchtiger Übereinstimmung des EG(/EU-)Beitritts ins Leben gerufenen „Unterausschuss für Internationale Fragen“, über den immer noch regelmäßig tagenden „Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen“, bis hin zum erst 2006 ins Leben gerufenen „Bad Ischler Dialog der österreichischen Sozialpartner“ zur Erarbeitung „gemeinsamer Positionen“ in einem bunten Strauß an „Zukunftsfragen“ (der allerdings letztmals 2016 stattfand), ergänzt um institutionalisierte „sozialpartnerschaftliche“ Verwaltungsaufgaben, Vergabemechanismen, Personalbestellungen in die Selbstverwaltungskörperschaften hin zu Verzahnungen in ministerielle Fachressorts und Regierungsgesprächen usw. usf.

Der Aufrechterhaltung der Packelei mit den ökonomischen und politischen Eliten wohnt so ein immanenter Zug der Entdemokratisierung der gewerkschaftlichen Organisationen sowie der Lähmung der Gewerkschaftsbewegung und Selbsttätigkeit der Arbeitenden inne.

Nicht von ungefähr sind „Urabstimmungen“ über KV-Verhandlungsergebnisse oder über einzuleitende Kampfformen in den österreichischen Gewerkschaften de facto inexistent. Ja, mangelt es dem einfachen Gewerkschaftsmitglied weitgehend an aktiven Mitwirkungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten wie demokratischen Rechten. Um innerhalb des ÖGB’s bzw. seiner Teilgewerkschaften aktiv zu sein, muss man, so nicht Teil des Gewerkschaftsapparats, erstens Betriebsratsmitglied und zweitens Teil einer anerkannten Fraktion sein. Nicht zufällig also (sondern vielmehr als direkte Folge der Formbestimmtheit der „Sozialpartnerschaft“) herrscht in den österreichischen Gewerkschaften daher ein gegenüber anderen Ländern erhöhtes bis unbekanntes Fraktionsunwesen, mit eiserner sozialdemokratischen Fraktionsdisziplin, um der „sozialpartnerschaftlichen“ Verpflichtetheit und des diese erst zum Ganzen spannenden Korporatismus korrespondierender politischen Verzahnung und Verschränkung mit der SPÖ gegen kämpferische gewerkschaftliche Kräfte und Strömungen abzumauern.

Teil 1 der Artikelserie

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