In seinem Österreichplan fantasiert Bundeskanzler Nehammer über ein riesiges Steuerstreichungsprogramm, damit sich Leistung in unserem Land „endlich wieder lohnt“. Mit der Umsetzung seines Programms würden laut Fiskalratchef Badelt jährlich 9 bis 13 Mrd. Euro an Steuereinnahmen wegfallen, das Momentum Institut beziffert das daraus resultierende Budgetloch bis 2030 mit -49 Mrd. Euro.
Ankündigungen Steuern zu senken stoßen mittlerweile bei vielen Menschen auf offene Ohren, werden ihnen doch Steuern und Abgaben von allerlei Seiten als Bürde verkauft, die ihnen vom Staat auferlegt wird: Vom Brutto soll mehr Netto übrigbleiben, die Wirtschaft soll entlastet werden, um Arbeitsplätze und Wohlstand für alle zu schaffen, mit Steuergeldern wird ohnehin nur Schabernack getrieben… Auch wenn eine Diskussion über ausgabenseitige Schwerpunkte sinnvoll wäre und eine über die einnahmenseitige Steuerstruktur mehr als notwendig ist (v.a. hinsichtlich Vermögens- und stärker Kapitalbesteuerung) sind allgemeine Steuer- und Abgabenstreichungsprogramme fatal.
Die Steuerstreichungspläne des Bundeskanzlers entsprechen jährlich mindestens dem Gesamtbudget, das im Jahr 2022 für Familie und Kinder ausgegeben wurde (9,2 Mrd. Euro) oder den Ausgaben für das gesamte österreichische Schulsystem nach der Volksschule (Sekundarbereich 8,6 Mrd. Euro). Würden die Steuergeschenke durch Einsparungen im Gesundheitssystem gegenfinanziert, würden für die stationäre Behandlung mit einem Schlag bis zu zwei Drittel der 21,2 Mrd. Euro wegfallen. Die jüngst ins Spiel gebrachte Gegenfinanzierung über die Kürzung von Förderungen kann nur als PR-Gag interpretiert werden. Mit sinkenden Einnahmen aus Steuern und Abgaben fehlen unterm Strich die Gelder für unser Gesundheits- und Bildungssystem, für soziale Sicherung, für Umweltschutz, Wohnungswesen, Wasserversorgung bis hin zur Straßenbeleuchtung oder Feuerwehren. Öffentliche Investitionen in den Klimaschutz, die Verkehrswende oder ein zukunftsfähiges Wirtschaftssystem werden ohne ausreichende finanzielle Basis zudem schwer umsetzbar bis verunmöglicht.
Profitieren würden von den Steuerstreichungsplänen v.a. hohe Einkommen und Unternehmen. So sollen die Kapitalertragssteuer und die fünfte Stufe bei der Einkommens- und Lohnsteuer (48 % zwischen 66.612 Euro und 99.266 Euro jährliche Steuerbemessungsgrundlage) gestrichen werden sowie Überstunden steuerbefreit werden. Von einer Senkung des Eingangssteuersatzes würden zwar niedrige steuerpflichtige Einkommen profitieren, allerdings auch alle darüber liegenden lohn- und einkommenssteuerpflichtigen Personen, auch die Spitzenverdiener:innen. Die Senkung der Gewinnsteuer bei Investitionen aus dem Eigenkapital (Eigenkapitalverzinsung), wäre nach den Körperschaftssteuersenkungen der vergangenen Jahre ein weiteres Geschenk an finanzstarke Unternehmen. Und letztlich würde eine abermalige Senkung der Lohnnebenkosten (Dienstgeberbeiträge) um -0,5 Prozentpunkte pro Jahr bzw. -3,0 Prozentpunkte bis 2030 einen direkten Angriff auf die soziale Sicherheit der Beschäftigten darstellen.
Doch was sind Lohnnebenkosten überhaupt? Unmittelbar werden darunter die Beiträge der Unternehmen zur sozialen Absicherung der Beschäftigten verstanden, also Unfall-, Kranken-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung. Des Weiteren fallen Dienstgeberbeiträge zur Finanzierung von Familienleistungen (FLAF), zum Fonds für Lohnfortzahlungen im Insolvenzfall (IESG-Zuschlag), zur Wohnbauförderung, zur betrieblichen Vorsorgekasse (Abfertigung Neu) und die Kommunalsteuer (Finanzierung u.a. von Kindergärten) darunter. In Summe handelt es sich daher um den Beitrag der Unternehmer:innen zum Sozialstaat. Weitergefasst – und gerne als störende Kostenfaktoren im internationalen Wettbewerb ins Spiel gebracht – werden auch das Urlaubs- und Weihnachtsentgelt, bezahlter Urlaub und bezahlte Feiertage sowie Aus- und Weiterbildungskosten unter den Lohnnebenkosten verstanden. Eine wiederholte Senkung der Lohnnebenkosten bedeutet somit in erster Linie eine weitere Aushöhlung des Sozialstaats und damit der sozialen Absicherung der Beschäftigten und gleichzeitig steigende Gewinne der Unternehmen und ihrer Eigentümer:innen.