Sanktions-Amoklauf II: USA eröffnen zweite Front im Weltwirtschaftskrieg

Während sich der Sanktions-Amoklauf gegen Russland zusehends als manifester Bumerang erweist, hat Washington im globalstrategischen Wirtschaftskrieg, wie unter transatlantischen Falken und ökonomischen Hardlinern bereits seit Wochen in Diskussion, eben gerade die zweite Front eröffnet und ein Embargo von Hochleistungschips gegen China verhängt. Damit könnte auch der „One Deal“, das seit Jänner 2020 sozusagen eingefrorene Sanktionsgefecht zwischen den USA und China, zur Disposition stehen. Eskaliert der von den USA angezettelte Boykott zum Wirtschaftskrieg, hätte das – zumal auf Westeuropa – dramatische Folgen. Und der neuerlich entfachte US-Vernichtungsfeldzug wird sich nur schwer einhegen lassen, geht es Washington entgegen allen vorgeschobenen Begründungen um nicht weniger als den Erhalt seiner immer stärker schrumpfenden technologischen und schwindenden digitalen Dominanz.

Eine der blödsinnigsten und auch zynischsten ins Feld geführten „Hoffnungen“ der auf den Weg gebrachten Sanktionspakete gegen Russland – um zunächst mit der ersten Weltwirtschaftskriegsfront zu beginnen – lag darin: erdrosselt man „die Russen“ wirtschaftlich, schreiten sie zum Volksaufstand gegen den Kreml. Nun zogen und ziehen Sanktionen und Embargos eine ganze Reihe Folgen nach sich, ein Initiator für Volksaufstände waren sie indes noch nie. Das zeigt schon ein Blick auf die unter anderem ebenfalls damit begründeten Strafmaßnahmen der jüngeren Zeit gegen beispielsweise den Irak (1990), Haiti (1991), Libyen (1992), Jugoslawien (1992), Kambodscha (1992, 2013) Serbisch-Bosnien (1994), Myanmar (1988, 1996), Sierra Leone (1997), Angola (1998), Afghanistan (1999), Liberia (2001), Simbabwe (2002, 2008), Nordkorea (2006), Iran (2006, 2012), Belarus (2006), Sudan (2008), Somalia (2010), Eritrea (2011), Syrien (2011), Mali (2012), Guinea-Bissau (2012), Belize (2013), Guinea (2013), Russland (2014), Burundi (2015) und Jemen (2015) – um nur die bekanntesten zu nennen.

Die, wie sich Brüssel brüstet, „massivsten“ Sanktionen die die EU je verhängt hat, tendieren umgekehrt sogar in dieser Hinsicht dahin sich als Bumerang zu erweisen. Die immer erdrückendere Teuerungswelle und herbeigeführte Energiekrise führen in Berlin, Paris, London, Rom – aber auch anderen Hauptstädten – beiweilen nicht mehr nur unter der Hand dazu, dass die WirtschaftskriegerInnen mehr und mehr die Sorge treibt, dass es in absehbarer Zeit in den EU-Ländern, nicht in Russland, zu Volksaufständen kommt.

Gleichzeitig zeigt die Kriegsfront auch im Establishment zusehends Risse. Insbesondere ÖkonomInnen wagen sich mehr und mehr, wenn auch vielfach zähneknirschend, mit der Einsicht vor, dass sich die EU verzockt hat, Sanktionen immer auch Risiken, Nebenwirkungen und Kehrseiten bergen und sich der Wirtschaftskrieg gegen Russland nicht nur als Flop, sondern vielmehr als regelrechter Bumerang erweist. Nicht, dass die Sanktionspakete an der russischen Wirtschaft einfach abperlen würden, aber der Kreml zeigt sich nicht nur betont unbeeindruckt, sondern der immer härtere Wirtschaftskrieg setzt Moskau realiter weit weniger zu als in den Wunschvorstellungen der politischen Führungs-Figuren, manischen Bellizisten und hysterischen Redaktionsstuben des Westens. Unterdessen ächzt vor allem der Westen selbst. Die geopolitische Absicht Russland – What ever it takes – in den Kollaps zu zwingen bzw. „zu ruinieren“, ruiniert vorrangig die sozialen Lebensbedingungen zahlloser Erwerbstätiger, Familien mit niedrigem und mittlerem Einkommen, TransferleistungsbezieherInnen und PensionistInnen sowie die Gesellschaften und Volkswirtschaften des „kollektiven europäischen Westens“ selbst.

Der Chef-Ökonom des Internationale Bankeninstituts IIF, Robin Brooks, hält denn auch die ökonomischen Verwerfungen unsere Breiten und die wohl bevorstehende neuerliche Rezession nicht nur für eine kurzfristige Delle in der Konjunkturentwicklung Europas, sondern prognostiziert als Kehrseite des losgetretenen Wirtschaftskriegs einen „erdbebenartigen Schock für die Eurozone“. Im Economist und seit neuerem auch in der Financial Times wird diese bislang noch heiße Kartoffel ebenfalls immer eindringlicher diskutiert.

Dem nicht genug, hat Washington gerade mit einem Embargo von Hochleistungschips gegen China die zweite Front im globalstrategischen Wirtschaftskrieg des Westens (neu) eröffnet. In einem Dossier des Nationalen Sicherheitsrats hieß es zu einer Reihe von IKT-Basistechniken schon vor wenigen Jahren offen: „Wir verlieren“. Seit diesem neuerlichen „Sputnik-Schock“ (Wolfgang Müller) versuchen die USA mit allen Mittel ihr wirtschaftlich nicht mehr zu behauptendes Terrain gegen China zu verteidigen. Da die USA auf dem Gebiet eigener Innovationen zu konkurrieren immer stärker ins Hintertreffen geraten (sind), setzen sie – trotz der Milliarden-Investitionen in die Halbleiterproduktion, um „den wirtschaftlichen Wettbewerb des. 21. Jh. zu gewinnen“ (Biden) – vornehmlich doch auf ein „robustes Mandat“ ihre Stellung zu verteidigen. So auch ebengerade. „Die Restriktionen betreffen Mikroprozessoren, die vor allem bei Anwendungen der künstlichen Intelligenz (KI) benötigt werden“, so die Medien – ein Sektor in dem China Weltspitze ist und die Musik im Reich der Mitte spielt. Schon der Chip-Boykott unter Trump hat Peking veranlasst die eigene Chip-Produktion voranzutreiben und der Taiwan-Frage mit Sitz des weltweit führenden Halbleiterherstellers von Hochleistungschips TSMC neue Schärfe verliehen. Denn die Chip-Herstellung gilt bislang noch als Achillesferse der chinesischen Industrie. In Washington wird darüber hinaus denn auch der Gedanke einer vollständigen Abkoppelung der chinesischen von der westlichen Industrie in der IKT (Informations- und Kommunikationstechnologie) erwogen, um den wirtschaftlichen Aufstieg Chinas ein Stück weit auszubremsen zu versuchen. China ist allerdings ein nochmals ganz anderes Kaliber als Russland und schlägt in seiner Sanktionsabwehr gegen westliche Kampfmittel von Sanktionsmaßnahmen mit zielgerichteten Gegensanktionen zurück.

Da mag sich etwa die ebenso russophobe wie sinophobe deutsche Außenministerin Annalena Baerbock auch ihrerseits für „mehr Härte“ gegen China aussprechen und den Weltordnungs-Machtkampf zwischen dem Westen und Peking in ähnlicher Weise zu eskalieren trachten wie jenen mit Moskau. Ein amerikanisches Sprichwort besagt hingegen nicht zu Unrecht: „Don’t bring a knife to a gunfight!“ Hat sich der Westen schon beim widerständiger als gedachten Russland verzockt, ginge es in einem Wirtschaftskrieg gegen China nicht mehr „nur“ um Energie, Rohstoffe, (von Getreideausfuhren abgesehen) periphere Lieferketten und einen überschaubaren Absatzmarkt, sondern ums Eingemachte auf breiter Front. Das würde selbst für Berlin noch nicht einmal die etwaige Hoffnung, dass sich die milliardenschweren digitalen EU-Förderprogramme ja in Deutschland bündeln, auch nur in Ansätzen ausgleichen. Unter einem Sanktionskreuzzug gegen China würde EU-Europa nicht nur ächzen, sondern einen dramatischen ökonomisch und sozialen Trümmerhaufen heraufbeschwören, mit einem inflationären Schock, gegen den die aktuellen Teuerungsraten geradezu harmlos aussähen würden.

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