„Die Zeit ist aus den Fugen“ (Shakespeares): Zum Rüstungswahn 2.0

Unzweifelhaft, wir befinden uns heute mit Ingar Solty gesprochen „an der Schwelle des Übergangs vom neuen globalen Wettrüsten zum Rüstungstsunami“, wenn nicht bereits inmitten dieses. 

Und diese überbordende Rüstung ist auch mitnichten ein Erbe aus dem „Kalten Krieg“ bzw. Überbleibsel der Strategie der „Todrüstung“ der Sowjetunion, sondern maßgebliche Folge der kriegerischen imperialen Globalstrategie des Westens und seiner zahllosen Kriege: gegen Jugoslawien 1999, Afghanistan 2001 – 2021, den Irak 2003 – 2011, Libyen 2011, gegen Syrien, Mali, seine zweimalige Intervention in Somalia oder auch Militäroperationen in einem Dutzend weiterer Länder wie darüber hinaus etwa in Uganda, Liberia, Haiti, im Nahen Osten oder aktuell dem Jemen.

Entsprechend zogen die globalen Rüstungsausgaben, nach einem kurzen Rückgang im unmittelbaren Anschluss des sogenannten Zweiten Golfkriegs der USA gegen den Irak 1990 – 1991, seit 1998 (parallel zum Project for the New Amercian Century der Neocons) wieder rasant an und erreichten bereits 2006 wieder den Stand zu Ende des „Kalten Kriegs“. Ab 2012 stiegen sie dann nochmals besonders steil an, um 2021 erstmals die 2 Billionen Dollar Schallmauer zu übersteigen und sich zu 1998 zu verdoppeln. Von wegen „Friedensdividende“. Und wohlgemerkt zu einem Zeitpunkt als der Ukraine-Krieg noch in ferner liefen lag, ja sogar noch gehörig vor dem Euro-Maidan, der Eingliederung der Krim und der mehrschichtigen Eskalation des Ukraine-Konflikts.

Während die Arbeitenden in den Metropolen und Millionenmassen der Subalternen rund um den Globus zunehmend unter der multiplen Krise und Krisenkonjunktur des kapitalistischen Weltsystems ächzen und darben (von der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09, über die Eurokrise 2010/11, zur Wirtschafts- und Coronakrise 2020/21, Rückkehr der Hochinflationszeit 2022/23, verschärft wie verschränkt mit der Einzug gehaltenen Klimakrise und globalen Umweltkatastrophen etc.) sind die weltweiten Militärausgaben parallel auf ein neues geschichtliches Allzeithoch von irrsinnigen 2,24 Billionen oder 2.240 Mrd. Dollar angewachsen. Unberührt von allen Budgetrestriktionen à la Maastricht oder gegen Soziales in die Verfassung geschraubte Schuldenbremse. Tendenz: rasant weiter steigend.

Exorbitante 52% davon geben alleine die G7-Staaten, des selbsternannten westlichen „Lenkungsausschuss der Weltwirtschaft und Weltpolitik“, für ihren Kampf um ihre globale Vorherrschaft aus. Auf die NATO entfallen mit 55% oder 1.232 Mrd. Dollar der weltweiten Militärausgaben wiederum deutlich über die Hälfte der globalen Rüstungsmilliarden. 16,9% entfallen auf die „Kontrahenten“ China und Russland. Mit einem Militäretat von 1,154 Billionen Dollar der NATO-Staaten (2021) zu 65,9 Milliarden Dollar auf russischer Seite (2021) vereinte Moskau gerade einmal ein 18tel des Militäretats der NATO auf sich – oder spiegelverkehrt: stand eine 18-Fache Überlegenheit der NATO zu Buche.

Daran werden auch die kriegswirtschaftlichen Umstellungen Russlands aufgrund des noch gravierenderen Unterschieds in den ökonomischen Kräfteverhältnissen (mit 24 zu 1 zu Gunsten der NATO-Staaten) nichts Substantielles verändern. Zumal im „Kollektiven Westen“ mittlerweile die letzten Dämme gebrochen sind. In Deutschland bildet der Rüstungsetat so überhaupt den einzigen im Budget erhöhten Einzelhaushalt. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg wiederum vermeldete unlängst stolz eine „beispiellose“ Anhebung der Rüstungsausgaben des westlichen Militärpakts. Und auch Japan steht vor einer beispiellosen neuen Militarisierung. Ja, das neue globale Wett- und Hochrüsten ist in einen vor kurzem noch undenkbaren, regelrechten Rüstungstsunami übergegangen.

Auf dessen Welle steht auch Österreich stramm „Habt -Acht“. Und die 1,8 Mrd. Euro schweren 225 neuen „Pandur“-Panzer sind erst der Einstieg in die „Mission Vorwärts“, unter welchem Titel Bundkanzler Karl Nehammer und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner im besten Einvernehmen mit den heimischen Oliv-Grünen die die größte Anschaffung des Bundesheers seit zwei Jahrzehnten feierten. Denn von nun ab „beginnt eine neue Zeit im österreichischen Bundesheer“, die vom vermeintlichen „Prozess des Nachrüstens“ dann in eine angekündigte massive „Aufrüstung“ übergehen wird. Verschränkt mit einer „Umrüstung“ und Neuauslegung des Streitkräftemodells – nach einer Ära der Forcierung von Battle Groups, für Militärinterventionen im Globalen Süden und gegen kleinere Staaten –, auf „symmetrische Kriege“ in Großverbänden unter der Parole: „Auf zur letzten Schlacht“!

Der fürs Publikum konstruierte vermeintliche Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg ist auf nüchterner Datenbasis denn auch ebenso grotesk und verlogen, wie die Rede angeblich sträflich vernachlässigter Verteidigungsausgaben, gar „kaputtgesparter“ Streitkräfte, schlichtweg falsch ist. Und das gilt eben beiweilen nicht nur für die USA oder die waffenstarrenden EU-Oststaaten. Auch in West- und Mitteleuropa stiegen die Rüstungsausgaben seit 2013 um 30% und verdoppelten sich die Rüstungsimporte in den letzten fünf Jahren (also von 2019 auf 2023 zum Zeitraum 2014 bis 2018) annährend (+94%). Allein die europäischen NATO-Staaten verfügten dementsprechend im angeblichen „Zeitenwende-“Februar 2022 über die doppelte Schlagkraft an Waffensystemen zur konventionellen Kriegführung. Mangelnde „Verteidigungsfähigkeit“ oder „Versäumnisse der Vergangenheit“ gegenüber einem halluzinierten Angriff Russlands auf die EU jedenfalls nehmen sich anders aus.

Die rüstungspolitische Ausschlachtung des Ukraine-Kriegs durch die SchreibtischfeldwebelInnen an vorderster Front des neuen Wettrüstens, hat denn auch andere Triebkräfte, wie es Andreas Seifert von der Informationsstelle Militarisierung auf den Punkt brachte: „Die 2022 ausgerufene Zeitenwende … schafft den [willkommenen] Begründungsrahmen für Pläne, die schon lang bereit lagen.“ Und mit der von der EU-Kommission gerade vorgelegten neuen Strategie für die Rüstungsindustrie, dreht Brüssel nochmals kräftig weiter an der Hochrüstungsschraube, der Militarisierung der internationalen Beziehungen und EU-Rüstungsboom. 

Flankiert durch ein „Brainwashing“ per bellizistischem Dauerbombardement und politisch-medial zu stiften versuchter Akzeptanz, samt kriegswirtschaftlichem Paradigmenwechsel des Gesellschaftsfähigen, soll eine einschneidende „Zeitenwende“ auf den Weg gebracht werden. Pointiert bemerkte dazu bereits im Herbst die Süddeutsche Zeitung: „So haben sich die Zeiten geändert“, wie die SZ zum gehypten und medienwirksam inszenierten Spatenstich einer neuen Rüstungsschmiede von Rheinmetall spöttelte. „Anders als vor dem Krieg in der Ukraine, als sich die Rüstungsindustrie eher versteckte – und von der Politik gemieden wurde.“ Mied man es bis jüngst tunlichst, sich mit Rüstungskonzernen unter den Linden zu zeigen, zelebriert man heute hingegen eine neue Intimität mit den Rüstungsschmieden und Rüstungsbaronen. Denn die neue Leitparole der über uns rollenden Militarisierung lässt sich in drei Worten zusammenfassen: „Waffen, Waffen, Waffen.“

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