Die beiden wohl bekanntesten politischen Häftlinge der Gegenwart sind sicherlich der seit 22 Jahren auf Imrali in der Türkei in Isolationshaft gesperrte Abdullah Öcalan sowie der seit fast 40 Jahren in Philadelphia in den USA inhaftierte Mumia Abu-Jamal. Parallel hat sich die Lage der politisch Verfolgten und politisch Gefangenen weltweit, von etwa Griechenland über Spanien bis Peru abermals verschlechtert.
Zu beiden haben wir dementsprechend natürlich auch schon mehrfach unsere Solidarität und Forderung nach Freiheit zum Ausdruck gebracht (zuletzt: Freiheit für Mumia Abu-Jamal und Eilaktionen zur Aufklärung des Zustands Abdullah Öcalans). Und gerade die letzten Wochen und Tage haben die Notwendigkeit der Losung „Es reicht – für die sofortige Freilassung“ und Bedeutung der entsprechenden aktuellen Kampagnen dafür nur erneut unterstrichen.
So kursierte seit 2 Wochen das zunehmende Gerücht des Ablebens von Abdullah Öcalan. Erst am Donnerstag konnte dieses nach massiven Druck für eine glaubhafte Aufklärung und einen direkten Kontakt entkräftet werden, und das Rechtsbüro Asrın bzw. sein Bruder Mehmet ein kurzes Telefonat mit ihm führen, das nach 5 Minuten bereits wieder unterbrochen wurde.
Daran, dass dieses überhaupt zustande kam, hatte neben den breiten öffentlichen Protesten nicht zuletzt auch der Druck des Hungerstreiks und Widerstands in den Kerkern massiven Anteil.
Sofortige Freiheit für Mumia Abu-Jamal
Und auch dem seit fast 40 Jahren inhaftierte US-Bürgerrechtler, afroamerikanischen Journalisten und Mitbegründer der Black Panther Party in Philadelphia, Mumia Abu-Jamal, der Anfang März als Hochrisiko-Patienten im SCI Mahanoy-Gefängnis in Pennsylvania an Corona erkrankte, muss spätestens jetzt endlich Gerechtigkeit widerfahren und Mumia sofort freigelassen werden.
Denn der seit vielen Jahren Herzkranke und an einer chronischen Hepatitis C leidende linke Journalist ist nicht „nur“ lebensbedrohlich erkrankt, sondern wurde 1982 in einer rassistisch geprägten Polit-Prozess-Farce auf Basis schwerer Rechtsbrüche mittels eines ihm untergeschobenen Polizistenmordes verurteilt. Ein Umstand, den 2011 zwischenzeitlich sogar die US-Justiz einzugestehen gezwungen war – ohne dass dies allerdings eine Neuverhandlung zur Folge hatte oder es zu einer Freilassung Mumias kam.
Nach wie vor gilt somit das Wort des leitenden Richters des Prozesses gegen Mumia, Albert Sabo, der einer Gerichtsschreiberin zufolge in einer Verhandlungspause ungeschminkt geäußert habe: „Ich werde helfen, den Neger zu grillen“ („Yeah, and I’m going to help them fry the nigger“).
Es reicht: Freiheit für Abdullah Öcalan
Unsere Forderung nach sofortiger Freilassung gilt freilich nicht minder dem Vorsitzenden der Arbeiterpartei Kudistans (PKK): Abdulla Öcalan – der bekanntlich im Zuge des „internationalen Komplotts“ nach einer 130-tägigen Odysee über einen „Planeten ohne Visum“ am 15. Februar 1999 in Zusammenarbeit mehrerer Geheimdienste aus Kenia verschleppt wurde und sich seither auf der Gefängnisinsel Imrali, dem Guantanamo der Türkei, in Isolations-Haft befindet.
Vor diesem Hintergrund haben in jüngster Zeit auch 50 NobelpreisträgerInnen in einem gemeinsamen offenen Brief die Aufhebung der Isolationshaftbedingungen von Abdullah Öcalan und allen anderen politischen Gefangenen in der Türkei gefordert.
Die europäischen Staaten wiederum, insbes. die neutralen Länder wie namentlich auch Österreich, haben Abdullah Öcalan mit ihrer Weigerung, ihm Asyl zu gewähren dabei förmlich ausgeliefert. Sie trifft damit ebenfalls die volle Verantwortung für das Schicksal Öcalans. Denn seither sitzt er ununterbrochen in einer Einzelzelle ein und nehmen Repression und Isolation gegen ihn immer weiter zu.
Um diese Isolation zu durchbrechen und ihre Aufhebung zu erreichen, sind die PKK- und PAJK-Gefangenen in den türkischen Gefängnissen seit 27. November bis heute in einen gruppenweise, wechselnden Hungerstreik getreten – der in Solidarität auch immer wieder von weiteren Gruppen von RevolutionärInnen mitgetragen wird.
Hände weg von der HDP – sofortige Freilassung der politischen Häftlinge der Türkei
Desgleichen fordern wir die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen in der Türkei. Namentlich insbesondere natürlich die unmittelbare Freiheit für die beiden 2016 inhaftierten Ko-Vorsitzenden der HDP Selahattin Demirtaş und Figen Yüksedağ, sowie der zahlreichen ParlamentarierInnen (zuletzt gerade Ömer Faruk Gergerlioğlu), Abgeordneten und BürgermeisterInnen (aktuell nicht weniger als 72 festgenommene Co-BürgermeisterInnen) der linken pro-kurdischen Partei der Völker sowie mittlerweile über 16.500 inhaftierten AktivistInnen. Das gleiche gilt ebenfalls für die kaum mehr überschaubare Zahl an politischen Gefangenen der kurdischen Freiheitsbewegung, der revolutionären türkischen und der türkisch-kurdischen Parteien, Organisationen und Strömungen.
Und aktuell droht nicht nur über zwei Duzend weiteren Abgeordneten (nach Gergerlioğlu, nochmals 28) der HDP akut die Aufhebung ihrer parlamentarischen Immunität, um sie u.a. im für 25. April angesetzten „Kobanê-Prozess“ auf die Anklagebank zu zerren. Mit dem jüngst von der Erdoğan und Bahçeli hörigen Oberstaatsanwaltschaft der Türkei eingereichten Verbots-Antrag der HDP beim Kassationsgerichtshof schwebt dieses Damoklesschwert gleichsam über sämtliche gewählte FunktionsträgerInnen der Partei der Völker, die damit für vogelfrei erklärt werden.
Auch dieser ultimative staatliche Angriff auf die Partei der Völker stößt auf vehementen Widerstand der türkischen, kurdischen und pro-kurdischen Linken, der AlevitInnen, der LGBTI*-Bewegung, sowie großer Teile der Jugend, einfachen Werktätigen und der Arbeiterklasse. Parallel dazu hat sich in den Gefängnissen und Kerkern am Bosporus zudem ein breit getragener Hungerstreik gegen das forcierte Verbot der HDP entwickelt, der bereits in seinen 120 Tag geht.
Von Pablo Hasél in Spanien bis Dimitris Koufontinas in Griechenland
Aber wir erinnern am heutigen Tag auch an den jungen linken katalanischen Rapper Pablo Hasél, den die spanischen Behörden gerade ins Gefängnis steckten und auch dessen umgehende Freilassung wir fordern. Mit seinen marxistisch inspirierten Texten und insbesondere unter Jugendlichen populären Musikstücken gegen die Polizei resp. berüchtigte Guardia Civil, die Monarchie, den Faschismus und Kapitalismus wurde er den Herrschenden mehr und mehr ein Dorn im Auge, weshalb sie ihn unter den uns nur zu sattsam bekannten, justiziellen Allzweckvorwurf der angeblichen „Terrorismusunterstützung“, „Beleidigung staatlicher Institutionen“ und in Spanien auch „des Königshauses“ (oder „der Krone“) einsperrten.
Genauso erinnern wir an einen zweiten Fall, der in diesen Tagen gleichfalls breiter durch die Medien ging: der Hungerstreik für angemessene Haftbedingungen von Dimitris Koufontinas, dem bekanntesten Häftling Griechenlands. So sollte der beinahe seit 20 Jahre inhaftierte und zu 11 Mal lebenslänglich zuzüglich 25 Jahren verurteilte Ex-Aktivist und ehemals führendes Mitglied der bewaffneten, linken „Stadtguerilla- und Racheorganisation“ „17. November“ („17N“) in das Hochsicherheitsgefängnis Domokos verlegt werden. Also genau in jenes, in dem auch die verurteilten Mitglieder und Vertreter des Straßenmobs der faschistischen Partei „Goldenen Morgenröte“ einsitzen. Die als links-terroristisch eingestufte Gruppierung benannte sich nach dem von der faschistischen Militär-Junta blutig niedergeschlagenen Studentenprotest vom 17. November 1973 und verübte seit 1975 Anschläge auf hohe griechische und US-Militärs, Polizei und Polizeispitzel, CIA-Agenten, hochrangige britische und deutsche Funktionäre, sowie Kollaborateure, Drahtzieher und Finanziers der Militärdiktatur der Obristen. Koufontinas bezeichnete seine geplante Verlegung nach Domokos zurecht als „Krieg“ des konservativen griechischen Kabinetts gegen ihn und trat dagegen in den Hungerstreik. Gesundheitlich schwer gezeichnet musste der bereits in Lebensgefahr schwebende Koufontinas diesen Hungerstreik am 14. März nach 66 Tagen beenden.
Die Liste ließe sich auch in den EU-Ländern annähernd beliebig fortsetzen. Ergänzend erwähnt seien in diesem Zusammenhang allerdings lediglich noch die dreckigen Handlangerdienste und Auftragsprozesse Westeuropas für ihren NATO-Partner und Verbündeten Türkei. Entsprechend zerren auch die Gerichte in der EU massenweise AktivistInnen der kurdischen Freiheitsbewegung und mutmaßlicher Kader revolutionärer, türkischer bzw. türkisch-kurdischer Zusammenhänge vor den Kadi, verurteilen sie oder liefern sie dem langen Arm Erdoğans aus. Als eines der jüngsten Beispiele sei nur an den sogenannten TKP/ML-Mammut-Prozess und dessen Verurteilung von u.a. Müslüm Elma, Banu Büyükavcı oder Musa Demir erinnert.
Viele weitgehend in Vergessenheit Geratene und Namenlose
Daneben verbüßten oder verbüßen auch heute in der Linken weitgehend in Vergessenheit geratene Linke, GewerkschafterInnen und Revolutionäre unterschiedlichster Couleurs noch ihre Haftstrafen. Kaum jemandem sind mehr die 21 griechischen Streikführer des 9monatigen Stahlarbeiterstreiks von Greek Steelworks in Erinnerung, über die die Justiz von Hellas aufgrund ihrer Unbeugsamkeit und ihres kämpferischen Widerstands auf Geheiß der Wirtschaftsvertreter eine knapp 2jährige Haft verhängte.
Und nur mehr wenigen ist das Schicksal des zu lebenslänglicher Haft verurteilten ehemaligen Guerilla-Anführers Abimael Guzmán (alias: Presidente Gonzalo) des „Sendero Luminoso“ („Leuchtender Pfad“ / PCP-SL) in Peru in Erinnerung, der 1992 in Lima wie eine Jagdtrophäe der Öffentlichkeit im Käfig präsentiert wurde und im Anschluss von einem Militärgericht mit maskierten Richtern in Uniform abgeurteilt wurde.Gleiches aus dem ebenso blutigen wie tobenden „Guerra Popular“ (Volkskrieg) der (allem voran) 1980er Jahre gilt auch für andere Langzeitgefangene aus den Guerillabewegungen der Kommunistischen Partei Perus, PCP, bzw. der Revolutionären Bewegung Túpac Amaru, MRTA, sowie den seit der Jahrtausendwende zunehmend inhaftierten GewerkschafterInnen des Landes. Auch die Reihe jener ließe sich beinahe endlos weiterführen.
Kerker als Covid19-Hotspots
Parallel entwickelten sich vorhersehbar die Gefängnisse weltweit zu regelrechten Corona-Hotspots.
Schon im Frühjahr 2020 forderte die HDP angesichts der maßlos überfüllten Haftanstalten in der Türkei und der damit einhergehenden, besonderen Gefahr der Ausbreitung des Corona-Virus, daher, dass alle kranken und alten Gefangenen sowie alle Minderjährigen und Mütter mit Kindern sofort aus der Haft entlassen werden müssen.
Wie in anderen Ländern hat auch die Türkei diesbezüglich zwar eine Änderung des Strafvollzugsgesetzes vorgenommen, die die Freilassung von bis zu 100.000 der über 400.000 Gefangenen wegen der hohen Ansteckungsgefahr und zur Vorbeugung gegen das Covid-19 in türkischen Gefängnissen vorsah. Darunter: gemeine Verbrecher, Mörder und Vergewaltiger.
Explizit ausgeschlossen davon waren und sind allerdings politische Gefangene – die dem AKP/MHP-Regime zufolge damit einfach von der Seuche hingerafft werden können. Eine menschenverachtende Diskriminierung und verhängtes „Feindstrafrecht“, über die sich auch der Europarat „entsetzt“ zeigte. Wenig überraschend forderte dieses offene „Feindstrafreicht“ denn auch bereits zahlreiche Opfer und Tote.
Nach ersten, von den türkischen Wachmannschaften brutal niedergeschlagenen Aufständen, begann derweil am 27. November 2020 ein gruppenweiser Hungerstreik von Tausenden politischen Gefangenen aus der kurdischen Bewegung gegen die lebensbedrohlichen Haftbedingungen in den Gefängnissen und für die Aufhebung der Isolationshaft Abdullah Öcalans, dem sich immer wieder auch Gruppen anderer Revolutionäre mit befristeten Hungerstreiks solidarisch anschlossen. Dieser dauert bis heute ungebrochen an und hat sich mittlerweile auf 107 Gefängnissen ausgedehnt.
Wie brisant die Lage in den Kerkern dieser Welt für die politischen Gefangen ist, zeigt neben der fast zweiwöchigen Unklarheit über ein etwaiges Ableben Öcalans auch der nach wie vor unklare, genaue Zustand Mumia Abu-Jamals. Traurige Gewissheit ist indes, dass bislang mindestens 110 Gefangene in Pennsylvania an Covid-19 gestorben sind.
Daher:
Kundgebung: Solidarität mit politischen Gefangenen!
Samstag, 27.3., 15:00, Platz der Menschenrechte, Wien