„Ich würde lieber als Rebell sterben, denn als Sklave leben“

Zum aktuellen Ausnahmezustand und Militäreinsatz gegen die Indigenas in Guatemala

Nach Chiles Staatsoberhaupt Sebastián Piñera, hat nun auch Guatemalas seit Jänner 2020 amtierender rechter Präsident Alejandro Giammattei den Ausnahmezustand gegen indigene Gebiete im Armenhaus Mittelamerikas verhängt.

Im Vergleich zu anderen Ländern der Region hört man von Guatemala meist nur spärlich etwas. Dabei haben im Armenhaus zwischen Pazifik und Atlantik erst letzten Herbst soziale Massenproteste Alejandro Giammattei gezwungen, den neoliberalen Haushaltsplan seines Kabinetts zurückzuziehen.

Denn nicht nur, dass in Guatemala eine zudem durch und durch korrupte Oligarchie aus Unternehmern, alten Eliten und Militärs, sowie Politiker und Kriminelle, die Reichtümer des Landes kontrolliert. Dem korrespondiert eine Tristesse der sozialen Lage, die auch die anderen Länder Mittelamerikas nochmals negativ toppt. Selbst nach offiziellen Angaben leben zwischen 54 – 60% der Bevölkerung in Armut, 13% in extremer Armut. Besonders betroffen von der tiefen Armut im Land, sind wiederum die indigenen Volksgruppen, in der Mehrzahl Maya, die etwa 42% (bis knapp die Hälfte) der rund 17 Millionen Einwohner ausmachen. Die Kinderarmut im Land entspricht ExpertInnen zufolge etwa Ländern wie Niger, Osttimor und dem Jemen.

Alejandro Giammattei selbst, einst berüchtigter Direktor der nationalen Gefängnisverwaltung Guatemalas, Befürworter der Wiedereinführung der Todesstrafe und erzkonservativer Hardliner mit exzellenten Beziehungen zum Militär, steht für eine rigide „Law and Order“-Politik des Establishment, mit welcher er das Land mit eiserner Hand zu regieren trachtet.

Kein Wunder, dass die guatemaltekischen Massen, nicht zuletzt die sowohl von Armut, Entrechtung sowie politischer und gesellschaftlicher Exklusion und Ausgrenzung am stärksten betroffenen Maya, Xinca (nicht-maya-sprachige Indígenas) und Garifunda (Nachkommen der Vereinigung ehemaliger westafrikanischer Sklaven und indigener Kariben), seit Giammatteis Amtsübernahme aktiv Widerstand leisten.

Letzten Herbst zogen denn auch Tausende VertreterInnen der indigenen Maya-, Xinca- und Garifuna-Völker in Guatemala-Stadt auf die Straßen und forderten den sofortigen Rücktritt Alejandro Giammatteis, sowie die Absetzung von Innenminister Gendri Reyes und Polizeichef José Tzubán, die nicht minder für das brutale Vorgehen der Einsatzkräfte gegen die Protestierenden in den November-Wochen 2020 verantwortlich zeichnen. Auch nach Ende des Bürgerkriegs 1996 und der genozidalen Massaker in den 1980er Jahren, zählt Guatemala konstant zu den gefährlichsten Ländern für indigene AktivistInnen, Linke, GewerkschafterInnen und Arbeitende, sowie andere Gruppen.

Die Landfrage wiederum ist auch 25 Jahre nach Endes des Bürgerkriegs noch ein Kernproblem Guatemalas. Gleich den Maya und Xinca stehen denn auch die linken Gewerkschaften für eine tiefgreifende Agrarreform, den Schutz der nationalen Ressourcen, die Rechte der Indígenas und ein plurinationales Guatemala. Darüber hinaus entscheidend aus Sicht der linken Gewerkschaften ist zudem ein sofortiger Stopp der Privatisierungen und die Rückgängigmachung aller erfolgen Veräußerungen im Bereich der Bildung, im Gesundheitswesen und in der Strom- und Wasserversorgung, sowie eine nachdrücklich Demokratisierung des Landes. Und last but not least, eine anti-neoliberale, wirtschaftspolitische Wende des parallel in eine tiefe Wirtschaftskrise geschlitterten Landes, die nicht nur den Arbeitsmarkt weiter zum Erodieren brachte, sondern eine immer schlimmere Unterernährung bis hin zu Hungertoten zur Folge hat.

Entsprechend kommt es – im Großen und im Einzelnen – allenthalben zu Widerstandskämpfen. Zuletzt etwa seitens der Indigenas mit einem Protestcamp und Straßenblockaden gegen eine Nickelmine in Izabal, einem Maya-Gebiet der Q’eqchí. Das Protestcamp wurde bereits letzten Freitag von Einsatzkräften gewaltsam, unter Assistenz von Militärhubschraubern und Schnellbooten, geräumt. Kurz darauf wurden auch die Straßenbarrikaden der Protestierenden polizeilich bzw. militärisch geräumt. Damit ist der Weg für den Erzabbau des Bergbaukonzerns Compañía Guatemalteca de Níquel (CGN), Tochterunternehmen der Schweizer Solway Investment Group – des weltweit größten privaten Nickelproduzenten –, wieder frei.

Die Indigenas, die nach ILO-Übereinkommen 169 zu Bergbauprojekten auf ihrem Gebieten zwingend konsultiert werden müssen, werfen dem Schweizer Konzern vor, trotz (vorübergehendem) gerichtlichen Abbauverbots des Verfassungsgerichts Guatemalas – dass ihrer Klage von 2020 im Sinne des Übereinkommens der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) übergangen worden zu sein stattgegeben hat –, seine Arbeit einfach unbeirrt fortzusetzen.

Alejandro Giammattei und der internationale Schweizer Bergbaukonzern erklären dazu einträchtig, dass sich der Gerichtsentscheid lediglich auf eine der Firma CGN erteilte Lizenz bezöge – der Betrieb der Schwesterbetrieb Pronico aber ein eine von CGN unabhängige juristische Person ist – und damit alles für eine ungestörte Fortführung des umweltschädigenden Rohstofferschließung bzw. -Verarbeitung und der Landnahme indigener Gebiete im Lot sei.

Zumal der im Profitinteresse des der Investment Group, deren Schwerpunkt an Minen und Schmelzanlagen auf dem amerikanischen Kontinent in Guatemala liegt, durch den rechten Hardliner an der Staatsspitze verhängte Ausnahmezustand, neben der Entsendung von Streitkräften, den Sicherheitskräften auch weitreichende Sonderbefugnisse wie Festnahmen und Hausdurchsuchungen ohne richterliche Anordnung einräumt, das Demonstrations- und Versammlungsrecht einschränkt und auch Ausgangssperren von 18.00 Uhr bis 6.00 Uhr früh beinhaltet.

Nicht wenige im Land fühlen sich vor diesem Hintergrund denn auch an die dunklen Schreckensjahre unter der Militärdiktatur Ríos Montt in den 1980er Jahren erinnert.

Entsprechend liest man bei Protesten in Guatemala auf Schilder auch immer wieder die unbeugsame Losung: „Ich würde lieber als Rebell sterben, denn als Sklave leben“.

Foto: Surizar / Flickr / (CC BY-SA 2.0) / cropped

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