Montag, 3.4., 17.45 Uhr, Ballhausplatz
Bei den Aktionstagen gegen die European Gas Conference, die diese Woche in Wien stattfand, erfuhr die Klimagerechtigkeitsbewegung durch die Anwendung des § 274 StGB gegenüber Aktivist:innen von BlockGas ein für Österreich neues Level an Kriminalisierung. Untenstehend ein Hintergrundtext über die Europäische Gaskonferenz.
Während die wahren Kriminellen, die fossilen Lobbyist:innen und Investor:innen auf der Konferenz, hinter verschlossenen Türen über neue fossile Megaprojekte und die Zukunft unseres Energiesystems verhandelten, erlebten mehrere hundert friedlich demonstrierende Aktivist:innen aus ganz Europa und Afrika unverhältnismäßig brutale Gewaltanwendung durch ein enormes Polizeiaufgebot samt Hundestaffeln und Wasserwerfern.
„Im Marriott Hotel“, so BlockGas andernorts, „wollten sich die CEOs der größten europäischen Gaskonzerne mit Politiker:innen und Investor:innen ungestört treffen, um unsere Abhängigkeit von Gas für weitere Jahrzehnte einzubetonieren. Dank eines groß und breit angelegten Protests konnten wir die Geheimnistuerei um diese Konferenz beenden und ihre fossilen Machenschaften ans Licht bringen. Doch statt gegen die fossilen Verbrechen vorzugehen, bekämpfen die österreichischen Repressionsbehörden Aktivist:innen, die für eine soziale und ökologisch gerechte Welt protestieren. Das Ausmaß an Polizeigewalt mit Pfefferspray, Schlagstöcken, Hunden und Wasserwerfen wurde noch übertroffen vom Einsatz des Paragraphen 274, der Aktivist:innen schwere Straftaten vorwirft.“
Das Vorgehen der Polizei hat damit einmal mehr gezeigt, dass der Staat mehr Interesse daran hat, das fossile System und seine Profiteure zu schützen, anstatt die Dringlichkeit der aktuellen Krisen ernst zu nehmen. Die Repression und Kriminalisierung sind ein Versuch, unsere Proteste für eine soziale und ökologisch gerechte Welt und gegen die fossile Zerstörung zu beenden. Doch wir werden uns davon nicht einschüchtern lassen, denn ziviler Ungehorsam ist ein legitimes und notwendiges Mittel demokratischer Teilhabe und emanzipatorischer Politik für alle jene, deren Stimmen nicht gehört werden!
Deshalb treffen wir uns am Montag, den 3.04. um 17:45 Uhr am Ballhausplatz – Solidarisch im Widerstand gegen die Repression!
Hintergrund: Was passiert auf der Europäischen Gaskonferenz?
Dazu ein weiterer, bereits im Vorfeld erschienener und Attac entnommener, Hintergrundtext von Pascoe Sabido, Corporate Europe Observatory.
Hunderte internationale Aktivist*innen für Klimagerechtigkeit blockier(t)en dieser Tage die Europäische Gaskonferenz, die von 27. – 29. März in Wien statt(fand). Doch was wird/(wurde) auf dieser Konferenz eigentlich besprochen?
Die jährliche Europäische Gaskonferenz in Wien wird vom Energierat organisiert, der sich selbst als „das weltweit exklusivste Energienetzwerk“ von „hochrangigen Führungskräften aus der Öl- und Gasindustrie“ bezeichnet.
Ein privates Treffen mit exklusiven Preisen
Mit dem Spitzenpreis von 5.099 € für die drei Tage erkaufen sich die Führungskräfte der Branche buchstäblich den Zugang zu den Mächtigen, den politischen und finanziellen Entscheidungsträgern. Auf ihrer Website ist von 100 privaten Treffen die Rede, die während der Konferenz stattfinden sollen, wobei noch viele weitere informelle Gespräche auf den Fluren garantiert sind. Die Veranstaltung ist privat – dieses Jahr w(u)rd(e) sogar Journalisten der Zugang verwehrt. Die Gaskonferenz ist als Ort bekannt, an dem man neue Geschäfte abschließen kann – und dabei Champagner trinkt: Die Vier-Uhr-Sitzung am ersten Tag (war) als „Champagner-Roundtable“ für Flüssiggas angekündigt. Unternehmen wie Shell, BP, RWE und OMV [stoßen mit] Finanziers und Politikern [an].
Wer nimmt teil?
Es überrascht nicht, dass die meisten der größten europäischen Öl- und Gasproduzenten und ihre Lobbygruppen teilnehmen, darunter BP, Eni und die International Association of Oil and Gas Producers (IOGP). Sie alle sitzen in der Taskforce der Energieplattform der Europäischen Union, die ausschließlich der Industrie vorbehalten ist und die Europäische Kommission in Bezug auf neue Gaslieferungen und den Infrastrukturbedarf berät. Dank ihrer engen Beziehungen zur Kommission sind viele Infrastrukturprojekte, die aufgrund der Klimakrise als gestrichen galten, wieder auf den Tisch gelegt worden.
Für diejenigen, die ein größeres Profil und einen noch größeren Zugang und Einfluss anstreben, bietet sich das Sponsoring der Veranstaltung an. Neben dem österreichischen Energieversorger OMV und seiner Schwestergesellschaft OMV Petrom sind auch zahlreiche andere Unternehmen vertreten, darunter die italienische Pipelinegesellschaft Snam und die umstrittene Transadriatic Pipeline (TAP) – ein Projekt, das von Griechenland bis Italien auf Widerstand stieß und bei seiner Fertigstellung zunehmend militarisiert wurde.
Neben den Führungskräften der fossilen Energiewirtschaft [waren] auch hochrangige Entscheidungsträger der Kommission, Österreichs und Deutschlands sowie des Energieministeriums der Vereinigten Staaten anwesend. Die EU-Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) moderiert(e) ebenfalls eine Diskussionsrunde.
Der Wettlauf um neue fossile Gasquellen
Neben der „Förderung des Dialogs zwischen Europa und seinen wichtigsten Lieferanten“ zielt die Konferenz auf die „Diversifizierung der Versorgung“ und die „zukunftssichere Rolle von Gas im Energiemix“ ab. Um nach dem Einmarsch in die Ukraine von russischem Pipeline-Gas wegzukommen, haben die europäischen Regierungen einen regelrechten Wettlauf um neue fossile Gasquellen und Infrastrukturen, einschließlich Importanlagen, gestartet. Und das, obwohl Europas geplante Kapazität für LNG-Importterminals den Bedarf des Kontinents an diesem Brennstoff bis 2030 bei weitem übersteigen wird, wie eine neue Studie zeigt. Der Montagnachmittag st(and) ganz im Zeichen der „Beschleunigung von Infrastrukturentwicklungen“ und bringt Führungskräfte von fossilen Gasunternehmen wie TotalEnergies und Finanzinstituten wie BlackRock und ING zusammen.
Zu den neuen, „diversifizierten“ Quellen Europas gehören amerikanisches Fracking-Gas und repressive Regime wie Israel, Ägypten und Aserbaidschan. Viele davon befinden sich in Afrika, das dem neuesten „Wettlauf um Gas“ ausgesetzt ist. In Mosambik zahlen die Menschen bereits mit ihrem Leben, da Eni, ExxonMobil und TotalEnergies die Suche nach neuen LNG-Quellen anführen, während im Norden des Landes Menschenrechtsverletzungen und Militarisierung weit verbreitet sind. Diese bewährten neokolonialen Praktiken führen dazu, dass Gewinne und Ressourcen nach Europa exportiert werden, während die Kosten vor Ort getragen werden – Leben, Lebensgrundlagen und lokale Umwelt werden im Namen der europäischen Energiesicherheit geopfert.
Der dritte Tag in Wien (war) offiziell die Europäische Wasserstoffkonferenz. Obwohl der Schwerpunkt bisher auf fossilem Gas lag, verlagert er sich zunehmend auf Wasserstoff, um die europäische und insbesondere die deutsche Nachfrage zu befriedigen. Doch der Hype um Wasserstoff als „sauberen“ Brennstoff ist ein trojanisches Pferd, um fossiles Gas weiter zu verbrennen: 99 Prozent des Wasserstoffs stammen aus fossilen Brennstoffen, vor allem Gas. Selbst „grüner“ Wasserstoff, der aus erneuerbarem Strom gewonnen wird, ist zunehmend für Land- und Ressourcenraub im globalen Süden verantwortlich.
Es [stand] zu erwarten, dass der staatliche norwegische Öl- und Gaskonzern Equinor seine Grundsatzrede dazu nutz(t), fossilen Wasserstoff als „sauber“ zu bezeichnen (einer der Vorteile, wenn man Sponsor ist).
Wir brauchen auch eine alternative Zukunft jenseits der Dominanz der fossilen Gaslobby. Ohne eine Störung des gegenwärtigen Systems ist ein solcher Wandel jedoch unwahrscheinlich.