Frankreich setzt Streikrecht außer Kraft: Solidarität mit dem Arbeitskampf der Raffineriebeschäftigten

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Während die drückende Rekordinflation mit 7% auch in der ehemaligen Grande Nation das Leben der Beschäftigten immer unerschwinglicher macht, streichen die Mineralölkonzerne und Raffinerien in Frankreich geradezu perverse Extra-Profite ein. Zumal deren Flaggschiff Total, bei dem sowohl als Öl-Verarbeiter und -Verteiler wie Rohöl-Förderer die Kasse klingelt. Entsprechend befinden sich auch die Raffinerie-Beschäftigten seit drei Wochen im Arbeitskampf für Lohnerhöhungen. Heute Früh setzte die französische Regierung allerdings per Federstrich deren Streikrecht außer Kraft und verhängte eine staatliche Zwangsverpflichtung der Beschäftigten zur Arbeit.

Mit einer enormen Beteiligung von 70% der Beschäftigten stehen in Frankreich in sechs der sieben im Land befindlichen Raffinerien die Beschäftigten aufgrund der grassierenden Inflation bekanntlich im Kampf um eine 10%ige Lohnerhöhung (rückwirkend ab 1. Jänner) – sowie eine „angemessene Beteiligung an den Superprofiten in vielfacher Milliardenhöhe, die die Ölkonzerne durch die Energiekrise erzielen“. Lediglich die Beschäftigten der siebten Raffinerie des Betreibers Ineos sind nicht Teil des Ausstands, da deren Löhne auf Basis eines örtlichen Abkommens schon erhöht wurden. Die Mineralölkonzerne und Betreiber der bestreikten Raffinerien Total und Esso-Exxon Mobil scheffeln derweil horrende Extraprofite. Total Energies, mit einem gerade eingefahrenen Gewinn von mehr als 10 Mrd. Euro, kündigte jüngst sogar eine Sonder-Dividenden-Ausschüttung in Höhe von 2,6 Mrd. Euro an. Sofern sich die Mineralölkonzerne nicht überhaupt jeder Forderung nach einer Lohnerhöhung entrüstet ‚verwehren‘, wie Total, ‚bieten‘ sie lediglich 3 – 4%, plus einer Sonderzahlung 2023. Entsprechend steht auch die von der CGT und Force Ouvrière geführte Streikfront. Daran vermag auch die von der sozialdemokratische CFDT betriebene Denunziation des Arbeitskampfs nicht zu rütteln.

Heute Früh hat allerdings Frankreichs Premierministerin Elisabeth Borne angeordnet, dass das notwendige Personal der Raffinerie von Port-Jerome zur Arbeit verpflichtet wird. Parallel wird eine staatliche Dienstverpflichtung für eine zweite Raffinerie erwartet. Der alte und neue Regent im Élysée Palast, Emmanuel Macron, hatte im Falle einer Fortsetzung des Arbeitskampfes schon jüngst die Erklärung der Raffinerien zu „Unternehmen von national-strategischer Bedeutung“ und die Anordnung einer staatlichen „Intervention“ angekündigt. Auf ein Zuwiderhandeln gegen die damit einhergehende Zwangsverpflichtung der Beschäftigten zu arbeiten, sprich: die Streikfortsetzung, steht eine Geldbuße von 10.000 Euro bzw. eine Strafandrohung von bis zu sechs Monaten Haft. Emmanuel Lépine, CGT-Sekretär für die Mineralölindustrie, charakterisiert dies zu Recht eine offene Kriegserklärung Macrons an die Gewerkschaften. Demgemäß steht Frankreich vor oder besser inmitten einer gesellschaftlichen Kraftprobe. Aufgrund des brachialen Eingriffs in das Streikrecht haben sich heute weitere Gewerkschaften dem Streik angeschlossen. Es könnte den Funken für einen Generalstreik bilden.

Damit bewahrheitet sich zugleich auch, was europäischen Gewerkschaften angesichts der tiefsten sozialen Krise der EU seit ihrem Bestehen schon vor Wochen befürchtet haben. Der jeweligen nationalen politischen Klasse und der EU-Kommission liegen die sozialen Verwerfungen und die Zuspitzung der sozial-politischen Lage in der Union, sowie der zunehmende Druck von unten klar vor Augen. Für die Herrschenden geht das „Gespenst“ eines aufbrandenden Klassenkampfs „durch Europa“. Durch die Hintertür geschummelt, klammert(e) denn auch der Verordnungsentwurf über ein Binnenmarkt-Notfallinstrument (SMEI) zum Schutz des EU-Binnenmarktes das bislang explizit garantierte Streikrecht aus. Dieser würde als Krisen-Regelwerk damit einen Frontalangriff Brüssels auf das Streik- und Arbeitskampfrecht sondergleichen ins Werk zu setzen versuchen – erkannte selbst der EGB. Entsprechend erbost reagierte denn auch ÖGB-Chef Katzian in einer Presseaussendung des ÖGB auf den Verordnungstext oder gar heimlich geplanten Coup aus Brüssel: „Keine Krise dieser Welt darf das Streikrecht außer Kraft setzen“. „Es ist absurd, dass es ausgerechnet in Krisenzeiten außer Kraft gesetzt werden soll.“ Wenngleich Arbeitskämpfe in Österreich selbst ein bekanntlich stiefmütterliches, „sozialpartnerschaftlich“ gedämpftes Dasein fristen, würde es den Arbeitenden und Gewerkschaften Europas mit ausgeprägteren Kampftraditionen und auch einer unumgänglichen kämpferischeren Wende des ÖGB schlicht das höchste gewerkschaftlichen Kampfmittel aus den Händen schlagen. Denn alles entscheidend in der akuten tiefen sozialen Krise sind die Klassenkräfte- wie gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse, die Konfliktbereitschaft der Gewerkschaften und Werktätigen, sowie ihre Kampfformen. Völlig zu Recht denn auch die zumindest grundsätzliche Kampfansage Katzians: „Das wäre eine Einschränkung, die es mit allen Mitteln und vereinten Kräften zu verhindern gilt.“

Zwischenzeitlich zwar nicht mehr in der EU, aber natürlich weiterhin unverzichtbarer Teil, des „kollektiven Werte-Westens“, wollen im G7- und NATO-Mekka Großbritannien auch die Torys abermals das Streikrecht verschärfen, um der anrauschenden Streikwelle mit allen Mittel zu Leibe zu rücken und die Streikfähigkeit der britischen Gewerkschaftsbewegung gesetzlich noch weiter einzuschränken. Im Gespräch sind gesetzliche Mindestbesetzungen der Belegschaften bei Streiks in zahlreichen Sektoren, mit denen Arbeitskämpfen freilich die essenzielle Spitze gebrochen wird.

Wir verurteilen als KOMintern die Außerkraftsetzung des Streikrechts und den justiziellen Frontalangriff auf das Streik- und Arbeitskampfrecht durch Macron-Borne sowie sämtliche weiteren schwelenden Angriffe auf das Allerschärfste und solidarisieren uns mit unseren Kollegen und Kolleginnen!

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