Etwas seltsam: Die Arbeiterkammer – oder wie die FSG lernte, die Bombe zu lieben

Während sich die Ziele und der Charakter der Waffenlieferungen des „kollektiven Westens“ an die Ukraine vor unseren Augen immer sichtlicher in Richtung eines Stellvertreterkriegs verändern – und dies auch offen eingestanden wird – sind nun auch in der neben dem ÖGB zentralsten Institution der österreichischen ArbeiterInnenbewegung, der Arbeiterkammer, die Dämme gebrochen.

Die anfänglichen Rufe nach einem Waffenstillstand und einer diplomatischen Lösung aus dem politischen Establishment sind schon längstens verhallt. Politische und diplomatische Bemühungen gibt es nur mehr aus der dritten Reihe und werden konterkariert und torpediert. Aktuell schlägt vielmehr die Stunde der Schreibtisch-Feldherren und -Feldwebelinnen – assistiert von den Friedrich Austerlitz‘ und Hugo Haase von heute.

Dementsprechend versuchte die sozialdemokratische Mehrheitsfraktion in der AK gerade sämtliche aus der militärischen Eskalationslogik herausführende Anträge, sowie in Richtung antikapitalistisch-antiimperialistischer Friedenspolitik weisende Dokumente abzuschmettern, und hat stattdessen einen Beschluss durchgesetzt, in dem die AK sich auf die Seite der Regierung und der Aufstockung des militärischen Etats Österreichs im Rahmen des neuen globalen Rüstungswettbewerbs schlägt – freilich ohne „zu Lasten des österreichischen Sozialstaates [zu] geschehen“. Allerdings sah die FSG sich genötigt, die eingebrachten neutralitätspolitischen Anträge, darunter auch ein umfassender von KOMintern, schließlich doch zur weiteren Behandlung zuzuweisen. Nun, Aufrüstung und Rüstungskeynesianismus sowie Juniorpartnerschaften als Brandbeschleuniger bis zu großen heißen Kriegen kennen wir zur Genüge. Und beweilen nicht alle AK-RätInnen waren bereit, auf Geheiß der Sozialdemokratie mit den Wölfen zu heulen. Wohlweislich war genau diese Abstimmung im Livestream nicht zu sehen…

Zu Gedenkjubiläen wird dann wohl wieder eine Redeschablone zum antimilitaristischen Vorzeigekampf Karl Liebknechts zu Besten gegeben, der für seine antimilitaristische Haltung und Agitation schon Jahre vor seinem Nein zu den Kriegskrediten zu eineinhalb Jahren Festungshaft wegen „Hochverrats“ verdonnert wurde. Und dies nicht unwahrscheinlich aus dem Munde irgendeines ‚Linksblinkers‘ aus den Reihen der SP, wie ja seinerzeit auch bewusst Hugo Haase das Rampenlicht des weltgeschichtlichen Sündenfalls der führenden Sozialdemokraten übernahm. Von schlichteren Adepten wird dafür dann wohl der dümmliche Totschläger gegen identifizierte „Putin-Versteher“ geschwungen werden dürfen, wie analog übrigens schon seinerzeit gegen Liebknecht als vermeintlicher „Zaren-Versteher“. Dass sich beides in sozialdemokratischer Manier zusammenstücken lässt, verdeutlicht schon ein Blick auf den 1.Mai-Aufruf 1914 „Gegen Kriegsrüstung und Kriegshetze!“ und der kurz darauf eingeschlagenen Kriegs- und Burgfriedenspolitik.

Dabei halten die maßgeblichen politischen Kreise von US-Außenminister Antony Blinken bis EU-Außenbeauftragten Josep Borrell heute noch nicht einmal mehr hinter dem Berg mit ihren Zielen. Die Propaganda hat sich peu á peu aber unmissverständlich von einer militärischen Unterstützung der Ukraine gegen den Angriff Russlands zur ökonomischen und militärischen Offensive einer nachhaltigen Schwächung der Russischen Föderation bis hin zu einem „Regime-Change“ in Moskau verschoben. Geradezu als Inbegriff dafür stehen in Westeuropa politische Figuren wie die beiden Bellizisten, sprich: Kriegstreiber, Joseph Borrell und Annalena Baerbock. Brachte die oliv-grüne deutsche Außenministerin das Ziel des westlichen Wirtschaftskriegskurses offenherzig auf den Punkt: Russland „zu ruinieren“, so präzisierte der sozialdemokratische Prokurist des westlichen Kapitals das Ziel der konventionellen Militärmission: „Dieser Krieg wird auf dem Schlachtfeld gewonnen werden“. Im staatlichen Rundfunk des formell neutralen Österreichs durfte diese Rolle jüngst der Militärstratege Franz-Stefan Gady einnehmen und hinsichtlich der zynischen NATO-Stellvertreterkriegs-Devise Tacheles reden. Das „Ziel“ in der jetzigen Eskalation sei „sehr klar“ – und keineswegs ein Raus aus der militärischen Eskalationslogik –, sondern: „ein Abnützungssieg bzw. Abschreckungssieg“ des Westens, sprich: Russland eine „vernichtende Niederlage auf dem Schlachtfeld“ zu bereiten. Koste es, was es wolle – dem Iwan muss das Fell über die Ohren gezogen werden. Und die Machthaber Kiews sind ebenfalls fest entschlossen zu einem langwährenden Abnützungskrieg bis zum letzten Ukrainer, zur bodenlosen Materialschlacht und einem offensiven Stellvertreterkrieg, wie Außenminister Dmytro Kuleba gerade heute in seinen Ausführungen über „die weitere Dynamik des Krieges“ bekundete. Den Marschbefehl hierzu gab bekanntlich US-Präsident Biden bereits in seiner Rede am 26. März in Warschau, mit den Worten, dass „Putin nicht an der Macht bleiben kann“.

Nachdenkliche Köpfe dagegen sind, außerhalb der revolutionären Linken, der kommunistischen Bewegung und des Papstes ansonsten rar gesät. Die schrille Empörung, Hysterie und Kriegspropaganda erstickt selbst zahllose gewohnt kühle Köpfe. Insofern ist es vielleicht auch nicht verwunderlich, dass sich letzte Funken Verstand, Vernunft und rationale Blicke vorrangig in Interviews und Abhandlungen von Militärs und Intellektuellen ersten Ranges finden, wie dem US-amerikanischen Ökonomen Jeffrey Sachs oder dem deutschen Ökonomen Heiner Flassbeck, ehemaliger Chef-Volkswirt der UNCTAD, oder eben jenen von Harald Kujat, ehemaligen Generalinspekteur der deutschen Bundeswehr, Ralph Bosshard, Oberleutnant iG. und ehemaliger Schweizer Sonderbeauftragter bei der OSZE, oder dem langjährigen obersten Militärberater Berlins, Brigadegeneral a.D. Erich Vad.

Für den US-amerikanische Ökonomen und intimen Kenner der westlichen Globalstrategien Jeffrey Sachs – langjähriger Berater des IWF, der Weltbank, der OECD und der WTO – etwa steht denn auch fest: „Die US-Regierung will die Gelegenheit nutzen und Russland in die Knie zwingen. (…) Die USA betreiben Expansionspolitik. Das ist der Geist in Washington. Der USA geht es um die Vorherrschaft in der Welt.“

Den barbarischen Kern dieser Stellvertreter-Strategie wiederum, fasste kürzlich der US-Politikwissenschaftler John Mearsheimer (ein prominenter Politologe aus dem US-Establishment) trocken zusammen: „Wir haben beschlossen, dass wir Russland in der Ukraine besiegen werden. (…) Man könnte argumentieren, dass der Westen, insbesondere die Vereinigten Staaten, bereit sind, diesen Krieg bis zum letzten Ukrainer zu führen. Und das Endergebnis ist dann, dass die Ukraine tatsächlich als Land zerstört wird. (…) Tatsache ist, dass die Vereinigten Staaten den Ukrainern nicht erlauben werden, einen Deal abzuschließen, den die Vereinigten Staaten für inakzeptabel halten.“

Und der langjährige oberste Militärberater Angela Merkels, Brigadegeneral a.D. Erich Vad, sprach sich unlängst nicht nur nachdrücklich gegen die Lieferung schwerer Waffen an Kiew aus (die er zugleich für einen potenziellen „Weg in den Dritten Weltkrieg“ hält), sondern hämmerte den apokalyptischen Reitern des Westens regelrecht ins Stammbuch: „Wenn wir den Dritten Weltkrieg nicht wollen, müssen wir früher oder später aus dieser militärischen Eskalationslogik raus und Verhandlungen aufnehmen.“

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