Guatemala: Aufbruch in einen kurzen Frühling II

Medien- Macht- und Meinungsmonopol & multimediales Dauerbombardement in Presse, TV und Radio

Eine, bis heute nur allzu sattsam bekannte, Funktion zur Zurichtung der „öffentliche Meinung“ zum Staatsstreich unterm Sternenbanner übten die Presse, allen voran die Leitmedien, und gesamte mediale Berichterstattung aus. Von US-Botschafter Peurifoy seitens der US-Administration ins Vernehmen gesetzt, startete die United Fruit bereits noch einen Tick früher eine Einflusskampagne unter dem extra dazu angeheuerten und reichlich mit Geld für ‚informelle‘ Lobbyarbeit im US-Kongress und die mediale Berichterstattung über Guatemala ausgestatteten PR-Berater Edward Bernays. Diese zog wahrlich sämtliche Register – bis zu taxfrei rassistisch gestrickten Propagandaartikeln gegen den „Marxisten-Leninisten“ Árbenz und seinen „Kommunismus“. So schrieb etwa die New York Times die ‚US-Mission‘ in Guatemala ‚begründend‘, und zu diesem Behuf die Indigenen des Landes darin offen infantilisierend, seinerzeit: „Wir können nicht erwarten, dass die Maya, die in ihren angestammten Dörfern hoch in den Bergen leben, die nicht lesen können und von den wichtigsten Weltströmungen abgeschnitten sind, den Kommunismus instinktiv als ein weiteres System der Sklaverei verstehen.“ Welche Register – auch medial – auch immer zu ziehen waren: „Was ich erwarte“, kabelte Peurifoy zum bevorstehenden Staatsstreich nach Washington, ist, dass, mit zur öffentlichen Meinung in den USA zugleich „die hemisphärische und guatemaltekische Meinung auf eine Änderung vorbereitet und die zu erwartenden Interventionsvorwürfe abstumpfen wird.“ Vorgegeben von den US-„Qualitäts-“ und Leitmedien, hinunter bis zum letzten Revolverblatt sowie über den Äther der Fernseh- und Radioanstalten alles durchdringend.

„Make the Economy Scream“

Begleitend sollte das Guatemala Árbenz in hybridem Waffeneinsatz auch mit „wirtschaftlichem Druck“, oder wie es im internen Dienstweg auch offen benannt wurde: „Wirtschaftskriegsführung“, in die Knie gezwungen werden bzw. genauer: ein „ein entsprechendes Staatsstreichklima geschaffen“ werden, wie es in der zwei Jahrzehnte späteren Weisung Henry Kissingers gegen Volksregierung Allendes in Chile dann neuerlich lautete. Zu dieser ökonomischen Erdrosselung der antiimperialistisch-demokratischen Umgestaltung Guatemalas erstellte die CIA zugleich detaillierte Studien, welche Wirtschaftssektoren „angegriffen werden könnten, um der Regierung von Arbenz zu schaden, ohne antikommunistische Elemente ernsthaft zu beeinträchtigen.“ Für den internen Dienstgebrauch der US-Administration und Langleys hieß es dazu dann: „In Anbetracht der Tatsache, dass die guatemaltekische Regierungswirtschaft sensibel für Druck von außen ist, sollten nach Möglichkeit verdeckte Methoden der Wirtschaftskriegsführung angewendet werden, die auf Öllieferungen, Schifffahrt sowie auf wichtige Exporte und Importe abzielen.“ Hierfür wurden von der CIA auch US-Geschäftsleute mit „Erfahrung im lateinamerikanischen Bankwesen, in der Schifffahrt, Werbung, allgemeinen Investitionen und Öl“ einbezogen.

Der CIA-orchestrierte Militärputsch 1954

Im Juni 1954 putschte dann eine unter Führung des gekauften guatemaltekischen Oberst Castillo Armas (einem Absolventen der US-Generalstabsschule Ford Leavenworth) stehende Söldnertruppe – gesponsert, orchestriert und mit tatkräftiger Unterstützung der CIA, der US-Marine (die eine Seeblockade verhängte) und von US-amerikanischen Piloten geflogenen unmarkierten Kampfflugzeugen. Nach anfänglich erheblichem Widerstand gegen die über die Grenze einsickernde Invasionstruppe und herben Verlusten unter den Putschisten, erlahmte der Widerstand der im Grunde loyalen – aber vielfach unter Befehl von den USA gekaufter hoher Offiziere und Oberkommandierender stehenden – Armee zunehmend und kam schließlich ganz zum Erliegen. Zu guter Letzt kapitulierte der Generalstab als solcher vor dem immer stärkerem US-amerikanischen Druck und enthoben Árbenz am 27. Juni 1954 seines Amtes. Selbst hinsichtlich der „eigenen“, favorisierten Marionette als Nachfolger streckte man nach einer Standpauke Langleys die Waffen und schwenkte mit auf Washingtons Wunschkandidaten Castillo Armas ein. Am 8. Juli wurde der gedungene Söldneroberst Armas schließlich als Präsident von Washingtons Gnaden eingesetzt.

Árbenz denkwürdige Abschiedsrede an die Bevölkerung Guatemalas

Bevor Árbenz zum Weichen vor den CIA-Schergen gezwungen wurde, wandte er sich nochmals mit einer denkwürdigen Rede an das guatemaltekische Volk: „Gegen Guatemala wird ein barbarischer Krieg geführt. Die United Fruit und die Regierung der Vereinigten Staaten benutzen den Vorwand des Antikommunismus. Doch die Wahrheit sieht anders aus: Sie muss in den Profitinteressen der USA-Monopole gesucht werden, die überall Berge von Geld investiert haben und fürchten, andere lateinamerikanische Länder könnten dem Beispiel Guatemalas folgen.“ Allerdings konnte niemand oder kaum jemand mehr Árbenz Rücktrittsrede hören, da die CIA mit Störsendern den staatlichen Rundfunk blockierte. Dafür sendete die von den Vereinigten Staaten in Florida, an der Grenze zu Guatemala und in der US-Botschaft installierte „Stimme der Freiheit“ unter der Regie von PR-Spezialisten Langleys lautstark ihre Propagandameldungen und Desinformationen durchs Land. Die von CIA-Agenten quer durch Guatemala versteckten Waffen sowjetischer Bauart, gedacht um sie nach der „Befreiung“ als Beweis einer „kommunistischen Bedrohung“ Mittelamerikas zu „entdecken“, spielten da bereits keine Rolle mehr.

Konterrevolution und jahrzehntelange Militärdiktatur(en)

Nach einem lediglich zehnjährigen guatemaltekischen Frühling war der Versuch einer antiimperialistischen Umwälzung und des Aufbaus eines demokratischen, sozial gerechteren und außenpolitisch souveränen Guatemala bereits wieder im Keim erstickt. Der US-Günstling Castillo Armas beeilte sich nach dem Staatsstreich sogleich die revolutionären Errungenschaften zu zerschlagen und auszuradieren. Seine erste Amtshandlung bestand in der Rückgängigmachung der Agrarreform und der „Wiedereinsetzung der United Fruit Company in ihre Rechte“. Die Landbevölkerung wurde von ihren Parzellen vertrieben und das Land wieder an die alten Latifundistas sowie die United Fruit Company übergeben. Tausende fielen „antikommunistischen Säuberungen“ zum Opfer, oder was Washington und Armas unter KommunistInnen verstanden. Die Gewerkschaften, progressiven und demokratischen Parteien und Organisationen wurden wieder in die Illegalität gedrängt. Ein zügelloser Terror gegen sämtliche demokratische Kräfte rollte durchs Land. Die nationalen Reichtümer wurden noch forcierter an US-Monopole (die ohnedies bereits auch die Elektrizitätswerke und Telefongesellschaften kontrollierten) ausverkauft. Das Land durchlebte daraufhin jahrzehntelange aufeinanderfolgende US-unterstützte Militärdiktaturen und -Putsche, einen 36jährigen Bürgerkrieg 1960 bis 1996 mit seinem blutigen Höhepunkt in den 1980er: dem genozidalen Massaker an den Indígenas.

Völkermord unterm Sternenbanner

Unter dem abermals von Washington und seinen US-Militärberatern unterstützten Putsch-Regime Ríos Montt 1982/83 entfesselte ihr neuer Schützling dann seine regelrechten Massaker und seine Genozid-Politik. In diesen Jahren weitete die guatemaltekische Militärdiktatur ihren schmutzigen Krieg gegen die 1982 zur „Guatemaltekischen Revolutionären Nationalen Einheit“ (URNG) vereinigten Guerilla, in einen einzigen Blutrausch und einen systematischen Völkermord im Hochland Guatemalas aus. Ganze indigene Landstriche, für Montt einzig Verdächtige die Guerilla zu unterstützen, wurden flächendeckend aus der Luft bombardiert, Frauen reihenweise vergewaltigt, Schwangeren von Soldaten die Bäuche aufgeschlitzt und die Föten herausgerissen und zerstückelt.  

Während Zehntausende Indígenas und Kleinbauern und Kleinbäuerinnen diesem Gemetzel und Genozid zum Opfer fielen und Hunderttausende in andere Länder und in entlegenere Gebiete Guatemalas flohen, und die Ermordung Oppositioneller und Gewerkschafter an der Tagesordnung war, nannte sein Washingtoner Regent Ronald Reagan den Schlächter Montt einen Mann „großer persönlicher Integrität und Einsatzbereitschaft“ – gegen die Linke, den Kommunismus und deren subalterne und indigene soziale Basis und AktivistInnen im Hochland – der „zu Unrecht einen schlechten Ruf wegen Menschenrechtsverletzungen“ habe.

Nach Schätzungen, sowie eines nach Ende des Bürgerkriegs veröffentlichten Untersuchungsberichts, forderte der gesamte Bürgerkrieg 250.000 Todesopfer, zählte 45.000 sogenannte ‚Verschwundene‘ und vertrieb 1,4 Millionen Anwohner – die Mehrzahl davon in den Jahren 1982/1983 unter der Junta von Ríos Montt. Nach Friedensschluss in Angriff genommene offizielle guatemaltekische Untersuchungen machen für 93% der Verbrechen die Regierung verantwortlich, nur für 3% die Guerilla und für 4% andere Gruppen.

1996, die Hochzeit der bewaffneten Kämpfe in Lateinamerika war schon des längeren vorbei, endete der Bürgerkrieg mit einem Friedensabkommen zwischen der URNG und der Regierung Guatemalas. Obschon die Verbrechen der guatemaltekischen Eliten, der USA, der Militärs, Paramilitärs und Todesschwadronen trotz genanntem Untersuchungsbericht nie wirklich aufgearbeitet wurden, kamen auch Gerichte nicht umhin, die Massaker der Jahre 1982 und 1983 als Völkermord einzustufen. Guatemala verzeichnete den größten Aderlass des Subkontinents in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Der Schlachtruf Fidel und Che’s: Kuba ist nicht Guatemala!

Vor diesem Hintergrund wird wohl auch erst richtig verständlich, was Fidel Castro und Che Guevara vor ihren geistigen Augen stand, als sie Washington nur wenige Jahre später ein entschlossenes „Wir sind nicht Guatemala!“ entgegenschleuderten.

 

Bild: Diego Rivera, CC BY-SA 4.0 Deed 

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