Einkommensbezogene und politische Dimensionen des ÖVP-Projekts der Kürzung des Arbeitslosengeldes

Die Arbeitslosen sind die absoluten Verlierer der Inflationswelle, wie wir bereits unlängst in unserem Beitrag „Arbeitslosigkeit 2.0: Ein soziales und profitables Elend & Exerzierfeld neoliberaler Attacken“ herausstellten. Das Momentum Institut hat die Einkommensverluste des ÖVP-Vorstoßes zwischenzeitlich auch detaillierter berechnet und quantifiziert. Zugleich lassen dieser und die politische Konstellation einschlägige historische Parallelen erkennen.

Beängstigende geschichtliche Parallelen

Das Ganze erinnert im Anschluss an die zahlreichen Gedenken der Schrecken des Austrofaschismus der letzten Wochen teils frappierend an dessen Vorgeschichte und damalige politische Konstellationen. „Statt durch einen offenen Umsturz erfolgte die Ausschaltung der Linken [und Etablierung des Faschismus] durch eine Regierung, die durch ein Bündnis reaktionärer Strömungen in der führenden konservativen Partei mit Rechtsextremen gebildet worden war“, wie der Historiker Winfried Garscha festhält. Zugleich, um die Parallelen weiterzuführen, stand dem eine sozialdemokratische Kapitulationspolitik gegenüber, die glaubte sich den sozialen, demokratischen und gewerkschaftlichen Kampf ersparen zu können und alles auf parlamentarischer Ebene aushandeln zu vermeinen. Dabei zogen die maßgeblichen Kräfte der „Christlichsozialen“ nicht zuletzt aus dem damaligen parlamentarischen Widerstand gegen die Kürzung des Arbeitslosengeldes (zumal unter den seinerzeitigen Bedingungen knapper Mehrheitsverhältnisse) die Konsequenz einer dazu nötigen Stärkung der Stellung der Regierung gegenüber dem Parlamentarismus bis hin zur gänzlichen Ausschaltung des Parlaments. Mit dessen Ausschaltung im März 1933 erließ die Regierung Dollfuß umgehend auf dem Verordnungsweg eine substantielle Kürzung des Arbeitslosenendgelds, eine Reduzierung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes, sowie eine Verschärfung der Bezugsbedingungen.

Damit sei keinem Schreckgespenst eines „‘33 2.0“ das Wort geredet. Weder stehen wir heute vor der Errichtung einer faschistischen Diktatur in Österreich, noch ist das Großkapital im Land an einer solchen gegenwärtig interessiert. Allerdings stehen wir inmitten einer aufgebrandeten Verschiebung des politischen Koordinatensystems nach rechts und einer autoritäreren, durch eine zunehmende Aushöhlung des Parlamentarismus und errungener demokratischer Rechte, gekennzeichneten sozialreaktionären Umwälzung – mit beängstigenden historischen Parallelitäten. Auch was die Sozialdemokratie anbelangt. Nur dass die geschichtliche Tragödie des sogenannten austromarxistischen Sozialdemokratismus sich als zeitgenössische Farce vollends „angekommener“ SP- und sozialdemokratischer Gewerkschafts-Spitzen darstellt.

Indessen hat das Momentum Institut die Einkommensverluste für die erneut ins Fadenkreuz genommen Arbeitslosen berechnet, die wir hier gekürzt wiedergeben.

Die von der ÖVP getrommelte Kürzung des Arbeitslosengeldes bedeutet einen Einkommensverlust von 11%

Die Inflation entwertete in den letzten zwei Jahren die Kaufkraft des Arbeitslosengeldes. Die ÖVP schlägt nun vor die Nettoersatzrate des Arbeitslosengelds von aktuell 55 Prozent auf unter 50 Prozent zu kürzen. Das Momentum Institut hat berechnet, welchen Verlust diese Kürzung für Erwerbsarbeitslose im Schnitt bedeuten würde: Ihr monatliches Arbeitslosengeld wäre um 10,9 Prozent gekürzt, wie eine Berechnung des Momentum Instituts zeigt.

Arbeitslosengeld verliert laufend an Wert

Während seit Beginn 2023 die Mehrheit der Sozialleistungen an die Inflation angepasst werden, ist das beim Arbeitslosengeld und der Notstandshilfe nicht der Fall. Nach der Rekordteuerung der letzten beiden Jahre müssen Erwerbsarbeitslose die enormen Preissteigerungen mit demselben Einkommen stemmen wie vor der Inflationswelle. Wer etwa im Jänner 2023 arbeitslos wurde, hatte im Schnitt ein monatliches Arbeitslosengeld in der Höhe von 1.077 Euro, um sein Leben zu finanzieren. Ein Jahr später konnte man sich bereits um 129 Euro weniger darum kaufen. Mit einer weiteren Senkung der Nettoersatzrate wäre der Kaufkraftverlust noch höher. Das Leben würde für arbeitslose Menschen noch weniger leistbar.

Kürzung bedeutet 11 Prozent weniger für Erwerbsarbeitslose

Würde das Arbeitslosengeld auf 49 Prozent gekürzt, könnten sich Erwerbsarbeitslose, die im Jänner 2023 ihren Job verloren haben, um 233 Euro – fast um ein Viertel – weniger leisten als zu Beginn der Arbeitslosigkeit. Das ist deutlich unter der Armutsgefährdungsschwelle von 1.392 Euro für eine alleinstehende Person. Bereits jetzt ist mehr als jede:r dritte Arbeitslose (36 Prozent) armutsgefährdet, der zwischen einem halben Jahr und einem Jahr arbeitslos ist. Dauert die Arbeitslosigkeit länger als ein Jahr, ist bereits knapp jede:r zweite Langzeitarbeitslose (42 Prozent) armutsgefährdet.

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