Die seit Anbruch der Wirtschaftskrise und Pandemie tagein tagaus präsentierten Arbeitslosenzahlen offenbaren, in welchem Ausmaß die Geißel und Misere der Arbeitslosigkeit im Land in der „Corona-Krise“ durch die Decke geschossen ist.
Zu deren Höhepunkt waren vor knapp einem Jahr 588.000 Menschen arbeitslos und parallel 1,2 Mio. Beschäftigte in Kurzarbeit – sprich: rund 45% der Beschäftigten im Land nicht nur von deren gravierenden Begleiterscheinungen des damit erodierenden Arbeitsmarkts und gesamthaften Abrutschen der Beschäftigungsverhältnisse, sondern in direkter Weise betroffen. Bezieht man die Familienangehörigen noch mit ein, erweist sich das ganze Ausmaß der Dramatik nur umso mehr.
Mit dieser Rekordarbeitslosigkeit (darunter eine nicht minder horrende Jugendarbeitslosigkeit von 72.000) waren erstmals mehr Beschäftigte erwerbslos als zum österreichischen Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise 1933/34 (ganz zu schweigen von den 192.000 bzw. 243.000 Erwerbslosen 1929 bzw. 1930). Sprach man vor wenigen Jahren noch von Höchstarbeitslosenständen der Zweiten Republik, werden jetzt auch die Werte der Ersten Republik übertroffen – die Kurzarbeit noch gar nicht mit in Rechnung gestellt.
Und diese mit der Krise auf neue Höchststände gekletterte Arbeitslosigkeit bleibt auch die nächsten Jahre verstetigt. Die in Marxscher Begriffsprägung auch als „industrielle Reservearmee“ bezeichnete Arbeitslosigkeit, wandelt sich darin zudem teils überhaupt zum „stehenden Heer“, genannt „Sockelarbeitslosigkeit“. Entsprechend sprach der neue Arbeitsminister Martin Kocher noch in seiner Funktion als IHS-Chef denn auch ungeschminkt Tacheles: Die Arbeitslosigkeit, so seine Prognose, wird im Rahmen des gegenwärtig herrschenden wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Regimes wohl erst 2024 wieder auf den Vorkrisenstand von 2019 zurückgehen. Das heißt im Klartext die Festschreibung einer grob 5-jährigen, dramatischen Arbeitsmarktkrise und Massenarbeitslosigkeit.
Damit einhergehend erodieren jedoch nicht nur massenhaft Lebensverhältnisse, fallen Hunderttausende auf einen Bruchteil ihres bisherigen Einkommens herab, sondern rutschen immer mehr Menschen regelrecht in Armutsverhältnisse ab, in denen sie nicht oder kaum mehr über die Runden kommen.
Wesentlich hierzu trägt nicht zuletzt der Umstand bei, dass das Arbeitslosengeld – die sog. Nettoersatzrate bei Arbeitslosigkeit – in Österreich mit 55% des vorherigen Einkommens auch im internationalen Vergleich skandalös niedrig liegt. Nicht nur gegenüber Ländern wie Belgien und Dänemark oder Luxemburg und Slowenien in denen diese bei 80% (und mehr) liegt, sondern selbst im Vergleich zum OECD-weiten Schnitt von 65%.
Nochmals drastischer schlägt diese Lage für das Gros der weiblichen Beschäftigten, die in der Krise ihren Job verloren haben, zu Buche. Diese erzielten, wie die AK auswies, im Durschnitt bereits um 35% weniger Einkommen als ihre männlichen Kollegen und von diesem mauen Einkommen fällt in der Arbeitslosigkeit jetzt nochmal beinahe die Hälfte weg.
Entsprechend gewinnen auch die Forderungen und Initiativen nach einer massiven Anhebung des Arbeitslosengeldes immer mehr an Zuspruch und Brisanz. Als KOMintern fordern wir daher mit anderen seit Monaten nachdrücklich eine sofortige Erhöhung des Arbeitslosengelds auf 80 Prozent des letzten Netto-Entgelts und unterstützen die gegenwärtige österreichweite Aktionswoche „Für eine sofortige und dauerhafte Erhöhung des Arbeitslosengeldes!“.
Und das Ziel eines zumindest armutsfesten Arbeitslosengeldes verlangt auch danach. Denn diese 80% würden – wie aus Berechnungen der Arbeiterkammer OÖ hervorgeht – nicht nur das durchschnittliche Arbeitslosengelt über die Armutsschwelle (EU-SILC) heben, sondern auch dem Abrutschen in die Notstandshilfe (die nur mehr 92% des Arbeitslosengeldes beträgt) einen monetären Riegel vorschieben, damit nicht erneut unter die Armutsschwelle zu stürzen.
Den Berechnungen der AK-OÖ bedarf es hierzu jedoch einer Anhebung der Nettoersatzrate im Land auf (mind.) 78%. Die seitens des ÖGB wie der SPÖ und anderer ventilierte Anhebung auf lediglich 70% hingegen reicht für dieses Mindestziel eines armutsfesten Arbeitslosengeldes nicht aus.
Umso nötiger also, die Forderung nach einer sofortigen Anhebung des Arbeitslosengeldes auf 80% des letzten Netto-Entgelts auf die politische Kampfagenda zu setzen – wie es auch im ProponentInnenkomitee der aktuellen Aktionswoche und bevorstehenden Aktionskonferenz am 6. März (in Wien) der Initiative „Für eine sofortige und dauerhafte Erhöhung des Arbeitslosengeldes!“ seinen Widerhall findet.
UnterstützerInnen der Initiative
- Alban Knecht, Soziologe, Wissenschaftlicher Beirat der Österreichischen Armutskonferenz
- Alexander Zirkelbach, BGE Österreich, Wien
- Andreas Kollross, Bürgermeister Trumau, Nationalratsabgeordneter
- Andreas Schütz, Klima-Aktivist, Fridays for Future
- Anna Lang, Betriebsrätin, Linz
- Anna Wall-Strasser, Bundesvorsitzender Katholische ArbeitnehmerInnen Bewegung Österreich
- Annemarie Steidl, Historikerin, Universität Wien
- Armin Kraml, Angestelltenbetriebsrat, Bosch-Rexroth, Linz
- Axel Magnus, Betriebsrat Sucht- und Drogenkoordination Wien
- Barbara Glinsner, Sozioökonomin
- Beatrix Soder, Betriebsratsvorsitzende FAB Linz
- Brigitte Lindner, Sozialwissenschaftlerin
- Brigitte Weber, Burgenland
- Christian Winkler, Geschäftsführer Bischöfliche Arbeitslosenstiftung Linz
- Clemens Mechtler, Betriebsratsvorsitzender, Regionalvorsitzender in NÖ, Gewerkschaft vida
- David Stockinger, Gemeinderat Schwechat
- Dennis Tamesberger, Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler, Linz
- Emmerich Talos, em. Univ. Prof., Politikwissenschaft, Universität Wien
- Erich Wilding, Gemeinderat Spielberg
- Erwin Bartsch, Selbständiger Informationstechnologe, Wien-Währing
- Eva Obemeata, Wiener Armutsnetzwerk
- Franz Sieder, Betriebsseelssorger, Pax Christi, Amstetten
- Fritz Schiller, Betriebsratsvorsitzender, AK-Rat, Bundesarbeitskammer
- Gerhard Kofler, Friedens-Attac
- Gerhard Ruiss, Geschäftsführer IG-Autorinnen Autoren
- Gerlinde Mauerer, Sozialwissenschaftlerin
- Hadwig Soyoye-Rothschädl, Salzburg
- Hanna Lichtenberger, Sozialwissenschaftlerin
- Hans Linsmaier, eh. Arbeiterbetriebsratsvorsitzender, Voestalpine Linz
- Hans Riedler, eh. Leiter der Bischöflichen Arbeitslosenstiftung OÖ
- Harald Wildfellner, Erwachsenenbildner
- Hilde Gramml, Feministische Aktivistin
- Horst Huemer, Arbeitsbetriebsratsvorsitzender, Bosch-Rexroth, Linz
- Irina Vana, Sozialwissenschaftlerin, Univ. Wien
- Ishraga Mustafa Hamid, Menschenrechtsaktivistin und Literatin
- Johann Weiß, Initiative Arbeitslos. Selbstermächtigt, Linz
- Johann Zuljevic-Salamon, Sozialunternehmer
- Jörg Flecker, Univ. Prof., Soziologie, Universität Wien
- Josef Meszlenyi, Gemeinderat Knittelfeld
- Julia Herr, Nationalrats-Abgeordnete
- Karl Reitter, Philosoph
- Katharina Kucharowits, Nationalratsabgeordnete
- Manfred Frcena, Betriebsrat Wien, Hotelbereich
- Maria Schwarz-Wölzl, Sozialwissenschaftlerin
- Martin Gstöttner, Arbeiterbetriebsratsvorsitzender Plasser & Theurer, Linz
- Martina Kronsteiner, Betriebsratsvorsitzende UKH Linz
- Matthias Lauer, Vorsitzender Arbeitsgemeinschaft Christentum und Sozialdemokratie (ACUS)
- Martin Mair, Aktive Arbeitslose, Wien
- Mesud Onay, Gemeinderat Innsbruck
- Nadja Trallori, Sozialwissenschaftlerin
- Norbert Bauer, Betriebsratsvorsitzender Wien, Hotelbereich
- Paul Stich, SJÖ-Vorsitzender
- Regina Amer, Vorsitzende Hope Austria, Wien
- Reinhard Wimmler, Betriebsratsvorsitzender AVL, Graz
- Renate Pacher, Stadträtin Knittelfeld
- Rene Windegger, Gemeinderat Judenburg
- Renee Schindler, pensionierter Jurist des ÖGB
- Robert Laimer, Nationalratsabgeordneter
- Roman Gutsch, Betriebsratsvorsitzender Caritas Socialis, Wien
- Rudi Schober, Gemeinderat Ottensheim
- Rudolf Diensthuber, Sektretär des OGB OÖ-Themenforums Arbeitslosigkeit
- Saskja Schindler, Sozialwissenschaftlerin
- Selma Schacht, AK-Rätin Wien, Betriebsratsvorsitzende Verein Wiener Kinder- und Jugendbetreuung
- Susanne Empacher, Bezirksrätin Wien
- Thomas Erlach, Betriebsratsvorsitzender Exit Sozial, Linz, AK-Rat OÖ
- Thomas Pierer, Gemeinderat Bruck a.d. Mur
- Ulrich Brand, Univ. Prof., Politikwissenschaft, Universität Wien
- Ursula Holtgrewe, Sozialwissenschaftlerin
- Wilfried Leisch, Österr. Solidaritätskomitee/Plattform pro SV, Vors. IG-Flex-Wien der GPA
- Wolfgang Schmidt, AMSEL (Arbeitsloseninitiative Graz)
- Wolfgang Stix, Langenlois