Die Proteste im Iran infolge des Todes der jungen, 22jährigen Kurdin Jina Masha Amini in Polizeigewahrsam am 16. September reißen seitdem nicht ab und dauerten trotz eisernem Vorgehen der Sicherheitsbehörden auch am Wochenende unvermindert an. In ihnen verknüpfen sich der Kampf für die Abschaffung des Zwang-Hijabs und der Emanzipation der Frau mit der Aufhebung der Diskriminierung und Unterdrückung der etwa 7 Millionen KurdInnen und den Rechten anderer ethnischer Minderheiten. Während sich die massive Protestwelle, die teils Charakterzüge eines Volksaufstands annimmt und auch von Streiks begleitet ist, weit über die kurdischen Provinzen hinaus auf weit über 40 Städte des Landes ausgebreitet hat und sich die Lage immer weiter zuspitzt, versucht auch der Westen heuchlerisch politisches Kleingeld und Kapital zu schlagen.
Denn während die zentrale Losung der 2004 gegründeten PJAK (Partei für ein freies Leben in Kurdistan) und der PAJK (Partei der freien Frauen Kurdistans): „Frauen, Leben, Freiheit!“ (Jin Jîan Azadî) zum Leitmotiv der Demonstrationen durch die gesellschaftlichen Sektoren hindurch wurde, gelten die beiden Organisationen dem Westen als „PKK-Ablegerpartei“ bzw. „PKK-Frauenorganisation“ als „Terrororganisationen“ und der Slogan „Jin Jîan Azadî“ als inkriminiert. Wäre es den EU-Führungsfiguren mit ihren aktuell vergossenen Krokodilstränen ernst, hätten sie mindestens schon die Beendigung der Unterdrückung der kurdischen Frauenbewegung in Europa auf den Weg gebracht oder eingeleitet, die von der Jineologie („kurdischem Feminismus“) inspirierten Bewegungen von den „Terror-Listen“ gestrichen und die vielfältigen gegen sie in Europa verhängten Verbote (bis hin zu deren Symbolen) aufgehoben.
Denn, dass Jina Masha Aminis Tod, so Omid Rezaee, „das gesamte Land … derart mobilisieren konnte, das hängt vor allem mit der Person Zhina Amini zusammen. Kurdische Expert*innen weisen auf die mehrfache Diskriminierung Aminas hin. Ihre Herkunft spielt für die Proteste durchaus eine Rolle. Vor allem als Kurdin und als Frau aus einem wirtschaftlich schwachen Teil des Landes habe sie die historische Frustration und Wut im Land in sich vereinen können und so dazu beigetragen, dass auch viele weitere im Iran lebende Menschen gemeinsam Seite an Seite den kurdischen Slogan ‚Jin, Jiyan, Azadi‘ rufen.“
Darüber hinaus ist der Kommunistischen Partei Griechenlands, KKE, zuzustimmen, wenn sie konstatiert: „Die heuchlerischen Erklärungen und Sanktionen von EU‑, USA- und NATO-Beamten … stellen für keine Frau wie Amini einen ‚Schutzschild‘ gegen die vielschichtige Gewalt dar. Schließlich sind es dieselben Kräfte, die gleichzeitig Regime in anderen Ländern unterstützen, die die gleichen Praktiken gegen Frauen anwenden.“ Gerade die letzten Monate und Wochen sowie auch die aktuelle Reisehektik mit ihren devoten Energieliefer-Bittgängen der EU und umgarnten alten und etwaig neuen Energiepartnern der „westlichen Wertegemeinschaft“ liefern ein geradezu bühnenreifes Schauspiel und Lehrstück westlicher „feministischer Außenpolitik“ und deren schreiender Falschmünzerei.
Entsprechend finden auch in Österreich seit Tagen Solidaritätskundgebungen von Unten mit den Protesten gegen Frauenunterdrückung im Iran (in dem allein jährlich unfassbare rund 2.000 Femizide stattfinden) und den Forderungen nach mehr Minderheitenrechten auch der AserbaidschanerInnen, AraberInnen, BelutschInnen oder ArmenierInnen statt und werden in autonomer, emanzipatorischer Perspektive weitergehen. Jin Jîan Azadî!