Mit dem gegenwärtigen (temporären) Anstieg der staatlichen Pensionsausgaben nach Mittelfristgutachten bis 2027 sowie dem jüngsten Gutachten Alterssicherungskommission bis 2070 entzündete sich wie beinahe gewohnt wieder einmal eine Pensionsdebatte. Aus diesem Anlass auch unsererseits nochmals einige grundsätzliche Bemerkungen gegen den unbegründeten Alarmismus und kruden ökonomisch-demografischen Analphabetismus in der leidigen Debatte.
In Würde alt werden und einen gesicherten Lebensabend genießen
Wir werden (tendenziell) immer älter und damit einhergehend wird auch die Zahl der Älteren in Zukunft ansteigen. Die steigende Lebenserwartung ist allerdings alles andere als ein Grund für Panikmache, sondern ein erfreulicher Umstand. Das Ziel in unserer hochindustrialisierten Gesellschaft muss es daher sein, das Recht in Würde älter und alt zu werden zu ermöglichen und nach einem arbeitsreichen Leben ein gesichertes und entspanntes Dasein führen zu können.
Mit der permanent getrommelten Mär, die Pensionen seien „aufgrund der demographischen Entwicklung nicht ausreichend finanziert“, soll lediglich das Pensionssystem für einen kapitalgedeckten Umbau sturmreif geschossen. Und dass die Ausgaben in den nächsten Jahren (temporär) steigen, weil aktuell die geburtenstarken Jahrgänge ins Pensionsalter kommen, ist schon lange bekannt und prognostisch berücksichtigt.
Die spiegelbildliche Seite der Medaille
Dem (aktuell) anwachsenden Anteil an PensionistInnen an der Bevölkerung, stehen mit dem anteilsmäßigen Rückgang der Jüngeren allerdings auch Ausgabenverringerungen gegenüber. Da die Gesellschaft für beide erwerbslosen Gruppen finanziell aufkommen muss, sind folglich auch die daraus resultierenden gesellschaftlichen Gesamtaufwendungen geringer, als aus einer verengten Pensions-Froschperspektive gemeinhin behauptet wird. Zudem liegt im jetzigen Pensionsantritt der geburtenstarken Jahrgänge auch ein temporäres Phänomen verborgen, da mit dem Geburtenrückgang nach dem Babyboom ab nächstem Jahrzehnt auch die Zahl der älteren in Pension gehenden Semester wieder Jahr für Jahr sinken wird. Denn die Anzahl der Alten steigt natürlich nicht stetig weiter an, wenn seit grob Mitte der 1960er im Schnitt Jahr für Jahr weniger Kinder geboren wurden, die nach ihrem Erwerbsleben demnächst und künftig in Ruhestand gehen werden – und auch die Menschen werden trotz zunehmender Lebenserwartung auch nicht unbeschränkt älter (solange uns nicht ein ewiges Leben zuteil wird). Zugleich ist die Pensionsfrage im Einzelnen nochmals diffiziler.
Demographische vs. ökonomische Abhängigkeitsquote
Für die Finanzierung des umlagebasierten Pensionssystems ist nicht, wie oft fälschlich angenommen, die Altenquote entscheidend, sprich das bloße Verhältnis zwischen Personen über 65 Jahren und jenen im erwerbsfähigen Alter (15 – 64). Diese rein demographische Abhängigkeitsquote wird oft als Verhältnis zwischen Berufstätigen und PensionistInnen fehlinterpretiert, indem die Zahl der Menschen im Erwerbsalter mit jenen der aktiv Erwerbstätigen gleichgesetzt wird. Neben anderen Faktoren wie der Produktivitäts- und Lohnentwicklung, der Leistungsniveaus und der Finanzierungsstruktur ist vielmehr die Beschäftigungsquote für die Nachhaltigkeit des Pensionssystems relevant. Statt einem verengten Blick auf die demographische Abhängigkeitsquote sollte denn auch der ökonomischen Abhängigkeitsquote verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt werden. Sie zeigt das Verhältnis zwischen BezieherInnen von Transferleistungen, also Arbeitslosen und PensionistInnen, auf der einen und aktiv Erwerbstätigen auf der anderen Seite. Eine möglichst hohe Beschäftigungsquote (mit ordentlichen Löhnen und Gehältern und damit zugleich zukunftssicheren Einnahmen des Pensionssystem aus den Versicherungsbeiträgen), ist, neben der sozialen Absicherung der Einzelnen, auch die wirksamste Strategie für eine nachhaltige Finanzierung des Pensionssystems und die Bewältigung des demographischen Wandels im Allgemeinen. Die Sicherung und Verbesserung der Qualität der Arbeitsplätze muss dabei ebenso einen wesentlichen Stellenwert einnehmen, wie die Umverteilung der Erwerbsarbeit zwischen Beschäftigten und Arbeitslosen sowie innerhalb der Beschäftigten die Umverteilung v.a. unfreiwillig unterschiedlicher Arbeitszeiten.
Wider der neoliberalen Schmalspurökonomie
Zugleich ist das neoliberale Mantra, die Pensionen seien „aufgrund der demographischen Entwicklung nicht ausreichend finanziert“, generell ein Unsinn. Denn das bloße zahlenmäßige Verhältnis von Jung zu Alt, sagt noch nichts über die Finanzierbarkeit unseres Pensionssystems aus. Zwar steigt tendenziell die durchschnittliche Lebenserwartung, doch gleichzeitig wird der Anteil der Pensionsaufwendungen – gemessen am BIP – dadurch nur äußerst moderat ansteigen. Das belegt unter anderem auch der Ageing Report 2021 der EU-Kommission, mit seiner prognostizierten Erhöhung der Pensionsaufwendungen in Österreich von 2016 auf 2070 von 13,8% auf 14,3% des BIP – auch wenn einige Erbsenzähler jede Zehntelprozent- oder Prozentverschiebung innerhalb der Langzeitprognose sogleich mit theatralischer Dramatik in die Waagschale zu werfen versuchen.
Der Anstieg der durchschnittlichen (!) Lebenserwartung involviert beiher zugleich, dass um die 15% das Erreichen ihres Pensionsantrittsalters nicht mehr erleben und einer noch höhere Anzahl an PensionistInnen nur wenige Jahre der sogenannten „beschwerdefreien Lebenserwartung“ verbleiben, um nach einem arbeitsreichen Leben ihren verdienten und entspannten Lebensabend zu genießen. Zudem entspannen sich – wie eingangs bemerkt – aufgrund der weiteren demografischen Entwicklung resp. demografischen Lage die Pensionsaufwendungen im Ausmaß ihrer temporären Erhöhung durch die aktuellen Pensionsantritte der geburtenstarken Jahrgänge à la longue wieder.
Viel wichtiger unter volkswirtschaftlich, gesellschaftlich-ganzheitlichem Blickwinkel noch, worauf marxistische ÖkonomInnen seit je den Finger legten: „Weder ist es nötig, das Pensionsniveau zu senken, noch das Pensionsantrittsalter zu erhöhen. Denn, es kommt nicht darauf an, wie sich die Relation zwischen Erwerbstätigen zu Nichterwerbstätigen, sondern das Verhältnis des verteilbaren Reichtums einer Gesellschaft zur Anzahl ihrer Mitglieder ändert. Und diese Zahl – das Volkseinkommen pro Einwohner – steigt!“
Sonach gibt es auch nicht eigentlich ein Pensionsproblem, sondern vielmehr ein Verteilungsproblem. Und hierin liegt der entscheidende Konflikt. Denn ausschlaggebend für Wohlstandszuwachs bzw. einer Pensionsstabilisierung ist aus Sicht des volkswirtschaftliche Gesamtergebnis eben das Volkseinkommen pro Einwohner, nicht die Anzahl der Beitragszahler und deren Relation zu den Beitragsempfängern. Auf dieser Grundlage ließe sich das umlagebasierte Pensionssystem verbessern und durch staatliche Zuschüsse stärken – und problemlos zukunftsfest machen.
In diesem Zusammenhang sei lediglich noch mit einem Propagandaknüppel aufgeräumt: dem durchsichtigen Ausspielen der Älteren gegen die jüngere Generation, der man die Pensionsleistungen nicht zumuten könne. In einem umlagebasierten Pensionssystem fungieren die Jüngeren aber nicht als Samariter für die Älteren, sondern erwerben mit ihren Pensionsbeiträgen vielmehr das Anrecht auf ihre eigenen Pensionen. Es sind demgegenüber in Wirklichkeit gerade jene Neoliberalen, die der Kapitaldeckung das Wort reden, die den Jüngeren im kapitalistischen Verwertungsinteresse eine untragbare Belastung aufzubürden gedenken. Denn „ein solcher Paradigmenwechsel würde bedeuten, dass die heutige erwerbstätige Generation für die heutigen PensionistInnen sorgt und zugleich Kapital für die eigenen Pensionen bilden müsste“ – ein Sachverhalt auf den marxistische ÖkonomInnen ebenfalls schon des Längeren hinweisen.