Exakte 25 Jahre nach dem Kyoto-Protokoll (1997) und 7 Jahre nach der Pariser Klimakonferenz steigen die Emissionen unvermindert an und überschreiten wir in Riesenschritten das 1,5°-Ziel, das nach neuen Studien womöglich noch nicht ausreicht um das Kippen des Klimasystems zu verhindern. Begleitend sind die entwickelten industrialisierten Länder und Hauptverursacher des Klimawandels ihrer Verpflichtung für den 2010 auf der COP 16 in Cancún beschlossenen Klimaschutzfonds von jährlich 100 Mrd. Dollar ab 2020 bis heute nicht nachgekommen. Bisher wurden insgesamt erst 83 Mrd. bereitgestellt. Und auch diese beinhalten bereits eine Reihe trickreicher Umwidmungen von alten Entwicklungshilfegeldern. Demgegenüber wendeten die NATO-Staaten zuletzt allein 2 Billionen Dollar (56% der weltweiten Militärausgaben) für ihre Militärs auf. Das 20-Fache des säumigen Klimaschutzfonds für Projekte der Ökologisierung der Energiesysteme, Minderung der Treibhausgasemissionen und Anpassung an die Klimakrise der armen und peripheren Länder.Das Zustandekommen eines auf der COP 27 in Scharm El-Scheikh zudem erstmals offiziell auf der Agenda stehenden Fonds für klimabedingte „Verluste und Schäden“ scheint aufgrund der Blockadehaltung des Metropolenkapitalismus überhaupt außer Reichweite. Und last but not least entziehen die Militärausgaben, der neue Rüstungswettbewerb und die neuen Militärprogramme dem Klimaschutz nicht nur weitere dringend benötigte finanzielle Mittel zur Bewahrung des Globus vor dem vollständigen Kippen, sondern bleibt das Militär als einer der schlimmsten Klimakiller weiter aus den Umwelt- und Klimaabkommen ausgeklammert. Was Wunder, dass Anteil und Zusammenhang von Rüstung, Militär und Krieg am Klimaumbruch in der Öffentlichkeit seit je fast unbeachtet sind und auch in den Debatten viel zu wenig berücksichtigt werden.
Klimaschulden, Deckung klimabedingter „Verluste und Schäden“, und die finanziellen Dimensionen dem Kippen des Weltklimas entgegenzusteuern
Um den erforderlichen klimapolitischen Umbau der Industrie und Landwirtschaft in den peripheren Ländern zu bewerkstelligen, geht es aber um nochmals ganz andere Dimensionen als den bis heute nicht ausdotierten Klimaschutzfonds von Cancún. Hierzu sind etwa laut Studien der UNCTAD (UN-Welthandels- und Entwicklungskonferenz) alleine bis 2030 entsprechende jährliche Investitionen in einer Größenordnung von 2 bis 2,7 Billionen Dollar nötig – die freilich nur in internationaler Kooperation, Technologietransfers, Mittelaufbringung und Schuldenerlässen etc. gestemmt werden können.
Bezieht man zudem die höchst ungleiche Verantwortung für den Klimawandel sowie die regional unterschiedlichen sozial-ökologischen Betroffenheiten und Konsequenzen an Verlusten, Verheerungen und Schäden mit hinzu, wird darüber hinaus auch die hierin noch gar nicht mitveranschlagte, zu verantwortende ökologische Schuld des westlichen Metropolenkapitalismus in ihrer ganzen Dimension deutlich, die in Scharm El-Scheikh nun erstmals zur Verhandlung steht. Das politische Konzept der Klimaschulden beinhaltet neben den Verpflichtungen zur rigorosen Emissionsreduktion der hochindustrialisierten Länder und eines Ausgleichs der Anpassungsmaßnahmen in den armen Ländern, denn auch eine Deckung der von den Klimakillern verursachten und hervorgerufenen „Verluste und Schäden“ und transparent nachvollziehbare „Reparationszahlungen“. Mit Sonntagsreden, punktuellen Katastrophenhilfen und freiwilligen Selbstverpflichtungen kann es beiweilen nicht sein Bewenden haben.
Demgegenüber wurden vom „Kollektiven Westen“ allerdings vielmehr eine neue Hochrüstungsspirale und regelrechte Dammbrüche einer weiteren Militarisierung in Gang gesetzt. Die USA schraubten ihren Rüstungsetat gerade auf eine neue Rekordhöhe, Deutschland stockt seine Aufrüstung in bisher beispiellosem Umfang auf und bringt darüber hinaus zudem ein sogenanntes (Militarisierungs-)„Sondervermögen“ von 100 Mrd. Euro auf den Weg. Japan hat gerade die seit einem Kabinettsbeschluss 1976 geltende stille Parteien-Übereinkunft, nicht mehr als 1% des BIP für Militär und Rüstung auszugeben, aufgekündigt. Und auch Österreich packt die Gelegenheit der schon lange parteiübergreifend akkordierten Aufstockung des Heeresbudgets beim Schopf und steht vor einer rigorosen Erhöhung der Ausgaben für das Bundesheer.
Das US-Militär als global größte institutionelle Emissionsschleuder und die klimapolitische Ausklammerung der militärischen Emissionen
Zudem zählen die Armeen schon gegenwärtig zu den größten institutionellen Emittenten von Treibhausgasen und Verbrauchern von Energie und Ressourcen. Um sich der Dimensionen anzunähern: Ein Eurofighter verbraucht ca. 70 – 100 Liter Kerosin in der Minute. Die US-Luftwaffe, Panzerverbände, Transporter und Seestreitmacht sind überhabt der weltweit größte Einzelverbraucher von aus Erdöl hergestellten Treibstoffen (und betreibt darüber hinaus zudem unzählige Kernreaktoren für seine Flugzeugträger und U-Boote) – wie eine 2019 kurzzeitig Schlagzeilen machende Studie von Neta Crawford von der Boston University mit Nachdruck aufzeigte. Das US-Militär als Ganzes wiederum emittiert überhauptdeutlich mehr CO2 als viele industrielle Länder wie Schweden oder die Schweiz.
Ja, wie Markus Gelau in „US-Militär: Der größte Umweltverschmutzer der Welt“ nachzeichnet: „Die gigantische Kriegsmaschinerie ist der weltweit größte Verbraucher von Erdölprodukten. Offiziell werden auf den weltweit 7.000 Militärbasen [das beziffert über die rund 750 der USA rund um den Erdball hinaus sämtliche der Welt, Anm.], täglich 320.000 Barrel (bbl) Öl verbraucht (1 bbl = ca. 159 Liter). Sie verursachen die meisten sogenannten Treibhausgasemissionen und schleudern Tag für Tag megatonnenweise giftige Schadstoffe in die Umwelt. Doch das Pentagon ist von sämtlichen (…) Klima- und Umweltabkommen ausgenommen.“ Denn das US-Militär und ihre NATO-Lobby haben durchgesetzt, dass ihre militärischen Emissionen und Klimaverheerungen in den Berichten an die UNO nicht mitberücksichtigt werden und auch aus dem Pariser Klimaschutzabkommen ausgeklammert bleiben, da deren Ausweis die weltweiten „amerikanischen Militäroperationen … behindern“ würde und Informationen über die globalen militärischen Kapazitäten der U.S. Army preisgeben würden, wie es seitens des Pentagons hieß und heißt. Entsprechend „verabschiedete (…) der US-Kongress (…) 1998 [auch] ein Gesetz, das sämtliche US-Militäroperationen weltweit von den Bestimmungen des Kyoto-Protokolls freistellte.“
KlimaforscherInnen, zuletzt wieder einer ForscherInnengruppe in „Nature“, und UmweltaktivistInnen kritisieren denn auch schon lange diese militärische „Blackbox“, auf deren Konto Schätzungen zufolge bis zu 5% aller weltweiten Emissionen gehen. „So steht zwar fest“, monierte selbst DerStandard jüngst, „dass das US-amerikanische Verteidigungsministerium mehr fossile Brennstoffe verbraucht als jede andere Institution der Welt“, genaue Zahlen indes sind nur kompliziert zu ermitteln. Und dies, obwohl dem Vernehmen nach selbst Nancy Pelosi auf der vorjährigen COP 26 der Aussage zugestimmt hat, dass das US-Militär ein „größerer Umweltverschmutzer als 140 Länder zusammen“ sei. Die EU beantwortete eine Anfrage aus dem EU-Parlament zum CO2-Fußabdruck des EU-Militärs 2019 (also bereits exklusive Großbritannien, dessen Armee ebenfalls allein den Ausstoß vieler industrialisierter Länder aufweist) mit 24,8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Das entspricht ins Anschaulichere umgerechnet etwa den jährlichen Emissionen von rund 14 Millionen Autos.
In eine „nachhaltige“ Zukunft mit Umstieg von Verbrennungs-Panzern auf E-Panzer und Bomben mit Biogütesiegel ?
Immerhin, so ist man geneigt zynisch zu erwähnen, ‚verpflichtete‘ sich die U.S. Army im Februar erstmals auf eine militärische Klimastrategie bis 2050 – ähnlich die britischen Streitkräfte. So die Seltenen Erden und Metalle dafür ausreichen – was bezweifelt werden darf –, werden wir dann wohl als nächstes dem Aus des Verbrennungs-Panzers und den Umstieg auf E-Panzer, mit Bio-Kerosin aus grünem Wasserstoff betriebenen Kampfjets, mit Biogütesiegel versehenen Bomben aus nachwachsenden Rohstoffen und mit der Atom-Renaissance nicht unwahrscheinlich auch „moderne“ „Mini-Nukes“, eine faktisch neue Generation von Atombomben um Kernwaffenkriege „regional begrenz- und führbar“ zu machen, beklatschen dürfen.
In all dem noch gar nicht einbezogen sind dabei die Kriegsfolgen, die neben Toten, Flucht, humanitären Katastrophen und Zerstörung, auch immer ein ökologisches Desaster beinhalten – von freigesetzten Chemikalien und Giften in der Atmosphäre, über die Verseuchung und Verstrahlung der Böden, des Grundwassers bis in die Nahrungsmittelketten u.v.m. Selbst die Waffentests und Großmanöver in Richtung eines neuen großen heißen Kriegs sind darin nur unvollständig erfasst.
Und dass selbst nukleare Infernos nach wie vor als „ökologische und humane Kollateralschäden“ im militärischen Kalkül geblieben sind, verdeutlicht die „Theorie des lokalen Atomkriegs“ als fester Bestandteil der US- und NATO-Kernwaffenstrategie. Dabei, wie Klaus Eichner jüngst zurecht bemerkte: „Alle bisherigen (theoretischen) Bemühungen, mit einem sogenannten Enthauptungsschlag den vernichtenden Gegenschlag zu verhindern, erwiesen sich als illusionär. Tschernobyl 1986 hat nachdrücklich vor Augen geführt, welche globalen Folgen allein ein nuklearer Unfall nach sich zieht. Desgleichen die Katastrophe in Fukushima 2011 …“, und ergänzt: „Insofern erschreckt es schon, wie leichtfertig Kriegstrommler heute über den Einsatz von Atomwaffen schwadronieren. Dies erinnert sehr an die Einfalt von Konrad Adenauer.“ Dabei entwich in Tschernobyl „nur“ ein relativ kleiner Teil des nuklearen Materials in die Atmosphäre. „Wenn das komplette nukleare Material eines Reaktors die Biosphäre belastet“, so daher Bernhard Trautvetter, „dann sind weit größere Regionen Europas und der angrenzenden Erdteile erfasst – und das mit deutlich gesteigerter toxischer und tödlicher Wirkung.“
Allerdings, nicht unwahrscheinlich, dass das Resümee aus Scharm El-Scheikh – einmal mit Greta Thunberg gesprochen – abermals in einem (freilich „regelbasierten“) ermüdenden „Bla, bla, bla“ der StaatenlenkerInnen des metropolitan-kapitalistischen „Wertewestens“ liegen wird.