Es ist geradezu pervers: während die Energie- und Mineralölkonzerne sowie Energieversorger – von ExxonMobil, über Chevron, Shell, BP, Total, Equinor, Eni, Wintershall Dea bis zur OMV und dem Verbund – gerade Rekordgewinne einstreichen (gewisse darunter trotz hoher Abschreibungen auf Nord Stream 2 und dem russischen Geschäft) und an ihre Top-Manager millionenschwere „Erfolgs-Boni“ ausschütten, sträubte sich die österreichische Bundesregierung lange gegen eine Übergewinnsteuer und kommt dieser erst auf aufgrund EU-Vorgabe nach. Und dies mehr oder weniger bloß auf EU-Minimum, um die Megagewinne der profit- und gewinngetriebenen und von den Energiekonzernen ursächlich (mit)zu verantwortenden Inflationswelle möglichst unangetastet zu lassen.
Entsprechend der horrenden Energiepreise, des Spekulationsfiebers und der hochgeschraubten Gewinnmargen als Haupttreiber der Inflationen wird die internationale Öl- und Gasindustrie sowie Energiebranche 2022 global überhaupt ein historisches Rekordergebnis verbuchen, wie der Chef der Internationalen Energieagentur schon vor einigem Monaten bekannt gab. Alleine die Übergewinne des globalen Mineralölmarktes wurde gerade mit sagenhaften 1,2 Billionen Dollar berechnet. Korrespondierend mit dieser Preis-Profit-Rally hat auch die OMV ihren Gewinn im ersten Halbjahr mehr als verdoppelt (zuletzt sogar verdreifacht), der Verbund mehr als verdreifacht und zusammen bis Juni unglaubliche 2,7 Milliarden Euro Gewinn eingestrichen und werden bis Jahresende bis zu exorbitanten 5 Milliarden Euro Übergewinne der OMV und des Verbunds erwartet.
Befeuert wird die Preis-Profit-Rally noch durch das Spekulationsfieber an den Energiebörsen. So ist der Gaspreis regelrecht explodiert und haben sich die „Strompreise … gegenüber der Vor-Corona-Zeit verzehnfacht“, so der Vermögensverwalter Pictet Wealth Management.
Quer durch Europa haben die Staaten denn auch „Übergewinnsteuern“ eingeführt. Zumal die aktuelle Rekordinflation überwiegend durch die steigenden Energiepreise und hochgeschraubten Gewinnmargen getrieben ist. Selbst im konservativ durchregierten Großbritannien wurde im Mai eine derartige 25%ige „Windfall Tax“ auf den Weg gebracht, die zur Gegenfinanzierung der Zuschüsse an die privaten Haushalte 5 Milliarden Pfund erbringen soll. Griechenland und Spanien schöpfen die eklatanten „Übergewinne“ überhaupt mit einem Steuersatz von 90% ab, Rumänien immerhin noch mit 80%. Mit derartigen Steuersätzen ließen sich in Deutschland, dem die Extra-Profite wie Österreich bisher sakrosankt waren, bis zu 100 Mrd. Euro lukrieren.
Österreich am letzten Drücker
Im Oktober hat allerdings selbst die EU eine Minimalvariante einer Übergewinnsteuer zur Abschöpfung der eklatanten Sonderprofite – mit nationalen Spielräumen nach oben – beschlossen. Jedoch nur maue 33%, die zudem noch nicht einmal die gesamte Wertschöpfungskette des fossilen Sektors umfasst und unangetastet lässt. Am Freitag ist nun auch die österreichische Regierung in sozusagen letzter Sekunde der EU-Vorgabe bis Jahresende eine (temporäre) Übergewinnsteuer auf den Weg zu bringen nachgekommen und ihren Plan dazu vorgelegt. Mit mickrigen 40% (ab einem außerordentlichen betriebswirtschaftlichen Zusatzgewinn von 20%), die im Fall von Neuinvestitionen in erneuerbare Energieformen resp. in die Energiewende allerdings auf den EU-Mindestsatz von 33 Prozent fallen, bzw. im Stromverkauf mit gleichfalls viel zu hohem Grenzsatz von 140 Euro pro Megawattstunde (den Investitionen in Erneuerbare im Gegenzug seinerseits wiederum genau auf den EU-Grenzsatz von 180 Euro pro MWh anheben) ist Schwarz-Grün wie ÖGB und AK zurecht kritisieren, „bei der Umsetzung“ jedoch „deutlich unter ihren Möglichkeiten“ geblieben. Anstatt einer „umfassenden Übergewinnsteuer“, so ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian und AK-Präsidentin Renate Anderl in einer gemeinsamen Aussendung, kommt so bloß „eine Übergewinnsteuer light“ (für Öl- und Gasanbieter rückwirkend am Juli bis Dezember nächsten Jahres, für Stromerzeuger von 1. Dezember für ein Jahr). Das AK-ÖGB-Modell hätte, statt der schwarz-grünen Peanuts, immerhin „bis zu zehn Milliarden Euro gebracht“.
Das ÖGB/AK-Modell
Denn, je nach Ausgestaltung und Steuersatz (33%, 40%, 60%, 90%) liegen die Einnahmen auch in Österreich in recht unterschiedlichen Milliardenhöhen. Konservativen Schätzungen, bei herkömmlicher Besteuerung der ersten 10% als „betriebswirtschaftlicher Zusatzgewinn“ und erst daran anschließender Übergewinn-Abschöpfung zufolge, bei etwa 4 bis 6 Milliarden alleine 2022. ÖGB und AK, die in ihrem Modell zur vollständigen Abschöpfung eine etwas weniger weitgehende, gestufte Sondersteuer von 60% – 90% auf die „Übergewinne“ von 2022 bis 2024 vorgeschlagen haben, veranschlagen für dieses ebenfalls staatliche Mehreinnahmen zur Finanzierung der Antiteuerungsmaßnahmen von bis zu 2,2 Mrd. Euro im Jahr. Das ÖGB/AK-Übergewinnsteuer-Modell beinhaltet hierzu über die genannten Mehreinnahmen des Fiskus zur Gegenfinanzierung nachhaltiger Inflationseindämmungen hinaus, ein zusätzliches Volumen von bis zu 1,5 Milliarden Euro für Investitionen in erneuerbare Energieträger, die vom Übergewinn abgezogen werden können – und beläuft sich so in Summe ebenfalls auf bis zu 3,7 Milliarden Euro alleine 2022. Hochgerechnet auf die anvisierte Laufzeit vom 1.1. 2022 bis 31.12. 2024 umfasst das Modell damit ein Volumen von bis zu 10 Milliarden Euro – während das Übergewinnsteuerchen der Regierung über dessen gesamte Laufzeit insgesamt zwischen bloßen 2 bis 4 Milliarden zu liegen kommt.
Darüber hinaus gälte es zudem nicht nur, die viel höher zu taxierende Übergewinnsteuer auf die sprudelnden Megagewinne auf den gesamten Energiesektor auszuweiten, sondern auch die „Windfallprofits“ in anderen Krisen- und Kriegsgewinner-Branchen und -Sektoren abzuschöpfen, einen gesetzlichen „Energiepreisdeckel“ einzuziehen und die Lebensmittel bzw. Güter des täglichen Bedarfs einer staatlichen Preisregulierung zu unterwerfen (samt Betriebsprüfungen mit Einschau in die Kostenstruktur und Kalkulationen etc. nach dem Preisgesetz).
Was es in letzter Instanz wirklich bräuchte
Letzten Endes braucht es allerdings einen tiefgreifenden Umbau des gesamten Energieversorgungssystem, der energetischen Transformation und einer emanzipatorischen Vergesellschaftung des Energiesektors. Dahingehend gilt es auch die Energiepreise aus dem Marktmechanismus herauszulösen und in einem Einstieg in eine sozial-ökologische Energie- und Tarifwende entsprechend politisch festzulegen. Mit Niedrigpreisen für einen festgelegten Grundverbrauch (i.S. einer öffentlichen Daseinsvorsorge unter dem Marktpreis) und entsprechend gestaffelten höheren und hohen Tarifen für Mehr- und Großverbrauch. Eine derartige alternative Energiewende (die über Strom hinaus auch auf Gas und Fernwärme problemlos erweiterbar ist) beinhaltet zum einen ein ganz anderes Preisgefüge als jenes der herkömmlichen Energiewirtschaft, basierend auf den sozial-ökologischen Kriterien des Bedarfs und des sorgsamen Umgangs mit Energie und der Natur.