Zynischer „Frühstarterbonus“ als Angriff auf die Pensionen

Mitten zu Beginn des zweiten „harten“ Lockdowns will die Bundesregierung am Freitag die Abschaffung der Hacklerregelung im Parlament beschließen. Garniert wird dieser Angriff auf das Pensionssystem von grüner Seite mit himmelschreiend blödsinnigen Argumenten, die diese Kürzung als quasi frauenpolitisch-feministisches Projekt darzustellen versuchen.

Die erst vor wenig mehr als einem Jahr – im Rahmen des „freien Spiels der Kräfte“ – vor der türkis-grünen Regierungsbildung (wieder) beschlossene sogenannte Hacklerregelung ermöglicht es, nach insgesamt 45 Arbeitsjahren mit 62 ohne Abschläge in Pension zu gehen. Für Frauen sieht die aktuelle Regelung 40 Arbeitsjahre vor, wobei hier insgesamt fünf Jahre Kindererziehungszeiten angerechnet werden.

Diese seit Anfang 2020 für ASVG-Versicherte, sowie Selbstständige und BäuerInnen gültige Regelung ist – auch wenn’s der grüne Teil der Regierung verlogenerweise so verkauft –keinesfalls ein Privileg, sondern stellt vielmehr das Allermindeste dar. Wer 45 Jahre lange – oft körperlich schwere – Arbeit geleistet hat, ist in vielen Fällen ohnehin schon mehr als am Ende der Kräfte. Wer nach all diesen Jahren abschlagsfrei in Pension gehen kann, ist nicht privilegiert, sondern hat sich das hundertmal mehr „verdient“ als die Konzernvorstände, AktionärInnen und ihr politisches Personal in Parlament und Regierung – genau dort wären sie nämlich zu suchen, die Privilegien: bei den vermeintlichen LeistungsträgerInnen. Stattdessen stellt die Abschaffung des abschlagsfreien Pensionsantritts im Rahmen der aktuellen Regelung für die Betroffenen eine Pensionskürzung von durchschnittlich 300 Euro im Monat dar.

Sozialabbau im Schatten der Corona-Krise

Das alles geschieht im Schatten der Corona-Krise sowie den wirtschaftlichen und ökologischen Krisen – wenngleich die Abschaffung der Hacklerregelung schon im türkis-grünen Regierungsprogramm als Eintrittsticket der Grünen paktiert wurde. Während die „Krisenlösungs“strategie der Bundesregierung nicht nur gesundheitspolitisch dilettantisch ist und ansonsten auch alles daran gesetzt wird, die Reichen und Konzerne unbeschadet durch die Krise zu schiffen, soll mit der Abschaffung der Hacklerregelung erneut die Arbeitenden zur Kasse gebeten werden.

Dieses Vorgehen ist genauso widerwärtig wie folgerichtig: es entspricht dem türkis-grünen Vorhaben, die Krisenkosten auf die breite Mehrheit der Österreich arbeitenden und lebenden Menschen abzuwälzen und gleichzeitig den Parteigroßspendern ihre Profite mittels Steuergeld zu sichern. Unterschiedliche Erwägungen das Kapital selbst nur ansatzweise zur Finanzierung der Krisenkosten heranzuziehen spielen in dieser Logik keine Rolle – von tatsächlich notwendigen Maßnahmen wie Mieterlässen, einer Heranziehung der Profite, eines Lastenausgleichs-Fonds oder einer grundlegenden Umverteilung mal ganz abgesehen.

Tatsächlich trifft die explodierende Massenarbeitslosigkeit Ältere nochmals verschärft. Von über 400.000 offiziell Arbeitslosen waren Ende September ca. 116.000 älter als 50 Jahre. Mit Ende Jänner 2021, der jährlich wichtigsten Marke, steuern wir auf ein einsames Rekordhoch an Arbeitslosen in der Zweiten Republik zu.  Und mit der absehbaren anschließenden Pleite- und nochmals weiteren Kündigungswelle nach Auslaufen zahlreicher Unterstützungsmaßnahmen, wird die Arbeitslosigkeit weiter emporklettern, oder jedenfalls strukturell auf einzigartigem Sockel verharren. Hier könnte eine Beibehaltung der Hacklerregelung für eine (zumindest teilweise) Entlastung sorgen – das ist von den Regierenden offenbar nicht erwünscht.

Grüne Handschrift: Pensionsraub als „frauenpolitischer“ Meilenstein

Der „Witz“, dass mit einer grünen Regierungsbeteiligung zwar weiterhin munter in Kriegsgebiete abgeschoben wird, aber das zumindest CO2-neutral passiert, findet in der Abschaffung der Hacklerregelung seine pensionspolitische Entsprechung. Denn das zentrale Argument der Grünen für den Pensionsraub ist doch tatsächlich, dass dieses Vorgehen verbunden mit dem sogenannten Frühstarterbonus das Pensionssystem „fairer und geschlechtergerechter“ (Sigrid Maurer) machen würde. Dieser mit Jänner 2022 geplante Frühstarterbonus sieht vor, dass Menschen, die zwischen dem 15. und 20. Lebensjahr gearbeitet haben und insgesamt auf 25 Versicherungsjahre kommen, monatlich 60 Euro mehr Pension bekommen. Dies sei gerechter, weil unter die (noch) aktuelle Regelung momentan fast ausschließlich Männer fallen. In Wahrheit verdeutlicht das aber nur generelle gesellschaftliche Schieflagen (in der diese 60 Euro aufgrund der miesen durchschnittlichen Frauenpensionen für diese isoliert an sich genommen tatsächlich zu Buche schlagen) sowie die Notwendigkeit einer Umgestaltung des Pensionssystem im Interesse der Arbeitenden und kann unmöglich ein Argument dafür sein, dass Menschen, die jahrzehntelang für die Profitwirtschaft geschuftet haben, nun weniger Pension bekommen.

Maurer tut in ihrer Argumentation so, als ob es ein Privileg wäre, nach 45 Arbeitsjahren abschlagsfrei in Pension gehen zu können. Das ist an Zynismus nicht zu überbieten und die Grüne Klubobfrau tritt hier in die Fußstapfen so großer Feministinnen wie Margaret Thatcher, die ja bekannterweise entschieden gegen die männlichen Privilegienritter im Bergbau vorgegangen ist. Die Grünen leisten dem Kapital damit einen netten Freundschaftsdienst: denn bei dieser „Umverteilung“ soll der Blick tunlichst nicht auf die gewaltige Konzentration von Vermögen in den Händen weniger oder auf Gewinnausschüttungen mitten in der Krise gelenkt werden. Die Wirtschaftsmächtigen freuen sich wohl über die Befeuerung von Neiddebatten unter jenen, die ihren Reichtum erarbeiten.  

Oder wie Sigrid Maurer das ganze Elend der Argumentation auf den Punkt brachte: „Die Hacklerregelung wird damit zur Hacklerinnenregelung.“ Sozialabbau mit „feministischem“ Antlitz also – das muss sie sein, die „grüne Handschrift“. Es gäbe eine ganze Reihe an dringend notwendigen Maßnahmen, um eine Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern zu ermöglichen und die Bekämpfung von Diskriminierung voranzutreiben. Pensionsraub und das zynische Ausspielen von Arbeitenden untereinander gehören nicht dazu.

In Würde alt werden

Ganz im Gegensatz zum aktuellen Pensionsraub wäre eine grundlegende Umgestaltung des Pensionssystem schon längst an der Zeit. Denn schon vor Türkis-Grün waren die Pensionen stetigen Angriffen ausgesetzt. Die wahren Probleme liegen in den seit Jahrzehnten durch Rot-Schwarz wie Schwarz-Blau voran getriebenen Pensions„reformen“: mit der Absicht, den Bundesbeitrag zu drücken, sowie in den vielfältigen Pensionskürzungen, mannigfachen drastischen Verschlechterungen und Systemumstellungen. Das grundlegende Ziel muss es sein, in Würde alt zu werden und nach einem arbeitsreichen Leben ein gesichertes und entspanntes Dasein zu führen. Deshalb hat KOMintern auch das Pensionsmodell 40/60/80 entwickelt: eine maximale Lebensarbeitszeit von 40 Jahren, spätestens mit 60 in Pension gehen können und das bei einer Pension in Höhe von 80% des Einkommens der besten Jahre.

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