Raus aus der Defensive zu einer sozialen Wende!
Seit Tagen blasen AMS-Chef Johannes Kopf, das neoliberale Enfant Terrible ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher und die heimischen Wirtschaftsvertreter – im Koalitionseinvernehmen mit den Grünen – zum Halali gegen die Arbeitslosen.
Mit der Wirtschafts- und Corona-Krise kletterte die Arbeitslosigkeit im Land auf neue Rekordhöhen, erodierten die Lebensverhältnisse massenhaft weiter, fielen Hunderttausende auf einen Bruchteil ihres bisherigen Einkommens herab und rutschen immer mehr Menschen regelrecht in Armutsverhältnisse ab, in denen sie nicht oder kaum mehr über die Runden kommen.
Anstatt einer progressiv-offensiven Beschäftigungspolitik, weitreichenden Arbeitszeitverkürzung, Lebensstandard sichernden und armutsfesten Absicherung, wird den Arbeitslosen in sich überschlagenden, täglich neuen Vorstößen und neoliberalen Attacken der Marsch geblasen.
Das paktierte türkis-grüne Regierungsprogramm als neoliberaler Leitfaden
Schon mit dem mit grüner Tinte unterzeichneten neuen Regierungsprogramm schrillten dahingehend die Alarmglocken, beinhaltet das paktierte türkis-grüne Koalitionsabkommen doch ein ganzes Paket neuer Verschärfungen für Arbeitslose. Bereits in ihm vorgesehen ist eine perfide neuerliche Verschärfung der „Zumutbarkeitsbestimmungen“, nach welcher Arbeitssuchende künftig anstatt 16 Stunden „Mindestverfügbarkeit“ in der Woche jetzt 20 Stunden in der Woche zur Verfügung stehen müssen („bei Vorhandensein von adäquaten Kinderbetreuungsmöglichkeiten“ versteht sich).
Unter dem Übertitel einer ‚Reform‘ der „Zumutbarkeitsbestimmungen“ wurden in den letzten Jahrzehnten zudem die immer weiteren Aufweichungen des Berufs- und Einkommensschutzes durchgesetzt, die zumutbaren Wegzeiten für einen möglichen Job verlängert – zuletzt war auch eine geringere Anrechnung der Zeit der Arbeitslosigkeit auf die Pension in der Pipeline.
Mit der vereinbarten Erhöhung der „Mindestverfügbarkeit“ auf exakt „20 Stunden“ gab sich die Regierung jetzt allerdings ein ebenso perfides, wie probates Mittel zu Zwangs-Jobs in die Hand. Denn während es am Arbeitsmarkt kaum 16-Stunden-Jobs gibt, haben 20-Stunden-Beschäftigungsverhältnisse breiten Einzug genommen – die sich mit der neuen Mindestverfügbarkeits-Bestimmung künftig im Fall auch kaum mehr ablehnen lassen.
Geplant war und ist darüber hinaus aber überhaupt eine sogenannte „Weiterentwicklung“ des AMS-Geldes „mit Anreizen“. Hinter diesem verklausuliert formulierten Vorhaben versteckte sich nur notdürftig übertüncht und jetzt auch offen zu Tage getreten das türkise Projekt einer ‚degressiven‘ Kürzung des Arbeitslosengeldes (mit der Länge der Bezugsdauer sinkend), um mit eklatanten monetären Einschnitten, Verschärfungen, passgerechten Mindestverfügbarkeitszeiten und einem ausgeklügelten finanziellen Druck auf Arbeitslose, diese zwingen zu wollen, auch noch die windigsten McJobs anzunehmen und damit zugleich den Niedriglohnsektor weiter zu befeuern.
Schleifung der Zuverdienstmöglichkeiten trotz akuter Armut
Aktuell soll nunmehr auch die Zuverdienstmöglichkeit geschliffen werden. Dabei haben nach einer aktuellen SORA-Studie neun von zehn Arbeitslosen ihr Leben unter der Armutsgefährdungsschwelle zu fristen. Nun soll den gegenwärtig rund 11% der Arbeitslosen, die durch kleine Nebenjobs bis zu 475 Euro im Monat geringfügig dazuverdienen, um ihre Armut zu lindern und damit auch einen Fuß in der Arbeitswelt behalten, auch noch diese Aufstockungsmöglichkeit genommen werden. Damit stünden zahlreiche arbeitslose Menschen über Nacht vor einer akuten existenzgefährdenden Situation.
Die tiefliegende Misere des österreichischen Arbeitslosengelds
Der wesentliche Grund dieser sozialen Misere liegt jedoch darin, dass das Arbeitslosengeld – die sog. Nettoersatzrate bei Arbeitslosigkeit – in Österreich mit 55% des vorherigen Einkommens auch im internationalen Vergleich skandalös niedrig liegt. Nicht nur gegenüber Ländern wie Belgien und Dänemark oder Luxemburg und Slowenien in denen diese bei 80% (und mehr) liegt, sondern selbst im Vergleich zum OECD-weiten Schnitt von 65%.
Nochmals drastischer schlägt diese Lage für das Gros der weiblichen Beschäftigten, die in der Krise ihren Job verloren haben, zu Buche. Diese erzielten, wie die AK auswies, im Durschnitt bereits um 35% weniger Einkommen als ihre männlichen Kollegen und von diesem mauen Einkommen fällt in der Arbeitslosigkeit jetzt nochmal beinahe die Hälfte weg.
Für eine sofortige und dauerhafte Erhöhung des Arbeitslosengeldes
Entsprechend gewinnen auch die Forderungen und Initiativen nach einer massiven Anhebung des Arbeitslosengeldes immer mehr an Zuspruch und Brisanz. Als KOMintern fordern wir daher mit anderen seit Monaten nachdrücklich eine sofortige Erhöhung des Arbeitslosengelds auf 80 Prozent des letzten Netto-Entgelts.
Und das Ziel eines zumindest armutsfesten Arbeitslosengeldes verlangt auch danach. Denn diese 80% würden – wie aus Berechnungen der Arbeiterkammer OÖ hervorgeht – nicht nur das durchschnittliche Arbeitslosengeld über die Armutsschwelle (EU-SILC) heben, sondern auch dem Abrutschen in die Notstandshilfe (die nur mehr 92% des Arbeitslosengeldes beträgt) einen monetären Riegel vorschieben, damit nicht erneut unter die Armutsschwelle zu stürzen.
Den Berechnungen der AK-OÖ bedarf es hierzu jedoch einer Anhebung der Nettoersatzrate im Land auf (mind.) 78%. Die seitens des ÖGB wie der SPÖ und anderer ventilierte Anhebung auf lediglich 70% hingegen reicht für dieses Mindestziel eines armutsfesten Arbeitslosengeldes nicht aus.
Umso nötiger also – neben den Abwehrkämpfen – , die Forderung nach einer sofortigen Anhebung des Arbeitslosengeldes auf 80% des letzten Netto-Entgelts, verbunden mit einer Anhebung des Kurzarbeitsgeldes und kräftigen Erhöhung der Mindestlöhne, auf die politische Kampfagenda zu setzen – und raus aus der Defensive einer soziale Wende zu erkämpfen.
Bild: Duke of W4, Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0 AT)