Zum Desaster der nun zehnjährigen, französisch-westeuropäischen Militärintervention in Mali

Kaum im medialen Blick, begann vor exakt zehn Jahren die als „Opération Serval“ firmierende Militärmission Frankreichs in Mali, an die im Jahr darauf die französisch geführte „Opération Barkhane“ anschloss. Nach fast zehnjährigem Militärengagement musste die ehemalige Kolonialmacht Frankreich letzten August aufgrund zunehmender antifranzösischer Proteste und des neuen Windes der aus Malis Hauptstadt Bamako weht seine Truppen jedoch abziehen. Auch Deutschland, dessen Truppenabzug zunächst im Mai dieses Jahres abgeschlossen sein sollte, deren Verbleib auf Drängen Annalena Baerbocks aus offen ausgesprochenen rein strategischen Interessen im Sahel dann allerdings bis 2024 verlängert wurde, steht im einem langsamen „Einstieg in den Ausstieg“ aus dem völligen Desaster des Militäreinsatzes in Mali. Dergleichen Großbritannen. Österreich verharrt derweil noch mit 10 wackern Soldaten an der Mali-Mission der EU.

Im Jänner 2013 auch von vielen BewohnerInnen des Landes noch als letzte Rettung vor einem drohenden Fall der Hauptstadt Bamako an djihadistische Milizen betrachtet, gerieten die Streitkräfte der beiden führenden EU-Mächte zunehmend und immer lauter in Verruf. Sowohl aufgrund des Auftretens der europäischen Militärs im Land, wie infolge des zunehmenden Chaos, schleichenden Staatsverfalls und ausbleibenden Verbesserung der Sicherheitslage.

Gegen die einstige Kolonialmacht in Paris (1894 – 1960) wurde überhaupt der Vorwurf laut, in Wirklichkeit nicht nur bloß profane eigene Großmachtsinteressen zu vertreten, sondern in immer größeren Teilen der in einem komplizierten Mehrfrontenkampf stehenden Bevölkerung (gegen die islamistischen Gotteskrieger, neokoloniale Absichten und imperialistische Interessen, sowie Wirtschaftssanktionen) als der „wahre Pate der Terroristen“ zu erscheinen. Mehr noch, bezichtigt die Regierung Malis Paris der Spionage, schwerer Verstöße gegen die Souveränität des Landes und hegt Umsturzbefürchtungen seitens der ehemalige Kolonialmacht, wozu die malische Regierung auch eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats einforderte.

Auch der Menschenrechtsaktivistin und ehemalige Kulturministerin Malis, Aminata Dramane Traoré, zufolge, ging es Paris und Berlin von Anbeginn an, wie sie gerade auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz äußerte, bloß um die Sicherung der Rohstoffe und wichtigen Mineralien des Landes – darunter: Gold, Diamanten, Edelsteine, Uran (drittgrößte Vorkommen der Welt), Bauxit, Phosphate und Kalkstein – sowie jener des Sahels insgesamt. „Frankreich“, so die Ex-Ministerin (1997 bis 2000), „ist nicht bereit, auf die Ressourcen des afrikanischen Kontinents zu verzichten, darunter Erdöl, Uran, Gold und andere strategische Ressourcen, die es nicht selbst produziert.“

Gleichzeitig verliert der Élysée Palast allerdings politisch zunehmend an Boden in Afrika. Bereits als sich Muammar al-Gaddafi anschickte eine afrikanische Währungsunion auf den Weg zu bringen – die im Frühjahr 2011 mit einer afrikanischen Investitionsbank mit Sitz in Sirte (Libyen), eines afrikanischen Währungsfonds mit Sitz in Kamerun und einer afrikanischen Zentralbank mit Sitz in Nigeria auf dem Weg war konkret Gestalt anzunehmen – schrillten in Paris die Alarmglocken. Das Projekt hatte durchaus das Potential das neokoloniale, geldpolitische CFA-Regime Frankreichs (die besondere Währungszone des Franc CFA; Communauté Financière d‘ Afrique) in seinen ehemaligen Kolonien aus den Angeln zu heben. Gaddafis pan-afrikanische Politik, allem voran das Vorhaben der Schaffung einer afrikanischen Währung, barg demnach aus Sicht Frankreichs die akute Gefahr des Ausbruchs der Länder des ehemaligen französischen Westafrikas sowie einstigen französisch Zentralafrikas aus dem „Françafrique“ genannten Währungs- und Ausplünderungssystem.

Am 19. März 2011 startete daraufhin der mehr als sieben Monate dauernde völkerrechtswidrige Angriffskrieg der Kernländer des „Kollektiven Westens“ auf Libyen. Beendet erst mit dem Tod Gaddafis wurde das einst höchstentwickelte Land Afrikas in einen „failed state“ zurückgebombt und versank im Bürgerkrieg. Übrig blieb eine breitflächige Zerstörung des Landes und der Staatlichkeit, Schutt und Asche, zehntausende Tote, Gewalt und Chaos – und: djihadistische „Gotteskrieger“, die im Anschluss mit vielfach hochmodernsten Waffen ausgestattet in Mali einsickerten und es destabilisierten. Einzig die Ölförderung, unabhängig wer gerade am militärischen Drücker sitzt, blieb intakt. Unbeirrt von diesem statuierten Exempel – allen voran Frankreichs, den USA und Großbritanniens – hat neben Mali zuletzt auch die Zentralafrikanische Republik Paris vor die Tür gesetzt und schickt sich Burkina Faso gerade an, es ihnen gleich zu tun.

Freilich lässt sich der Imperialismus Brüssels, Paris‘, Berlins, Londons und Washingtons nicht so einfach abschütteln. Entsprechend ist die EU gerade dabei Truppen in Malis östlichem Nachbarland Niger zu stationieren, um allem voran Russlands und auch Chinas wachsenden Einfluss im Sahel geopolitisch einzuhegen und am besten zu annihilieren. Niger verfügt zudem ähnlich wie Mali über gewaltige Uranvorkommen, die insbesondere der französische Großkonzern Areva in seinen zahlreichen Minen im Land abbaut – so wie wiederum etwa das Gold in Mali vom in Besitz von US-Investoren (nicht zuletzt BlackRock) gehaltenenen Randgold Resources Ltd gefördert wird. Mit den Interessen des Niger hat dies aber ebenso wenig zu tun, wie der Mail-Einsatz mit den Interessen Bamakos und der Bevölkerung Malis mit ihren 30 Ethnien sowie der durch die willkürliche Grenzziehung des französischen Kolonialismus bis heute unausgeglichenen und virulenten Tuareg-Frage. Gleichwohl, wie es Klaus Wagener schon im Vorjahr formulierte: „Es bricht eine neue Zeit an, auch in Afrika. Die Zeiten, in denen der Kontinent noch am europäischen Verhandlungstisch aufgeteilt werden konnte, wie auf der Berliner ‚Kongo-Konferenz‘ 1884/85, sind Geschichte.“

Die Zukunft Malis ist ungewiss. Pünktlich zum 10. Jahrestag der desaströsen Militärintervention steht allerdings nicht der krachend „gescheiterte“ westliche Militäreinsatz und ein entsprechendes Resümee im medialen Fokus, sondern der Vorwurf an Bamako, im Kampf gegen die Djihadisten nun begleitend auf Söldner der berüchtigten russischen Wagner-Gruppe zurückzugreifen – vergessend, dass wer mit geopolitischem Finger auf die neue Russland-Connection zeigt, zugleich unausdrücklich mit drei weiteren Fingern auf sich selbst zurückzeigt. Angesichts des französisch-westeuropäischen Fiaskos jedenfalls hat (nicht nur) Bamako nach zehnjähriger europäischer Militärmission dem Westen mit Schimpf und Lebewohl die weltpolitische Richtlinienkompetenz entzogen.

Bild: Wikimedia Commons, Public Domain

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