„Der neueste Klimazustandsbericht zeigt, dass sich der Planet am Rande des Abgrunds befindet“, so UN-Generalsekretär António Guterres letzte Woche. Der Bericht zeichnet ein düsteres Bild des Klimawandels. Begleitend schimmert mit den Eskalationen der weltweiten Kriegsgeschehen in den nachdenklicheren Reihen der Klimabewegung zumindest punktuell die Einsicht in die Verschränkung der Umweltproblematik mit Rüstung, Krieg und geopolitischen Konflikten etwas stärker durch – die durch die neue Rüstungs- und Konfliktspirale weiter angeheizt werden und auch die Klimakatastrophe nochmals zusätzlich befeuern, wenn nicht überhaupt den nächsten Kipppunkt markieren. Diese dämmernde Einsicht gegen den bellizistischen Zeitgeist ist auch unumgänglicher denn je. Denn nicht nur sind Anteil und Zusammenhang von Rüstung, Militär und Krieg am Klimaumbruch in der breiteren Debatte sind seit jeher viel zu wenig beachtet, sondern tendiert der Allparteienkonsens des neue Rüstungstsunamis und der Kriegsbesessenheit der Gegenwart auch zur ökologischen Kernschmelze.
Dabei zählt das Militär schon gegenwärtig zu den größten institutionellen Emittenten von Treibhausgasen und Verbrauchern von Energie und Ressourcen. Um sich der Dimensionen anzunähern: Ein Eurofighter verbraucht ca. 70 – 100 Liter Kerosin in der Minute. Die US-Luftwaffe, Panzerverbände, Transporter und Seestreitmacht sind überhabt der weltweit größte Einzelverbraucher von aus Erdöl hergestellten Treibstoffen (und betreibt darüber hinaus zudem unzählige Kernreaktoren für seine Flugzeugträger und U-Boote) – wie eine 2019 kurzzeitig Schlagzeilen machende Studie von Neta Crawford von der Boston University mit Nachdruck aufzeigte. Das US-Militär als Ganzes wiederum emittiert sogar deutlich mehr CO2 als viele industrielle Länder wie Schweden oder die Schweiz.
Das US-Militär als global größte institutionelle Emissionsschleuder und die klimapolitische Ausklammerung der militärischen Emissionen
Ja, wie Markus Gelau in „US-Militär: Der größte Umweltverschmutzer der Welt“ schon vor dem aktuellen Rüstungswahn nachzeichnete: „Die gigantische [US-]Kriegsmaschinerie ist der weltweit größte Verbraucher von Erdölprodukten. Offiziell werden auf den weltweit 7.000 Militärbasen [das beziffert über die rund 750 der USA rund um den Erdball hinaus sämtliche der Welt, Anm.], täglich 320.000 Barrel (bbl) Öl verbraucht (1 bbl = ca. 159 Liter). Sie verursachen die meisten sogenannten Treibhausgasemissionen und schleudern Tag für Tag megatonnenweise giftige Schadstoffe in die Umwelt. Doch das Pentagon ist von sämtlichen (…) Klima- und Umweltabkommen ausgenommen.“ Denn das US-Militär und ihre NATO-Lobby haben durchgesetzt, dass ihre militärischen Emissionen und Klimaverheerungen in den Berichten an die UNO nicht mitberücksichtigt werden und auch aus dem Pariser Klimaschutzabkommen ausgeklammert bleiben, da deren Ausweis die weltweiten „amerikanischen Militäroperationen … behindern“ würde und Informationen über die globalen militärischen Kapazitäten der U.S. Army preisgeben würden, wie es seitens des Pentagons hieß und heißt. Entsprechend „verabschiedete (…) der US-Kongress (…) 1998 [auch] ein Gesetz, das sämtliche US-Militäroperationen weltweit von den Bestimmungen des Kyoto-Protokolls freistellte.“
KlimaforscherInnen, zuletzt wieder einer Forscher:nnengruppe in „Nature“, und Umweltaktivist:nnen kritisieren denn auch schon lange diese militärische „Blackbox“, auf deren Konto Schätzungen zufolge bis zu 5% aller weltweiten Emissionen gehen. Stuart Parkinson von Scientists for Global Responsibility (SGR) zufolge verursachen die weltweiten Streitkräfte und die Industriezweige, die deren Ausrüstung liefern, zusammen sogar schätzungsweise 6% aller Treibhausgasemissionen. „So steht zwar fest“, monierte selbst DerStandard vor nicht allzu langem, „dass das US-amerikanische Verteidigungsministerium mehr fossile Brennstoffe verbraucht als jede andere Institution der Welt“, genaue Zahlen indes sind nur kompliziert zu ermitteln. Und dies, obwohl dem Vernehmen nach selbst Nancy Pelosi auf der COP 26 der Aussage zugestimmt hat, dass das US-Militär ein „größerer Umweltverschmutzer als 140 Länder zusammen“ sei. Die EU wiederum beantwortete eine Anfrage aus dem EU-Parlament zum CO2-Fußabdruck des EU-Militärs 2019 (also bereits exklusive Großbritannien, dessen Armee ebenfalls allein den Ausstoß vieler industrialisierter Länder aufweist und vor dem neuen Rüstungsboom und der neuen EU-Strategie für die Rüstungsindustrie) mit 24,8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Das entspricht ins Anschaulichere umgerechnet etwa den jährlichen Emissionen von rund 14 Millionen Autos.
In eine „nachhaltige“ Zukunft mit Umstieg von Verbrennungs-Panzern auf E-Panzer und Bomben mit Biogütesiegel?
Immerhin, so ist man geneigt zynisch zu erwähnen, ‚verpflichtete‘ sich die U.S. Army jüngst erstmals auf eine militärische Klimastrategie bis 2050 – ähnlich die britischen Streitkräfte. So die Seltenen Erden und Metalle dafür ausreichen – was bezweifelt werden darf –, werden wir dann wohl als nächstes dem Aus des Verbrennungs-Panzers und den Umstieg auf E-Panzer, mit Bio-Kerosin aus grünem Wasserstoff betriebenen Kampfjets, mit Biogütesiegel versehenen Bomben aus nachwachsenden Rohstoffen und mit der Atom-Renaissance nicht unwahrscheinlich auch „moderne“ „Mini-Nukes“, eine faktisch neue Generation von Atombomben um Kernwaffenkriege „regional begrenz- und führbar“ zu machen, beklatschen dürfen. Die „politische Klasse“ von Sozialdemokraten, über Oliv-Grüne und Liberale, bis Konservative, Rechtspopulisten und Neofaschisten schwören – unterschiedlich akzentuiert – schon darauf ein; wenngleich die erste Probefahrt im E-Panzer wohl schon Panzer-Toni Anton Hofreiter vorbehalten ist.
In all dem noch gar nicht einbezogen sind dabei die Kriegsfolgen, die neben Toten, Flucht, humanitären Katastrophen und Zerstörung, auch immer ein ökologisches Desaster beinhalten – von freigesetzten Chemikalien und Giften in der Atmosphäre, über die Verseuchung und Verstrahlung der Böden, des Grundwassers bis in die Nahrungsmittelketten u.v.m. Selbst die Waffentests, Militärübungen und verheerenden Großmanöver mit x-tausenden Soldaten, Panzerverbänden und Fliegerstaffeln in Richtung eines neuen großen heißen Kriegs sind darin nur unvollständig erfasst. Ganz zu schweigen von den multiplizierten Spitzenwerten im Kriegsgeschehen.
Und dass selbst nukleare Infernos nach wie vor als „ökologische und humane Kollateralschäden“ im militärischen Kalkül geblieben sind, verdeutlicht die „Theorie des lokalen Atomkriegs“ als fester Bestandteil der US- und NATO-Kernwaffenstrategie. Dabei, wie Klaus Eichner jüngst zurecht bemerkte, gilt schon lange als gesichert: „Alle bisherigen (theoretischen) Bemühungen, mit einem sogenannten Enthauptungsschlag den vernichtenden Gegenschlag zu verhindern, erwiesen sich als illusionär. Tschernobyl 1986 hat nachdrücklich vor Augen geführt, welche globalen Folgen allein ein nuklearer Unfall nach sich zieht. Desgleichen die Katastrophe in Fukushima 2011 …“, und ergänzt: „Insofern erschreckt es schon, wie leichtfertig Kriegstrommler heute über den Einsatz von Atomwaffen schwadronieren. Dies erinnert sehr an die Einfalt von Konrad Adenauer.“ Dabei entwich in Tschernobyl „nur“ ein relativ kleiner Teil des nuklearen Materials in die Atmosphäre. „Wenn das komplette nukleare Material eines Reaktors die Biosphäre belastet“, so daher Bernhard Trautvetter, „dann sind weit größere Regionen Europas und der angrenzenden Erdteile erfasst – und das mit deutlich gesteigerter toxischer und tödlicher Wirkung.“
Das Pariser 1,5°-Klimaziel versus dem 2%-Ziel der NATO
Heute jedenfalls befeuern Krieg und Hochrüstung den Klimawandel nicht nur zusätzlich, sondern das neue globale Wettrüsten und die ausgerufene neue Blockkonfrontation um den „Sieg im 21. Jahrhundert“ (Joe Biden) steuert die Welt vielmehr direkt in den ökologischen Abgrund. „Das gilt für mehrere tausend Granaten, die Tag für Tag in der Ukraine von beiden Seiten abgefeuert werden. Das gilt aber auch für den CO2-Fußabdruck der Rüstungsproduktion“, wie der Friedensforscher Otmar Steinbicker gerade den Bogen vom Befeuern bis zur Lebensperspektive auf verbrannter Erde spannte. „Eine im Oktober 2023 veröffentlichte Studie der Ärzteorganisation IPPNW und weiterer Organisationen zeigt deutlich, dass die Zielsetzung des Pariser Klimaabkommens nicht mehr zu verwirklichen ist, wenn die Nato ihre geplanten Militärausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts verwirklicht.“
„Der gesamte militärische CO2-Fußabdruck der Nato ist danach von 196 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent (tCO2e) im Jahr 2021 auf 226 Millionen im Jahr 2023 gestiegen – 30 Millionen Tonnen mehr in zwei Jahren, was etwa der Zahl von mehr als acht Millionen zusätzlichen Autos auf den Straßen entspricht. Wenn alle Nato-Mitglieder das Ziel von zwei Prozent des BIP einhalten, würde sich ihr kollektiver militärischer Kohlenstoff-Fußabdruck zwischen 2021 und 2028 auf zwei Milliarden tCO2e belaufen.“ Zudem schrauben die NATO- und großen EU-Länder aktuell auch noch ihre klimarelevanten Investitionen zugunsten ihrer Militärausgaben zurück. Damit finden sich die militär-strategischen Neuauslegungen auf „symmetrische Kriege“ in Großverbänden und das allerorten angestimmte „Hurra zur letzten Schlacht“ allerdings auf „verbrannter Erde“ wider.
Foto: MFA Flickr / CC BY-ND 2.0 Deed