Wiederbelebung des Atomabkommen mit dem Iran vor dem geopolitischen Aus

Quasi parallel zu Außenminister Alexander Schallenbergs Wort, dass hinsichtlich der Iran-Atomverhandlungen momentan „das Fenster zu“ sei, gab US-Sonderbeauftragter Robert Malley bekannt, dass die USA das internationale Ringen um eine Wiederbelebung des Atomabkommens mit Teheran vorerst auf Eis legen und sich stattdessen vielmehr auf eine Politik der Sanktionen konzentrieren. Begründet wird das Schwinden für die Chance eines neuen Atomdeals mit dem drakonischen Vorgehen gegen die massive, seit Wochen anhaltende Protestwelle im Land. Allerdings zeichnet sich der Abbruch der Verhandlungen schon seit Monaten ab.

Trumps Ausstieg aus dem Atomabkommen

Zur Erinnerung: Als US-Präsident Donald Trump 2018 das nach 13 Jahren schwelenden Konflikts 2015 geschlossene Wiener Atomabkommen mit dem Iran (JCPOA) mutwillig aufkündigte, bezeichneten dies die überwiegenden politischen Repräsentanten der Welt (auch im US-Establishment) als folgenschweren Fehler und gefährlichen Eskalationsschritt in der Golfregion. Der Iran seinerseits fror daraufhin im Gegenzug seine im Atomdeal eingegangenen Verpflichtungen ein. Zugleich versetzte der Vertragsbruch dem regierenden Reformlager um den iranischen Präsidenten Hassan Rohani (in dessen Amtszeit allerdings auch der „blutige November“ 2019 gegen die seinerzeitigen Proteste fiel) einen schweren Schlag, bestätigte maßgeblichen Kreisen ihr von Anfang an vorhandenes Misstrauen gegen Abkommen mit den Vereinigten Staaten und trug mit zum Wahlsieg des ultrakonservativen Ebrahim Raisi 2021 bei.

US-Geopolitik mit der Abrissbirne

Die Hintergründe aufgrund derer Trump mit der Abrissbirne über das Wiener Abkommen hinwegfuhr, waren denn auch geostrategischer Natur. Der faschistoide Präsident in „God’s Own Country“ sah die Islamische Republik in Bushs Tradition der „Achse des Bösen“ als ausgemachten Feind der Vereinigten Staaten, genauer: als eine auszuschaltende Regionalmacht, die beispielsweise in Syrien, im Jemen oder im Libanon die Interessen der USA konterkariert und im offenen Konflikt mit den beiden wichtigsten Verbündeten in der Region, Israel und (seinerzeit) Saudi-Arabien (aber auch die Vereinigten Arabischen Emirate), stand. Die weltpolitische Flurbereinigung war für die Falken Washingtons ein zudem noch umso energischeres Ziel, da nach dem Kriegsdesaster gegen den Irak, dessen militärischer „Erfolg“ den Iran gleichwohl erst zu seiner regionalen Größe aufsteigen ließ, der von den Neocons als „logischer“ Nachfolgefeldzug betrachtete militärisch viel schwierigere Waffengang gegen Teheran damit als unmittelbare Option erst einmal vom Tisch war.

Der clowneske Bauchfleck der EU

Die EU opponierte seinerzeit noch vehement gegen die mutwillige Aufkündigung des Wiener Atomabkommens und die Verschärfung der Wirtschaftssanktionen – erklärte von Paris über London bis Berlin wiederholt am Abkommen festzuhalten – und machte sich 2019 mit Instex vollmundig daran, ein eigenes Zahlungsvehikel zu etablieren zu versuchen um die US-Sanktionen zu unterlaufen. Aber der geradezu clowneske Bauchfleck dieser von der EU gegründeten Zweckgesellschaft, über die nur ein einziges und noch dazu mickriges Geschäft abgewickelt wurde, ist heute ebenso weitgehend der Vergessenheit anheimgefallen, wie die geopolitischen Hintergründe der Vertragsaufkündigung durch die USA, ganz zu schweigen von Beginn und Geschichte der iranischen Atompolitik.

Das iranische Atomprogramm – die vergessene Grundsteinlegung durch Washington unter dem Schah

„Es ist“ angesichts der langen Geschichte, „schon fast in Vergessenheit geraten“, wie Martin Baraki hierzu schon 2018 in Erinnerung rief, „dass der Grundstein des iranischen Atomprogramms mit US-amerikanischer Hilfe gelegt wurde.“

Mit dem US-orchestrierten Putsch von 1953 gegen die national-demokratische und an außenpolitischer Souveränität ausgerichteten Regierung Premiers Mohmmad Mossadegh mit antiimperialistischer Tendenz, wurde als „König der Könige“ und US-Marionette erneut der Schah an die Macht gehievt, der den Iran unter einer der brutalsten Regentschaften der Nachkriegszeit in einen der treuesten Vasallen der USA in der Region verwandelt. Der Herrscher des „Pfauenthrons“ rüstete daraufhin mit US-Unterstützung und einem Anspruch auf regionale militärische Vormacht bis zum Horn von Afrika und den Küsten Indiens das Land auf, schloss sich dem mittelöstlichen imperialistischen Militärpakt CENTO an und verwandelte den Iran in einen amerikanischen Militärstützpunkt an der Südgrenze der Sowjetunion. Selbst die militärisch nuklearen Ambitionen Teherans stießen in Washington im Laufe der Zeit mehr und mehr auf eine aufgeschlossene Atmosphäre und fanden unter der Präsidentschaft Nixons sogar tatkräftige Unterstützer. Atomwaffen in der Hand eines Diktators sind solange kein Problem, meinte dazu dessen Außenminister Henry Kissinger, wie dieser Diktator an der Seite der Vereinigten Staaten steht.

1959, bereits kurz nach der Inthronisierung des Schahs, wurde Teheran von US-Präsident Dwight D. Eisenhower ein erster Forschungsreaktor geschenkt. 1967 folgte unter Lyndon B. Johnson ein weiterer Forschungsreaktor (ein leistungsstarker Leichtwasserreaktor), der daraufhin im Teheran Nuclear Research Center (TNRC) in Betrieb genommen wurde. Im Jahr darauf, 1968, unterzeichnete der Iran den Atomwaffensperrvertrag, der für das Land 1970 in Kraft trat. Der damalige US-Außenminister und Doyen der Außenpolitik Henry Kissinger äußerte 1973 noch, dass es gut wäre, wenn der Iran Atomenergie nutzen würde, damit die USA aus dem Land billiges Öl geliefert bekommen. 1975 unterzeichnet er entsprechend das National Security Decision Memorandum 292 zur amerikanisch-iranischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Nukleartechnologie. Noch 1976 wurde Teheran das Angebot unterbreitet, aus den Vereinigten Staaten eine Anlage zur Extraktion von Plutonium zu erwerben und zu betreiben. Mit dem Sieg der Islamischen Revolution 1979 und der Flucht des Schahs stellten die USA jedoch jegliche Unterstützung ein und verhängte an dessen Stelle ein rigoroses Sanktionsregime gegen den Iran.

Sanktionen „höchsten Levels“ (Trump)

Im Wiener Abkommen 2015 verpflichteten sich das Weiße Haus nach 13-jährigen Verhandlung der Vereinigten Staaten, Großbritanniens, Frankreichs, Deutschland, Russlands und Chinas mit Teheran schließlich im Gegenzug zur Einschränkung des iranischen Atomprogramms und des Verzichts auf Urananreicherung, nach dreieinhalb Dekaden eine Reihe von Wirtschaftssanktionen gegen das Land auszusetzen, bevor mit der einseitigen Aufkündigung des Atomdeals seitens Washingtons sogar noch verschärfte Sanktionen auf dem „höchsten Level“ (Trump) gegen das Land verhängt wurden und der JCPOA-Vertrag suspendiert wurde.

Das Einschwenken des „Kollektiven Westens“ mit nachgetragenen Vorwänden

Zwischenzeitlich sind auch maßgebliche Kreise der EU auf Trumps Linie und geopolitischen Konfrontationskurs gegen den Iran sowie Eskalationskurs im Nahen und Mittleren Ost eingeschwenkt. Damit und der nunmehrigen US-Ankündigung haben sich die Aussichten auf einen Erfolg eines neuen Atomdeals radikal minimiert. Die brutale Niederschlagung der infolge des Todes der jungen, 22jährigen Kurdin Jina Masha Amini ausgebrochenen Proteste und Aufstände, das erste verhängte Todesurteil, oder auch die Lieferung iranischer Drohnen an Moskau dienen indes jedoch nur als Vorwand. Denn, dass die Chance auf ein neues Abkommen rasant abnimmt, erklärten EU-Außenbeauftragter Josep Borrell und US-Außenminister Antony Blinken schon im September – lange vor Ausbruch der Aufstände, des gefällten justiziellen Skandal-Urteils wegen „Korruption auf Erden“ und als ausgemachter „Feind Gottes“ sowie der Frage von Drohnenlieferungen.

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