Arbeitslosigkeit: Gekommen um zu bleiben

Von der „Reservearmee“ zum „stehenden Heer“ – Arbeitslosigkeit im Spätkapitalismus

Die Arbeitslosigkeit ist neuerlich um knapp 11% zum Vorjahr gestiegen. Vor wenigen Jahren noch zu Recht ein gesellschaftlicher Skandal ersten Ranges, liegt die Arbeitslosigkeit mit über 420.000 Beschäftigungslosen Anfang Februar und aktuell 370.00 wieder auf Niveau von vor der jüngsten Wirtschafts- und Coronakrise – ohne noch eine vergleichbare Aufregung darzustellen. Zu Beginn des Ausbruchs der davor bereits einschneidenden Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 lag sie bereits bei 210.000. Ende Februar 2020, vor Beginn der Corona-Krise, betrug die Arbeitslosigkeit mit rund 400.000 bereits beinahe das Doppelte. Heute liegt sie erneut auf diesem Niveau, und auch die Langzeitarbeitslosigkeit nimmt wieder zu.

Anstatt jedoch dieser regelrecht durch die Decke geschossenen Arbeitslosigkeit beschäftigungspolitisch entgegenzusteuern bzw. wenigstens durch ein armutsfestes, existenzsicherndes Arbeitslosengeld abzumildern, wird vielmehr erneut zum Kampf gegen die Arbeitslosen und zur Attacke auf die Arbeitslosenversicherung geblasen.

Dabei sind die Arbeitslosen die absoluten Verlierer der Inflationswelle. Während seit Beginn 2023 die Mehrheit der Sozialleistungen an die Inflation angepasst wurden, ist das beim Arbeitslosengeld und der Notstandshilfe nicht der Fall. Die Familienzuschläge für Beschäftigungslose wurden überhaupt seit 2001 nicht mehr angepasst. Entsprechend ist mittlerweile jede:r dritte Arbeitslose armutsgefährdet, in Langzeitarbeitslosigkeit sogar jede:r zweite.

Ja, wie das „Momentum-Institut“ gerade vorrechnete, ist die Nettoersatzrate aufgrund des Berechnungsmechanismus aktuell vielfach realiter sogar auf bloße durchschnittliche 51% eingebrochen. Denn: „Die Gehälter, die zur Berechnung der Grundlage herangezogen werden, liegen aber im Regelfall um mindestens 12 Monate zurück. In Zeiten einer außerordentlich hohen Teuerung ist das für unlängst arbeitslos gewordene Personen problematisch. Denn in ihrem Berechnungszeitraum war die hohe Inflation zwar schon voll im Gange, die herangezogenen Löhne wurden aber noch nicht an die Teuerung angepasst. Das bedeutet, dieser Mechanismus drückt ihr Arbeitslosengeld im Verhältnis zum tatsächlichen letzten Gehalt (0-12 Monate vor Arbeitslosigkeit) auf eine Nettoersatzrate von durchschnittlich 51 Prozent.“

So liegt das Arbeitslosengeld mit durchschnittlich 1.091 Euro denn auch knapp 300 Euro unter der Armutsgefährdungsschwelle nach EU-SILC von 1.371 Euro netto! (= 60% des Medianeinkommens, 12 x im Jahr; für Ein-Personen-Haushalt).

Dem nicht schon genug, soll es Vorschlägen der ÖVP und der NEOS zufolge auch noch gekürzt werden und etwa dem schwarzen „Österreichplan“ nach von aktuell 55 Prozent des Letztbezugs auf unter 50 Prozent gekürzt werden. Und das, obwohl das Arbeitslosengeld – die sog. Nettoersatzrate – in Österreich mit 55% des vorherigen Einkommens im internationalen Vergleich schon jetzt skandalös niedrig liegt.

Dabei prognostiziert sogar AMS-Chef Johannes Kopf, dass selbst bei einem Wiederanspringen der Konjunktur die Arbeitslosigkeit verstetigt bleibt. Daran vermögen auch stupfsinnige neoliberale Denunzierungen und monetäre Daumenschrauben nichts abzuhelfen. Sie verschärften lediglich das soziale und profitable Elend der Geißel Arbeitslosigkeit noch und schwächen die Kampfbedingungen zur Behauptung der materiellen Interessen der Arbeitenden.

Umso entschiedener braucht es denn auch eine massive, Lebensstandard sichernde und armutsfeste Anhebung des Arbeitslosengeldes. Nicht zuletzt auch, weil die verfestigte Arbeitslosigkeit die Konkurrenz in den Reihen der abhängig Beschäftigten verstärkt, einen beständigen Druck auf die Entwertung der Arbeitskraft ausübt, als individuelle wie kollektive Disziplinierungspeitsche wirkt und in mannigfachen weiteren Begleitfolgen die Kampfbedingungen der Gewerkschaften schwächt.

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