»Die Repression in den Betrieben nimmt zu«

Wie wir berichtet haben, wurde ein Genosse wegen seiner Kandidatur für KOMintern bei der AK-Wahl gekündigt. Die junge Welt hat nun ein Gespräch mit Benjamin Rehor darüber geführt!

Wien: Kandidat einer Gewerkschaftsinitiative wegen Antritts bei der Arbeiterkammerwahl gekündigt. Ein Gespräch mit Benjamin Rehor

Interview: Dieter Reinisch, Wien

Ihnen wurde während der Wahl zur Arbeiterkammer-Vertretung gekündigt. Was ist passiert?

Ich bin seit fünf Jahren in einer Trafik (österreichisch für Kiosk, jW) angestellt. Ich hatte immer ein gutes Verhältnis mit dem Chef, aber letzten Herbst ist es gekippt. Damals sind die Kollektivvertragsverhandlungen im Handel abgebrochen worden und ich habe gefragt, ob es dennoch eine Lohnerhöhung, die die Inflation ausgleicht, geben würde.

Das war kein Problem, er hat groß angekündigt, natürlich den Inflationsausgleich zu zahlen. Ich habe dann aber gesagt, dass es im Jahr davor keinen vollen Inflationsausgleich gab und ob es nicht daher dieses Jahr etwas mehr sein könnte. Das fand er nicht witzig. Er meinte gegenüber Kollegen, ich sei »undankbar«. Ich war auch bei den Protesten der Handelsbranche, und er hat das mitbekommen.

Die letzte Sache war dann mein Umzug. Mir stehen zwei Tage arbeitsfrei zu. Das nennt sich »Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung wegen Umsiedelung«. Das wollte er nicht genehmigen. Er wollte es als Urlaub oder Zeitausgleich abgelten. Er meinte, ich brauche keine zwei Tage, weil ich innerhalb von Wien umziehe und meine Wohnung klein sei.

Wie kam es zur Kündigung?

Wenige Tage später bin ich zur Arbeit gekommen, und er hat mich vor meiner Schicht zu sich gerufen. Er sagte, er sei der Meinung, mir würde ein Tag reichen, und er möchte nicht streiten und genehmige mir den Tag. Dann sprach er meine Kündigung aus.

Wie hat er das begründet?

Einerseits mit den Lohnverhandlungen im Herbst, da ich nach mehr als dem Inflationsausgleich gefragt habe. Er sagte, ich lege eine kämpferische Art an den Tag. Zuletzt kam er dann auf meine Kandidatur zu sprechen. Er hatte einen Auszug von der Komintern-Homepage ausgedruckt und meinte: »Das ist eine politische Vereinigung, die auf Arbeitskämpfe aus ist, und wir sind ein Familienunternehmen. Da passt so etwas nicht.«

Wie haben Sie reagiert?

Ich habe mich geweigert, die Kündigung zu unterzeichnen, aber zwei Kolleginnen waren als Zeugen anwesend, die es unterschrieben haben. Eine davon ist die Frau des Chefs und die andere seine rechte Hand.

Am nächsten Tag bin ich zur Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) gegangen. Ich habe klar gemacht, dass ich gegen die Kündigung vorgehen möchte. Meine politische Einstellung hat dem Chef nichts anzugehen. Es ist ein Signal an die anderen Kollegen, ihnen zu zeigen: Wer um mehr Lohn bittet und um Urlaubstage verhandelt, dem wird gekündigt.

Was hat die GPA gemacht?

Wir haben gemeinsam eine Klage vor dem Arbeitsgericht eingereicht. Der Grund nennt sich »verpöntes Motiv«. Das bedeutet, dass eine Kündigung aufgrund gewerkschaftlicher Motive nicht zulässig ist. In Österreich muss man eigentlich keine Kündigungsgründe angeben, aber es gibt Motive, aufgrund derer man nicht gekündigt werden kann. Da liegt die Beweislast beim Gekündigten. Der Angestellte muss aufzeigen, dass ihm unrechtmäßig gekündigt wurde und die Beweise erbringen.

Ist Ihnen diese Beweislastumkehr möglich?

Es gab zwei anwesende Zeuginnen, und mein Chef hat danach die Kündigung und die Gründe dafür noch herumerzählt. Es waren weitere zwei Kolleginnen im Dienst an jenem Tag, der Chef hat mit ihnen über mich gesprochen, und beide haben verstanden, dass ich aufgrund gewerkschaftlicher Tätigkeit rausfliege.

Sind Kündigungen aufgrund politischer Tätigkeit verbreitet in Österreich?

Direkt, nachdem wir über den Fall berichtet haben, hat sich eine Kollegin bei Komintern gemeldet. Sie war Betriebsrätin und wurde im Januar gekündigt. Da läuft gerade ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht. Das Problem scheint zu sein, dass die Gewerkschaft bei kleinen Unternehmen derartige Fälle nicht bekanntmacht. Vermutlich, um Kollegen nicht zu verunsichern. Die Repression im betrieblichen Bereich nimmt in Österreich definitiv zu.

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