In den KV-Verhandlungen für die rund 50.000 Beschäftigten der Eisenbahnbranche hakt es gewaltig. Entsprechend hat die Gewerkschaft vida gerade Betriebsversammlungen durchgeführt um die Schlagzahl im Kampf für die Arbeits- und Lebensinteressen der EisenbahnerInnen zu erhöhen.
Die Inflation ist auf seit Generationen nicht mehr gekannte Rekordhöhen geklettert. Und die Teuerungswelle – von aktuell sogar 11% – wird noch weiter anziehen und anhalten!
+500 in Hochinflationszeiten
Umso berechtigter auch die Gewerkschaftsforderungen: Eine Erhöhung von 500 Euro brutto im Monat auf die KV- und Ist-Löhne für alle in der Eisenbahnbranche, die Abgeltung der gestiegenen Produktivität sowie die Einführung eines Bruttomindestlohns von 2.000 Euro. Darüber hinaus verlangt die vida die Zulagen um die rollierende Inflation zu erhöhen und die Lehrlingseinkommen um 250 Euro im Monat anzuheben. Und diese +500 Euro sowie ein Mindestlohn von 2.000 Euro ist für die Eisenbahnberufe, in denen der Mindestlohn in vielen Verwendungsgruppen weit darunter liegt und in den untersten auch am Ende der Lohn- und Gehaltstafel nicht erreicht wird, auch dringend von Nöten.
Denn, so die Gewerkschaft vida zu Recht, ein 40-Stunden-Job für 1.356 Euro netto im Nachtzug (was sogar knapp unter Armutsgefährdungsschwelle nach EU SILC liegt) ist angesichts der explodierten Teuerung eindeutig untragbar.
Damit ist auch klar, wie die vida betont, „dass es sich 2022 um keine normale Lohnrunde handelt und wir einen Abschluss brauchen werden, der ein starkes Fundament bildet.“
Hebeln als KV-Lokomotive
Neben der eigenen Branche selbst kommt der KV-Runde der Kollegen und Kolleginnen der Eisenbahn mit ihrer besonderen gewerkschaftlichen Schlagkraft zugleich eine besondere Bedeutung im diesjährigen KV-Herbst mitweichenstellende Lokomotive zu. Mit ihrem hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad und ihrer Position am gesamtwirtschaftlich neuralgischen Punkt des Verkehrsbereichs, haben sie auch die Hebel dazu in der Hand. Wenn sie die aktuellen Auseinandersetzungen – anders als in den Eisenbahnerstreiks 2003 und 2018 – in aller Entschlossenheit und Konsequenz aufnehmen und bis zum erreichbaren Erfolg forcieren!
Schon die regional gestaffelten Betriebsversammlungen von Vorarlberg und Tirol über Kärnten, die Steiermark, Salzburg und Oberösterreich bis in die Ostregion Wien, Niederösterreich und das Burgenland deuten das Kampfpotential an. Diese orientieren sich sichtlich am wirkmächtigen Kampfmittel sogenannter rollender Arbeitsniederlegungen, in denen die Arbeit zwar jeweils nur in Teilbereichen eingestellt wird, aber kombiniert und aufeinander abgestimmt entweder den Gesamtablauf empfindlich stören oder systematische Nadelstiche setzen. Alleine in der Ostregion legten die Betriebsversammlungen am Montag rund 10% der Züge lahm. Hätte die Gewerkschaft ihre Betriebsversammlungen in die Berufsverkehrszeit gelegt, anstatt in die Mittagsstunden zwischen 13.00 und 14.30 Uhr (bzw. 11.00 Uhr), würde die potenzielle Schlagkraft rollender Streiks im Verkehrsbereich nochmals multipliziert sichtbar.
Schienenverkehr wird von Menschen gemacht
Überdies ist es schlicht unabdingbar, dass die dringend gebotene Verlagerung des Güter- und Personenverkehrs auf die Schiene mit entsprechenden Lohneinkommen und Arbeitsbedingungen einhergeht und dem Personalnotstand und teilweise überbordend hohen Fluktuationen bei der Bahn entgegengesteuert wird. Denn eine sozial-ökologische Verkehrswende bedingt unauflöslich mit dieser zugleich umfassende Attraktivierungen für die Beschäftigten, sprich:
>> kräftige Erhöhung der Löhne und Gehälter und
>> erhebliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen, die enorm gewachsenen Belastungen abzubauen und die immer weitere Arbeitsverdichtung wieder zu reduzieren, sowie
>> eine Ausbildungs- und Einstellungsoffensive in die Wege zu leiten und das Personal in jeder Hinsicht aufzustocken.
Zumal, was unumstritten ist, der Generationenübergang bei den Beschäftigten in den Eisenbahnunternehmen eine aktuell große Herausforderung stellt und jährlich nach 3.000 neuen MitarbeiterInnen gesucht wird.
Denn, um den gesamten Tätigkeitsbereich Bahn auch mal zu umreißen: Mechatronikerinnen und Schlosser halten Fahrzeuge instand. Lokführerinnen und Lokführer sowie Fahrerinnen und Faherer sind bis spät in die Nacht und am frühen Morgen für uns unterwegs, auch samstags und sonntags. Ingenieurinnen und Ingenieure zeichnen für die Sicherheit von Brücken, Tunneln, Schienen und Oberleitungen verantwortlich. Verwaltungskräfte nehmen Beschwerden entgegen, Reinigungskräfte säubern die Fahrzeuge und Bahnhöfe und kümmern sich im Winter um die Beseitigung von Schnee und Eis. Natürlich nicht zu vergessen die Schaffner und Schaffnerinnen, der Fernverkehr mit Übernachtungen an den Zielbahnhöfen der Strecken oder im Ausland, Ticketverkauf und Beratungen an den Bahnhofsschaltern, die Beschäftigten im Verschub und HandwerkerInnen usw. Der klimaschonende Schienenverkehr wird von Menschen gemacht. Die hier und dort bisweilen teilweise outgesourcten Tätigkeiten wiederum, gilt es wieder einzugliedern.
KlimaBahn zur ökologischen Verkehrswende
Dazu kommt: ohne rigorosen Ausbau des öffentlichen Verkehrs in der Fläche, eines breiten umgebungsnahen Zugangs samt Anbindungen an die Bahnhöfe (mittels entsprechender Parkplätze und/oder öffentlicher Shuttledienste), und einem massiven Gegensteuern gegen die bereits jetzt bis zum Bersten ausgelasteten bzw. vielfach bereits überlasteten Hauptachsen zu den Haupt-Pendelzeiten, samt der dafür notwendigen Zuggarnituren entsprechenden Komforts, wird eine ökologische Verkehrswende des Personenverkehrs schlicht nicht zu haben sein. Klimaticket hin oder her. Und das bedarf nicht nur der nötigen Investitionen in die Infrastruktur, sondern ebenso des dafür notwendigen Personals und entsprechend attraktiven Arbeitsplätzen für die Beschäftigten.
Dasselbe gilt nicht minder ebenso für die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene. Auch hierfür kann es nicht bloß bei einer geänderten Gleisanschlusspolitik und einem Ausbau des Schienennetzes (inkl. Überhol- und Ausweichgleisen) sowie einer innovativen Güterwagenflotte sein Bewenden haben, sondern bedarf es – neben dem Ganzzugverkehr und dem Kombinierten Verkehr – auch etwa einer Renaissance des sog. Einzelwagenverkehrs, samt der für diese Verlagerungen notwendigen Umschlagterminals und Logistikzentren. Und auch diese erfordern das nötige Personal – vom Rangierpersonal, über Lokführer und Lokführerinnen bis zu IT-Technikern und –Technikerinnen der Bahn 4.0 – mit entsprechenden Löhnen und Arbeitsbedingungen.
Die Arbeitergeber, die die KV-Runde bislang mit unernsten „Angeboten“ verschleppten, boten vor dem Hintergrund der über 100 Betriebsversammlungen für diesen Donnerstag eine neue Verhandlungsrunde an. Umso nachdrücklicher gilt denn auch: Keine faulen Kompromisse – Keine faulen Deals! Wir alle brauchen die Bahn und einen zeitgemäßen öffentlichen sowie klimafreundlichen Personen- und Güter-Verkehr. Es ist höchste Eisenbahn die Weichen auf Vorfahrt für die Beschäftigten zu stellen bevor der Zug für die Werktätigen abgefahren ist!