Klassenkampf statt „Sozialpartnerschaft“: Sozialpartnerschaft als Herrschaftsmechanismus des Kapitalismus

Für eine neue kämpferische Perspektive von unten!

In unserer 10-teiligen Artikelserie der Rekonstruktion und Aktualisierung der marxistischen, linken Kritik an der „Sozialpartnerschaft“ in gewerkschaftlicher Perspektive, widmen wir uns im ersten Teil deren allgemeiner Charakterisierung als „Herrschaftsmechanismus“ des Kapitalismus.

I) Sozialpartnerschaft als Herrschaftsmechanismus des Kapitalismus

 „Wie lange wird die Sozialpartnerschaft [noch] währen?“, fragte der marxistische Theoretiker und profunde Kritiker der „Sozialpartnerschaft“ Ernst Wimmer, dessen 100. Geburtstag sich heuer jährt, einst. Und antwortete im selben Zug: „Eine Frage für Sterndeuter und Kaffeesudleser.“ Um daran anschließend fortzufahren: „Anders steht es mit der Frage. Was sind ihre wahrscheinlichen Perspektiven? Auf keinen Fall wird sie die letzte Herrschaftsform des staatsmonopolistischen Kapitalismus sein. Was ihr folgt, das wird weitgehend von dem entschieden, was ihr den Garaus macht.“ Seit diesen vor 45 Jahren zu Papier gebrachten Sätzen hat sich mit der neoliberalen Wende des österreichischen Kapitals und seiner politischen Eliten nicht nur das „sozialpartnerschaftliche Arrangement“ grundlegend gewandelt, auch die Kräfteverhältnisse „in“ und „um“ die „Sozialpartnerschaft“ haben sich fundamental verschoben und verschieben sich weiter zuungunsten der Arbeitenden und Gewerkschaftsbewegung – wie heute für jedermann und jederfrau evident. Vor diesem Hintergrund widmen wir uns unter dem Titel „Klassenkampf statt ‚Sozialpartnerschaft‘“ in einer 10-teiligen Artikelserie der Rekonstruktion und Aktualisierung der marxistischen, linken Kritik an dieser in gewerkschaftlicher Perspektive.

Unter gewerkschaftlicher Perspektive stellt das System der „Sozialpartnerschaft“, diese spezifische „Partnerschaft“, ja „Symbiose“ der Gewerkschaften und Arbeiterkammer mit dem Kapital im Land, den entscheidenden Herrschaftsmechanismus des Kapitalismus in Österreich und den maßgeblichen gewerkschaftlichen Integrationismus in dessen Ausbeutungs- und Herrschaftssystem dar.

Auf der Vorstellung eines übergeordneten, gemeinsamen „gesamtwirtschaftlichen Interesses“ der Arbeitenden und des Kapitals beruhend, ordnet sie im darin eingeschriebenen „höheren Interesse“ des „Ganzen“ gegenüber den nur als „Sonderinteressen“ erscheinenden Belangen der Arbeitenden, deren Lebens- und Arbeitsinteressen immanent den Interessen des Kapitals unter. In diesem integrationistischen Bewusstsein „Verantwortung für das Ganze“ zu tragen und in „Partnerschaft“ mit dem Kapital die sozialen, arbeitsweltlichen und gewerkschaftlichen Fragen aufzugreifen, manifestiert sich ein tiefgreifender Wandel der eigentlichen Klassenfunktion der Gewerkschaften und ihrer politischen Rolle.

Voraussetzung dieser Art „Partnerschaft“ war und ist zunächst in einem weitgehenden Verzicht auf den Einsatz der Kampfkraft der Gewerkschaften seinen „Frieden“ mit dem Kapital zu machen. An die Stelle einer kämpferischen Interessenspolitik in Einbeziehung und Mobilisierung der Werktätigen trat eine „Stellvertreterpolitik“ des „Ringens am grünen Tisch“, dessen Einigungen und Verhandlungsabschlüsse als „denkbar bestes Ergebnis“ zu gelten haben. Denn in harten, konsequenten Kämpfen bessere Ergebnisse durchzusetzen, verträgt sich nicht mit der historisch neuen Intimität der Gewerkschaftsspitzen mit dem Kapital. Der „soziale Friede“ und „besonnene ArbeitnehmerInnen“ avancierten damit zum gewerkschaftlichen Ideal. Die Selbsttätigkeit der Arbeitenden, der aktive Arbeitskampf um unsere Interessen, gar Streiks – in anderen Ländern völlig normale gewerkschaftliche Mittel und Kampfformen –, werden hingegen als „verantwortungslos“ bis „katastrophal“ (bzw. auch gewerkschaftlich als allenfalls „allerletzte Mittel“) gebrandmarkt.

Sich in ihrer neuen Rolle und Funktion als Teil der nationalen politischen Elite begreifend (und von den ökonomischen Eliten auch – real bis symbolisch – als solche akzeptiert), reicht das Selbstverständnis der mit dem Kapital seinen Frieden geschlossenen Gewerkschafts- und AK-Spitze über die prinzipielle Identifikation mit dem kapitalistischen System bis zur völligen Identifizierung mit dessen „sozialpartnerschaftlichen“ Herrschaftsmechanismus. Ja, unter sozialdemokratischen und großkoalitionären Kabinetten, bis zur Identifizierung mit den Regierungen.

Solches gilt, wenn auch mit Schattierungen, freilich für die „sozialpartnerschaftlich“-integrationistische Strömung der Gewerkschaftsbewegung und ihren Fraktionen insgesamt, ist im „sozialpartnerschaftlichen“ Gesamtvermittlungsmechanismus von Kapital und Arbeit aber im Besonderen für die Rolle der die Gewerkschaften dominierenden sozialdemokratischen FunktionärInnen und ihrer institutionellen, formellen und ideellen Bindungen ausschlaggebend.

Entsprechend, um die hartnäckige Mär der angeblichen „Erfolgsgeschichte“ der „österreichischen Sozialpartnerschaft“ gleich vorauf aufzugreifen, wirkt die „sozialpartnerschaftliche“ Integration der Gewerkschaften im Land seit je reformdämpfend und blieben die Gewerkschaften damit hinter dem eigentlich gesellschaftlich Möglichen zurück. Daran vermag auch das gepflegte Erfolgs-Narrativ nicht zu rütteln. Dass in Österreich in der Vergangenheit „am Verhandlungstisch“ oft größere Erfolge erzielt werden konnten als in anderen Ländern in harten Arbeitskämpfen und langwierigen Streikkämpfen, ist nicht Ergebnis der „Sozialpartnerschaft“, sondern lag an bestimmten, günstigen Voraussetzungen: der Schwäche des heimischen Kapitals, der geostrategischen Fensterlage Österreichs in der Ost-West-Systemauseinandersetzung u.v.m. Die Gewerkschaften betreffend beruhten die ehemaligen Erfolge vor allem auf dem Umstand der schieren, international kaum vergleichbaren Größe des ÖGB, sprich: dem vergleichsweise sehr hohen Organisationsgrades der Arbeitenden im Land (1970, zur Hochblüte, noch bei 60% liegend), sowie seinem „Drohpotential“ als Einheitsgewerkschaft u.a. Wir kommen darauf nochmals zurück. Die einstigen Erfolge auf die spezifische heimische „Partnerschaft“ der Gewerkschaften mit dem Kapital, seinen Wirtschaftsvertretern und politischem Personal zu münzen jedenfalls, ist eine krude Falschmünzerei.

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