Wut und Enttäuschung beim SWÖ-KV: Eine vertane Chance auf mehr!

Der SWÖ-KV-Abschluss hat für sehr unterschiedliche Reaktionen gesorgt: Auf der einen Seite fehlplatzierter Jubel der Gewerkschaftsführung und Freude über punktuelle Rahmenrechtsverbesserungen und einem Plus „über der Inflationsrate“, auf der anderen Seite berechtigte Enttäuschung und Wut über den zu frühen Abschluss und einem aktuellen Reallohnverlust quer durch alle Lohn- und Gehaltsstufen.

„Wir haben es durch die Mobilisierung in den Betrieben geschafft, eine breite Öffentlichkeit herzustellen, und Druck aufzubauen. Es ist ein Armutszeugnis, dass diese Aktivitäten nicht ausgeweitet, dass die Streikbeschlüsse tausender KollegInnen übergangen wurden und so die große Chance auf einen viel besseren Abschluss vertan wurde. Gemeinsam mit über einem Viertel des Gewerkschaftsgremiums habe ich gegen diesen KV-Abschluss gestimmt, denn gerade jetzt wäre viel mehr drin gewesen! Für uns gilt immer noch: Wir sind streikbereit!“

Selma Schacht, Betriebsratsvorsitzende, KOMintern-AK-Rätin und Mitglied des gr. KV-Verhandlungsteams

VERANSTALTUNGSTIPP: „Streikbereit im Sozialbereich“

21.11., 18:00, Kulturzentrum Amerlinghaus (Stiftgasse 8, 1070 Wien)

Die Lohn- und Gehaltserhöhung im Detail

Konkret wird die Tabelle (IST und KV) um 8% erhöht, aber mindestens 175 Euro. Dieser Mindestbetrag führt zu einer Erhöhung in wenigen Einzelfällen von über 10%, bei rund einem Drittel der SWÖ-Beschäftigten zwischen 8,1% und 9,7%. Ein sichtlicher Erfolg dieser KV-Runde ist, durch den Mindestbetrag in 45 (von 162) Lohn- und Gehaltseinstufungen eine überproportionale Steigerung erreicht zu haben: Dadurch schließen die GeringverdienerInnen schneller an die höheren Stufen an. Eine kurzfristig eingebrachte Einmalzahlungsidee der Arbeitgeber wurde konsequenterweise von den VerhandlerInnen sofort abgelehnt.

Die übergroße Mehrheit der MitarbeiterInnen hat jedoch die prozentuelle Erhöhung von 8%. Die Durchschnittserhöhung liegt, über die gesamte Tabelle gezogen, bei 8,23%. Das bedeutet eine nur minimale Spanne über der statistischen Inflationsrate der letzten 12 Monate und ein Abschmieren der aktuellen Kaufkraft. Denn wie wir tagtäglich erleben, rast die Inflation, gerade für kleine Einkommen wie auch Teilzeitbeschäftigte, weiter rasant hinauf und kletterte gerade auf 11%. Der Abschluss liegt auch nur minimalst über dem Angebot der Arbeitgeber, aber fast um die Hälfte unter der Forderung der Betriebsräte und Gewerkschaften!

Der Mindestbetrag (nur die Hälfte dessen, was gefordert wurde) hat durch seine geringe Höhe auch nicht einmal in allen Stufen den ÖGB-weit geforderten Mindestlohn von 2.000 Euro brutto für Vollzeit erreicht! Die Nulllohnrunde 2022 für Vollzeitbeschäftigte (durch das Selbstbezahlen der Arbeitszeitverkürzung), die schon jetzt zu massiven Reallohnverlusten geführt hat, war großes Thema unter den betroffenen Beschäftigten – absurder Weise jedoch keines bei der Mehrheit des Verhandlungsteams. Die Chance, das Minus von 2,7% durch eine dadurch höhere KV-Anhebung wenigstens wieder auszugleichen, wurde sträflich vernachlässigt.

Flexibilisierung abgewehrt, Verbesserungen für Teilbereiche

Die von den Arbeitgebern geforderte umfassende Flexibilisierung für SpringerInnen wurde im Laufe des Verhandlungs-Abends von ihnen selbst zurückgezogen. Die Forderung nach maximaler Anrechnung der Vordienstzeiten wurde aufs Minimum reduziert: Real ein (!) Jahr nicht-facheinschlägige Vordienstzeit ist dazukommen (2 Jahre zu 50%), Zivildienstes und FSJ werden zur Hälfte angerechnet; der höchst problematische Deckel von 10 Maximaljahren bleibt aber nach wie vor unverändert.

Ein großer Erfolg hingegen, vor allem für KollegInnen in Betreuung und Pflege, ist die lineare Umstufung, die dazu führt, dass nach einer Tätigkeitsänderung durch eine Ausbildung alle Dienstzeiten voll angerechnet werden müssen.

Abgefeiert wird, dass der sogenannte Flexizuschlag (Zuschlag für kurzfristiges Einspringen) um 20% erhöht wurde – in realen Zahlen bedeute dies eine Anhebung von 21 auf 25 Euro. Brutto…!

Grundlegendes wurde ausgeblendet

In Sachen Verbesserungen bei der SEG-Zulage, ein großes Anliegen vieler, gab es überhaupt keine Bewegung. Die Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden war zwar alibiweise auf dem Forderungspapier der Gewerkschaften, doch wirklich verhandelt wurde diese nicht.

Dieser Abschluss wird nichts an der großen Personalnot ändern und wird die krankmachenden Arbeitsbedingungen weiter verstärken. Die Chance, jetzt mit den positiven Berichten in den Medien, mit der Solidarität in der Bevölkerung, den Kämpfen in andren Bereichen wie den Ordensspitälern oder den EisenbahnerInnen und dem Druck, der auf Arbeitgebern und politisch Verantwortlichen lastet, wurde vertan – und das, obwohl abzusehen ist, dass uns in Zukunft wieder Sparpakete und Budgetkürzungen ins Haus stehen werden.

Streikbeschlüsse ignoriert, Sozialpartnerschaft durchgesetzt

Mehr Personal, mehr Freizeit, mehr Geld – unsere Forderung, für die wir uns eingesetzt haben, wurden nur minimalst umgesetzt. Weder bekommen wir einen besseren Personalschlüssel, noch mehr Freizeit und mehr Geld bleibt uns durch die massive Inflationsentwicklung auch nicht. 

Wir haben es durch die Mobilisierung in den Betrieben geschafft, eine breite Öffentlichkeit herzustellen, und Druck aufzubauen. Es ist ein Armutszeugnis, dass diese Aktivitäten nicht ausgeweitet, dass die Streikbeschlüsse tausender KollegInnen übergangen wurden und so die große Chance auf einen viel besseren und mit konsequentem Kampf gerade in der derzeitigen Personallage auch erreichbaren Abschluss vertan wurde. Das wurde auch in den Wortmeldungen kritischer und engagierter BetriebsrätInnnen formuliert: Kein Abschluss unter mind. 10 Prozent für alle, lassen wir uns die Chance auf mehr nicht durch einen faulen Kompromiss nehmen!

Am Ende eines viel zu langen, zermürbenden Verhandlungstages hat sich die Sozialpartnerschaft, in der das gute Klima mit den Arbeitgebern wichtiger ist, als die berechtigten Forderungen und Proteste der Beschäftigten, durchgesetzt. Auch mit unlauteren Mitteln wie dem Märchen, durch eine Unterbrechung müsste wieder von Null begonnen werden oder es wäre keine Zeit mehr, wieder in die Betriebe zurückzugehen, um dort kollektive Maßnahmen zu setzen.

Aber klar ist auch: Diesmal hat wieder einmal dieses sozialpartnerschaftliche System und das Gewerkschaftsgremium versagt, ganz anders als die aktiven Kolleginnen und Kollegen quer durchs Land, die – wenn auch schlussendlich wieder zur bloßen Verhandlungsmasse degradiert und ins Eck gestellt – mit ihrem Engagement und Druck sowie ihrer Kampfbereitschaft diesen, wenigstens über den Metallern liegenden Abschluss erst möglich gemacht haben.

Zurecht haben 13 versus 31 Mitglieder des gewerkschaftlichen KV-Verhandlungsteams gegen diesen KV-Abschluss gestimmt, denn gerade jetzt sowie mit konsequenter gewerkschaftlicher Konfliktbereitschaft wäre viel mehr drin gewesen!

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