Ihsan Cibelik, Musiker der bekannten und beliebten türkischen Polit-Protestband „Grup Yorum“, sitzt zusammen mit der Journalistin Özgül Emre und dem Sozialisten Serkan Küpeli seit Ende Mai 2022 in Köln in Untersuchungshaft. Bereits bei seiner Festnahme im unmittelbaren Anschluss an die erfolgreiche Premiere des Filmprojekts „Das Viertel / MAHALLE“ in Deutschland hatte er „gegenüber den Verfolgungsbehörden erklärt, dass eine Biopsie vorgenommen werden müsse, da bei ihm der Verdacht auf eine Krebserkrankung bestehe.
Erst über 15 Monate später wurde diese Untersuchung in der Uni-Klinik Köln vorgenommen und Prostata-Krebs diagnostiziert“, wie die Rote Hilfe Deutschland am Dienstag erklärte. Dennoch lehnte das OLG Düsseldorf eben gerade seine Haftentlassung zur umgehenden operativen Entfernung seiner Prostata (die im gegenwärtigen Stadium eine Heilungschance von 90 Prozent böte) und Behandlung seiner Krebserkrankung in einer Spezialklinik seines Vertrauens ab.
Die seit ihrer Gründung 1985 vom türkischen Staat verfolgte Protestband schafft es mit ihrer Musik und ihren politischen Songtexten zeit ihres Bestehens, breiteste Massen zu erreichen und ganze Stadien zu füllen. Daher ist sie dem türkischen Staat seit jeher ein Dorn im Auge. Immer wieder haben türkische Behörden deshalb Mitglieder der Gruppe verhaftet, eingesperrt und gefoltert. Auftritte und Alben wurden verboten und beständig versucht, die Band zu kriminalisieren und taxfrei als Frontorganisation der DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) eingestuft bzw. dieser zugerechnet. Nach bekanntem Strickmuster läuft dasStrafverfahrens gegen Cibelik, Kölner mit türkischen Wurzeln, und seine beiden Mitangeklagten nach den berühmt-berüchtigten „Terrorparagraphen“ 129, 129a und 129 b StGB denn auch unter dem Vorwurf der angeblichen Mitgliedschaft in der DHKP-C bzw. deren „Deutschlandkomitee“ gebildet zu haben. Gewalttaten oder in Deutschland strafbare Handlungen werden den Angeklagten nicht vorgeworfen, sondern einzig ihre politische Gesinnung, vermeintliche Zugehörigkeit zur Volksbefreiungspartei-Front und angebliche Funktion in dieser bzw. deren „Ziele gefördert“ zu haben.
Als Protest gegen diese neuerliche justizielle Verfolgung und Willfährigkeit gegenüber Ankara trat denn auch zunächst die Prozessbeobachterin Eda Deniz Haydaroğlu in Hungerstreik. Ihr schlossen sich wenig später Ilgin Güler und Sevil Sevimli, die sich ebenfalls bereits seit je rund 220 Tage im Hungerstreik befinden, und Lena Ileni Acikgöz, die ihrerseits ebenso schon seit über 150 Tage aus Solidarität mit den Inhaftierten hungerstreikt, an, die seitdem ebenfalls lediglich Vitamine und Flüssigkeit zu sich nehmen. Eda Deniz Haydaroğlu befindet sich nach über 270 Tagen Hungerstreik mittlerweile indes in akut lebensbedrohlichem Gesundheitszustand.
„Mit heute zugestelltem Beschluss vom 12. Dezember 2023“, so die Rechtsverteidigung Cibeliks gestern in ein einer Presseaussendung nachdrücklich und unmißverständlich, „hat der siebte Strafsenat des OLG Düsseldorf den Antrag auf Haftentlassung abgelehnt und Haftfortdauer angeordnet (…). Mit dieser Entscheidung verwehrt der Senat Herrn Cibelik die sofortige Durchführung der Operation, also der Behandlung, die nach wohl unstreitiger medizinischer Meinung einzig eine Chance auf sofortige völlige Heilung bietet. Eine Beobachtung mit dreimonatigen Kontrollen gefährdet das Leben eines an Prostatakrebs Erkrankten, weil eine jederzeit mögliche Streuung der Krebszellen eine Heilung ausschließt. Zudem wird, soweit Herrn Cibelik die gewünschte Operation zugestanden wird, durch eine fortdauernde Inhaftierung die weitere Behandlung in den Verantwortungsbereich des Gefängnisses gelegt, was die Behandlung erheblich hinauszögern wird. Der Senat nimmt dadurch eine Verschlimmerung der Erkrankung billigend in Kauf.“