NATO-Globalstrategie heizt Gaspreis und Kriegsgefahr an

Die EU-Kommission hat ihre Inflationsprognosen für die EU und den Euro-Raum für 2022 zuletzt von 2,2% nach oben revidiert und auf 3,5% in der EU und 3,9% im Euroraum angehoben.

Die Jahresinflation in Österreich stieg 2021 mit 2,8% auf den höchsten Wert seit zehn Jahren. Mit +5,1% zu Jahresanfang ist sie im Land sogar auf einen Höchstwert seit 1984 geklettert. Hauptpreistreiber sind dabei nach wie vor die Energiepreisexplosion und aktuell wirkende Sonderfaktoren wie verstopfte Lieferketten und Lieferengpässe bei wichtigen Vor- und Zwischenprodukten, die zwischenzeitlich auch immer spürbarer auf die Lebensmittelpreise durchschlagen (deren Teuerungsrate 2021 mit 0,8% noch einigermaßen moderat blieb), sowie die wellenmäßig weiterwirkenden Restriktionen der Corona-Pandemie. Preistreiber Nummer 1 für die einfachen Beschäftigtenhaushalte sind denn auch vor allem Heizöl, Gas, Strom und Treibstoff – aber auch Wohnen, sowie die mittlerweile ebenfalls anziehende Teuerungswelle der Güter des täglichen Bedarfs. Gleichzeitig ist die Explosion an der Preisfront aber kein Naturereignis, sondern „wird gemacht“. Auf diesen üblicherweise unterschlagenen Aspekt, legte als löbliche Ausnahme jüngst immerhin die Ökonomin Isabella Weber im „Guardian“ Nachdruck: „Ein kritischer Faktor, der die Preise treibt, (ist) bislang weitgehend übersehen worden: die Explosion der Profite“. 

Zugleich heizen darüber hinaus die imperialistische Globalstrategie und geopolitische Konflikte die Teuerung an und zeichnen für den aktuellen Teuerungsschub maßgeblich mitverantwortlich. So wurde, worauf wiederumder Ökonom Lucas Zeise den Finger legt, „das Angebot an Rohöl systematisch reduziert, indem der Westen die beiden Ölexportstaaten Iran und Venezuela mit Sanktionen belegt hat. Der Gaspreis ist … durch den Machtpoker mit Russland und die Behinderung langfristiger Lieferverträge hochgetrieben worden. Die mit dem potentiellen Großanbieter Iran geplanten Pipelines wurden gestoppt.“ Aber während etwa Russland (das entgegen dem medial gezeichneten Bild seine Lieferverpflichtungen wie eh und je in vollem Umfang eingehalten hat) schon seit letzten Herbst seine Bereitschaft bekundet hat über entsprechende Vertragsschlüsse seine Erdgaslieferungen aufzustocken (wenn freilich nicht über den Spotmarkt) und nun zudem auch die Pipeline Nord Stream 2 für Gaslieferungen startklar wäre und sich damit „die Preise auf dem europäischen Markt stabilisieren“ ließen (wie so ziemlich sämtliche ExpertInnen unisono unterstrichen), üben sich die maßgeblichen politischen Figuren EU-Europas lieber als Kalte, wenn nicht gar Heiße KriegerInnen. Und auch diese Zeche zahlen – freilich neben den Völkern der Region, die regelrecht in einen Krieg hineinorchestriert und gehetzt werden – wir.

Während der europäische Gasmarkt früher von langfristigen Lieferverträgen mit Bindungen des Gas- an den Ölpreis geprägt war, hat die EU seit den 1990er Jahren auf eine Flexibilisierung des Erdgas-Marktes mit kurzfristigen Nachfragebezügen hingewirkt, auf dem Pipelinegas mit Flüssiggaslieferungen aus aller Welt (sprich: seit längerem insbesondere zu Gunsten des boomenden Fracking-Gas aus den USA) konkurrieren soll. Entsprechend bestimmt heute auch vorrangig der Spotmarkt für kurzfristige Nachfragen die Preise. Oder wie ExpertInnen schon im Herbst kritisch vermerkt hatten: Im Grunde „funktioniert der Markt jetzt genau so, wie sich die EU-Kommission das immer gewünscht hat“, so ein Analyst. „Es gibt keine langfristigen Lieferverträge mehr, die Ölpreisbindung ist längst weggefallen, der Gaspreis bildet sich kurzfristig und ist volatil geworden.“ Dazu gesellen sich eine aus mehreren Ursachen insgesamt angespannte Erdgaslage – auch die Erdgasausfuhren Norwegens und Großbritanniens lagen schon mal auf höherem Niveau – und Fehlspekulationen in Westeuropa, wo die Befüllung der Erdgasspeicher in der Hoffnung auf einen Preisrückgang vielfach hinausgezögert wurde. Da hilft es auch nichts, dass Russland seine Lieferverpflichtungen penibel einhält oder der Kreml und Gazprom schon Mitte letzten Oktober (als manch gewichtige Player noch auf sinkende Gaspreise im November spekulierten) der EU anboten: „Wenn sie uns fragen, ob wir unsere Lieferungen erhöhen, sind wir bereit, das zu tun“.

Nein, all das bürstet man in geopolitischen Absichten und unverfrorenen Abschiebung der Verantwortung für den Erdgas-Preisschub einfach gegen den Strich, flickt es in durchsichtigem Kalkül „dem Kreml“ ans Zeug und schwadroniert von angeblichen russischen „Manipulation“ der Gaspreise, „Erpressungen“ Moskaus, aus dessen angeblichen „Griff“ sich die EU und Europa befreien müsste. Begleitend verknüpft man das Ganze noch mit dem Ukraine-Konflikt zu einem Amalgam und heizt diesen mit einer die Gefahr eines Krieges in Europa geradezu herbeizitierenden Kriegspropaganda noch in einem fort nach Kräften an. Angesichts dieser seit Monaten systematisch geschürten Kriegshysterie verkommt es schon fast zu einer Randnotiz, dass der ukrainische Regierungschef Wolodymyr Selenskyj sowie dessen Außenminister Dmytro Kuleba – zwei eingefleischte NATO-Erweiterungs-Adepten – die Lage bisweilen nüchterner bewerteten und ihre westlichen Partner mehrmals sogar aufforderten, die Situation nicht zum Krieg zu eskalieren. Aber der Maidan 2013/14 war für die Falken unterschiedlicher Couleurs erst ein Präludium. Denn die Ukraine gilt der US-Globalstrategie gegen Russland seit Anbeginn der von Washington ausgerufenen „Neuen Weltordnung“ nach 1990/91 schlicht als „geopolitischer Dreh- und Angelpunkt“ des Westens auf dem „großen Schachbrett“, wie es der einflussreiche US-Stratege Zbigniew Brzezinski (außenpolitischer Berater einer Vielzahl an US-Präsidenten) bereits 1997 kurz und trocken auf den Punkt brachte.

Und so haben die Arbeitenden und die Bevölkerung Europas immer tiefer in die Tasche zu greifen um über die Runden zu kommen, heben die Öl- und Gaspreise zu neuen Höhenflügen an, verlegt die NATO weitere Truppen und Kriegsgerät nach Osten und wandelt Europa heute am Rande des Kriegs. Und während das Pentagon über angebliche russische Angriffszeitpunkte orakelt, hat Moskau, wie nach Übungsmanövern Praxis, derweil einen Teilabzug seiner Truppen von der ukrainischen Grenze angekündigt.

Ähnliche Beiträge

Gefällt dir dieser Beitrag?

Via Facebook teilen
Via Twitter teilen
Via E-Mail teilen
Via Pinterest teilen