Vor 50 Jahren, am 4. Juni 1972, erlitt die US-Rassen- und Klassenjustiz im Komplott gegen Angela Davis ihre bisher größte Niederlage. An ihr sollte mittels des „Falls Davis“, in den USA auch als „Strafverfahren des Jahrhunderts“ angekündigt, ein Exempel statuiert und die kommunistische ArbeiterInnenbewegung sowie schwarze Befreiungsbewegung in den USA eingeschüchtert und paralysiert werden.
Aus diesem Anlass veröffentlichen wir, mit nur geringfügigen Ergänzungen, den ausführlichen Beitrag zu diesem historischen Triumph, den wir ihr schon zu ihrem Geburtstag im 50. Jubiläumsjahr widmeten.
Vermittels des Vorwurfs der „Unterstützung des Terrorismus“ zogen politische Kreise, das FBI und die amerikanische Justiz gegen die „schwarze Rote“ und den von ihr repräsentierten Kampf mit aller Brachialität bis hin zu einer mit antikommunistisch-rassistischen Nadeln gestrickten Intrige zu Felde, entfesselten eine Hexenjagd und steckte sie in die Todeskammer eines Kalifornischen Gefängnisses, um sie anschließend in die Gaskammer von San Quentin zu schicken. Die Dinge nahmen eine andere Wendung. Am 4. Juni 1972 wurde Davis in allen Anklagepunkten freigesprochen.
Angela Davis – ob des Komplotts gegen sie, 26jährig (bzw. im Prozessjahr 28) beinahe auf dem elektrischen Stuhl oder in einer Gaskammer eines Kalifornischen Gefängnis gelandet –, wurde am 26. Jänner 1944 in eine schwarzen Mittelklasse-Familie in Birmingham, Alabama, geboren. Birmingham, von seinen farbigen Bürgern damals „Bombingham“ genannt, war nicht „nur“ eine ausgewiesene Rassistenhochburg, sondern galt überhaupt als die rassistischste Stadt des amerikanischen Südens.
Birmingham, der Ku-Klux-Klan und die brennenden Kreuze des Südens der USA
Brennende Ku-Klux-Klan-Kreuze in den schwarzen Vororten, Lynchmorde und rassistische Bombenanschläge, gesellschaftlicher sowie behördlicher Rassismus und Unterdrückung kennzeichneten das politische Klima ihrer Geburtsstadt und prägten die Erfahrungen der jungen Schülerin. Davis wuchs, als Tochter einer Lehrerfamilie (ihr Vater gab später allerdings seinen Lehrerberuf auf und pachtete eine Tankstelle) materiell abgesichert, aber alles andere denn sorglos oder unbeschwert auf. Die Familie wohnte inmitten des als „Dynamite Hill“ bezeichneten Viertels, in dem es seit Anfang der 1960er Jahre zu über 40 Sprengstoffanschlägen auf Wohnungen und Autos von BürgerrechtskämpferInnen kam. Allein zwischen 1957 und 1963 loderten in den schwarzen Vororten der Stadt zudem 50 Ku-Klux-Klan-Kreuze. Rassistische Aktionen, Attentate und Lynchmorde waren in Birmingham beinahe an der Tagesordnung. In späteren Jahren kam Angela mit ihrer Mutter und ihrer jüngeren Schwester Fania in einem bedrückenden Interview darauf zu sprechen. Sie notierte zu dieser Atmosphäre der ständigen Angst aber auch schon zuvor: „Jede Nacht höre ich wie Weiße Sprengsätze verteilen. Wir werden wohl die Nächsten sein.“
Rassentrennung und Diskriminierung als „American Way of Life“
Für Farbige in den USA war es zugleich eine besonders einprägsame Zeit. Abertausende Freiwillige die in Übersee gegen den Faschismus und dessen Rassismus wie Barbarismus kämpften, fanden sich nach ihrer Rückkehr in die USA, insbesondere in den Südstaaten, in einer zuhause unveränderten Gesellschaft der Rassentrennung und Diskriminierung als „American Way of Life“ wieder. Und das nicht zuletzt ebenso auch unter einer politischen Figur wie dem rechten ‚Demokraten‘ George Wallace, viermaliger Gouverneur von Alabama und strikter Verfechter der Rassentrennungspolitik. Für Gestalten wie ihn war Rosa Parks‘ historisches Beharren auf ihren Bussitzplatz 1955 ein Affront und der fast einjährige Boykott der gesamten öffentlichen Verkehrsmittel nach ihrer Verurteilung durch die schwarze Bevölkerung bis Herbst 1956 eine regelrechte Subversion. Oder wie er zu seiner Amtseinführung sagte: „Rassentrennung heute, Rassentrennung morgen und Rassentrennung für immer!“
Bull Connor – Rassist in Polizeiuniform – von der Zusammenschlagung der „Freedom Rides“ 1961, über den Mai 1963 in Alabama, zum Bombenanschlag auf die 16th Street Baptist Church in Birmingham 1963
Polizeichef von Birmingham, Bull Connor, war seinerzeit US-weit für seine strikte Durchsetzung der Rassentrennung, Verweigerung der Bürgerrechte von Farbigen und sein brutales Vorgehen gegen die Bürgerrechtsbewegung in den frühen 1960er Jahren bekannt. Parallel deckte er nach Kräften den Ku-Klux-Klan und ließ ihm frei Hand bei seinen rassistischen Aktionen bzw. unterstützte diesen in seinen Aktionen immer wieder direkt. 1961 etwa verhinderte bzw. unterband er das Eingreifen der Polizei, als Klan-Mitglieder an einer Bushaltestelle in Birmingham mit Metallstangen und Baseballschlägern Bürgerrechtler im Rahmen deren „Freedom Rides“ (Freiheits-Fahrt-Kampagne) gegen Rassentrennung in Bussen zusammenschlugen. Die gemeinsame Fahrt von schwarzen und weißen BürgerrechtsaktivistInnen durch das Land und die steten Angriffe des rassistischen Mobs auf sie waren allbekannt. Die Bürgerrechtler wurden im Zuge ihrer Fahrt an beinahe sämtlichen Haltestellen angegriffen, mit Lynchjustiz nach Klan-Art bedroht, die Busse mit Benzinbomben beworfen. In der ersten Mai-Woche 1963 wiederum, ließ er in „seiner“ Stadt vorübergehend auch Martin Luther King inhaftieren, der die gewaltlosen Aktionen gegen die Rassendiskriminierung anführte. Dem nicht genug, ließ Bull Connor in jenen Tagen zudem zwischen 2.600 und 3.000 schwarze Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 18 Jahren verhaften (darunter mehrere hundert 6 – 9jährige SchülerInnen), die friedlich gegen die Rassentrennung demonstrierten. Seine weiße Polizeitruppe hetzte dabei auch Kampf- und Schäferhunde auf die Kinder und Jugendlichen los. Wasserwerfer, Hundestaffeln und Bereitschaftstruppen gegen Kinder, die anschließend zu tausenden in die völlig überfüllten Gefängnisse der Stadt verfrachtet wurden – diese Szenen und Bilder lösten auch im bürgerlichen Amerika eine Welle der Empörung bis hin zur Stockstarre aus. Auf CBS kommentierte eine Reportage zur Hauptsendezeit die Ereignisse in den Worten: „Das sind Szenen wie aus Nazi-Deutschland. Kleine Mädchen in Schuluniform werden mit Wasserkanonen in Schaufenster und gegen Häuserwände gepresst, Schäferhunde verbeißen sich in die Arme und Beine von Zehnjährigen. Dies ist die Schande Amerikas.“ Selbst in Washington rumorte es. In Birmingham hingegen zogen gleichsam ‚jetzt erst recht‘ über 1.000 Mitglieder des Ku-Klux-Klan, unbehelligt von Connors Polizei, in ihren weißen Kutten durch die Straßen der Stadt, kündigten offen Lynchmorde an und warfen in der gleichen Nacht erneut Brandbomben gegen die Häuser von BürgerrechtlerInnen und Linken. Was Wunder, dass Connor selbst bereits 1954 zudem auch im Mittelpunkt einer Stadtverordnung in Birmingham stand, die den „Kommunismus“ verbot.
Am 15. September 1963 wiederum, einem Sonntagmorgen, erschütterte der Bombenanschlag auf die Baptistenkirche in Birmingham, die zugleich als Zentrum der Bürgerrechtsbewegung diente, die Stadt. Die schreckliche Bluttat zerfetzte 4 junge Mädchen im Alter zwischen 11 und 14 Jahren aus dem Freundes- und Bekanntenkreis Angela Davis‘ auf der Stelle. 22 weiteren Kinder aus der afroamerikanischen Gemeinde wurde teils schwer verletzt. Wie viele andere der Stadt kannte Angela die Kinder und ihre Familien persönlich. Auf den danach ausgebrochenen Protestdemonstrationen der schwarzen Bevölkerung Birminghams erschoss die Polizei einen 16jährigen Protestierenden, mehr als 20 weitere Bürgerrechtler wurden durch Polizeikugeln zum Teil lebensgefährlich verletzt. Abseits des unmittelbaren Geschehens erschossen am selben Tag zwei weiße Teenager zudem noch einen 13jährigen jungen Schwarzen auf seinem Fahrrad. Das Bombenattentat blieb jahrelang unaufgeklärt. Bull Connor verstieg sich sogar öffentlich zur Erklärung: „Schuld am Tod der Kinder ist das Bundesgericht mit seiner Entscheidung zur Rassenintegration. Natürlich wird weiter Blut fließen, aber das ist nicht unsere, sondern deren Schuld.“ Ja, er setzte an Perfidität kaum mehr zu überbieten noch drauf: es sei im Übrigen auch nicht auszuschließen, dass „Martin Luther Kings Freunde die Bombe selbst gelegt haben, um die weißen Bürger Birminghams zu diskreditieren.“ Erst als der neugewählte Generalstaatsanwalt von Mississippi, Bill Baxley, die Untersuchung Mitte der 1970er Jahre wieder aufnahm, kamen die Wahrheit sowie das ganze Ausmaß des Geschehens zu Tage. Die Bluttat war ein gezielter Bombenanschlag des Ku-Klux-Klans. Und das FBI hatte auf Anweisung seines berühmt-berüchtigten Langzeitchefs an der Spitze des Bureaus, J. EdgarHoover, der Anklagebehörde seit 1963 das gesamte Beweis- und Belastungsmaterial vorenthalten. Robert Chambliss, der als Hauptverdächtiger des Anschlags zunächst lediglich zu einer Geldstrafe von 100 Dollar und sechs Monaten auf Bewährung wegen illegalen Dynamitbesitzes verurteilt, aber von einer weißen Jury von der Mordanklage freigesprochen wurde, wurde darum erst im Herbst 1978 zur Rechenschaft für den Mordanschlag gezogen. Zwei weitere beteiligte Klan-Mitglieder wurden erst nach 4 Jahrzehnten, nachdem das FBI seine Archive zum Bombenanschlag von Birmingham öffnete und der Staatsanwaltschaft übergab, angeklagt und verurteilt. Der vierte Hauptverdächtige des Anschlags, sowie der Bombenbauer, verstarben bereits vor Übergabe der entscheidenden Unterlagen durch das FBI an die Staatsanwaltschaft ohne je angeklagt worden zu sein.
Angela Davis – eine hochbegabte Studentin auf dem Entwicklungsweg zur Marxistin
Diese einschlägigen Erlebnisse und Erfahrungen führten auch die Schülerin Angela Davis bald in die Reihen der erwachten und sich immer stärker konstituierenden schwarzen Bürgerrechtsbewegung, wenngleich sie aufgrund ihrer Begabung als 15-jährige auf Empfehlung ihrer Schule ein Stipendium für die als progressiv bekannte private Elisabeth Irwin High School in New York bekam und fortan in der Metropole an der Ostküste lebte. Wie schon in sporadischen Ansätzen in ihrem Elternhaus, kam sie auch in der High School mit sozialistischen Ideen und dem Marxismus in Kontakt und schloss sich dem kommunistischen Zirkel Advance ihrer Schule an. 1962, zwischenzeitlich bereits Stipendiatin der Brandeis University (Massachusetts) – wo sie erstmals auch Herbert Marcuse begegnete –, nahm sie an den Weltfestspielen der Jugend und StudentInnen des WBDJ in Helsinki teil. Von diesen in die USA zurückgekehrt, wurde sie vom FBI eingehend verhört.
Stationen in Paris und Frankfurt am Main – der algerische Befreiungskampf und die Bewegung gegen den Vietnamkrieg
In der Folgezeit verlor Angela, die sich vorübergehend vor allem auf ihr Philosophie- und Französischstudium konzentrierte, das sie 1962 für ein Jahr an der Pariser Sorbonne fortsetzte, den ständigen Kontakt zur fortschrittlichen, linken und kommunistischen Bewegung in den USA etwas. Dafür lernte sie in Paris algerische StudentInnen und deren Freiheitskampf gegen Frankreich näher kennen. Auf Empfehlung von Marcuse ging sie nach Studienabschluss 1965 zu Ergänzungsstudien für ein Jahr an die Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main – wozu sie auch Deutsch paukte und unter anderem Vorlesungen bei Adorno, Horkheimer und Negt belegte. Politisch engagierte sie sich in Frankfurt wiederum im bzw. im Umkreis des linken, von Rudi Dutschke geführten, aber auch über einen authentisch marxistisch orientierten Flügel verfügenden, SDS (Sozialistischen Deutschen Studentenbund) und nahm insbesondere an den Protestaktionen gegen den Vietnamkrieg teil. 1967 kehrte die damals noch junge Philosophin wieder in die USA zurück und dissertierte bei Herbert Marcuse an der Brandeis University.
Beitritt zur KP der USA
Die afroamerikanische Bürgerrechts- und Befreiungsbewegung hatte in den USA in der Zwischenzeit einen beispiellosen, aber politisch auch breit gefächerten, Aufschwung genommen. Und nicht jeder Radikalismus, der sich seinerzeit teils auch explosiv entlud, fußte auf wirklich umwälzenden Ideen. Angela Davis, in ihrem Werdegang zur Kommunistin begleitend noch stark von den Ideen der damaligen „Neuen Linken“ beeinflusst, machte sich zunächst gründlich mit der Black Power Bewegung vertraut und studierte erneut intensiv die Werke der KlassikerInnen des Marxismus-Leninismus, um sich tieferschürfender zu orientieren und in ihrer beharrlichen Suche als Revolutionärin den richtigen Weg einzuschlagen. Nach gründlichen Erwägungen und reiflicher Überlegung und Austausch mit der großen afroamerikanischen Kommunistin Charlene Mitchell, die im selben Jahr für die KP der USA zu den Präsidentschaftswahlen kandidierte, trat sie im Sommer 1968 schließlich aus tiefer Grundüberzeugung der Kommunistischen Partei der USA (CPUSA) bei.
Reagans Hexenjagd auf die kommunistische Philosophiedozentin
Den Sommer drauf erhielt sie 1969 ein Assistenzprofessur an der Universität von Los Angeles (University of California – Los Angeles; UCLA) zu Themenkomplexen der klassisch deutschen Philosophie. Der in die KP eingeschleuste FBI-Undercoveragent William Divale outete sie daraufhin als Mitglied der CPUSA. Der reaktionäre Zeitungs- und Industriemagnat Randolph Hearst denunzierte sie dann in seinen Gazetten auch öffentlich beim Namen nennend und unterstellte ihr als Mitglied der KP „terroristische Ambitionen“. Auf Betreiben des damaligen Gouverneurs von Kalifornien (und späteren US-Präsidenten) Ronald Reagan blies der von ihm eingesetzte Verwaltungsrat der Universität daraufhin zur Hexenjagd. Angela Davis wurde aufgrund ihrer KP-Mitgliedschaft entlassen und sollte für immer von der Hochschule verbannt werden. Standfest wie sie war, machte sie aus ihrer politischen Überzeugung auch keinen Hehl. Im Zuge des Verfahrens zur Stellungnahme gegenüber dem Rektorat aufgefordert, entgegnete sie vielmehr ebenso mutig wie in prinzipieller Absicht: „Ich habe meine Mitgliedschaft in der KP der USA vor Ihnen nicht zu rechtfertigen“. Ja, noch entschiedener und grundsätzlicher antwortete sie dem Verwaltungsrat: „Ja, ich bin Kommunistin und ich werde mich nicht hinter dem 5. Zusatz zur Verfassung verstecken, denn meine politischen Überzeugungen kriminalisieren nicht mich, sondern die Nixons, Agnews und Reagans.“ Die Entlassung der jungen Dozentin in übelster McCarthy-Tradition löste allerdings einen Proteststurm aus – auch unter den ProfessorInnen der Fakultät und Uni sowie unter KollegInnen anderer Hochschulen, der StudentInnen und breiten gesellschaftlichen Kreisen. Angela Davis legte beim zuständigen Bezirksgericht umgehend Einspruch ein um eine Annullierung ihrer Entlassung und ihre Wiedereinstellung zu erwirken. Der Dekan der philosophischen Fakultät, Prof. Donald Kalish, ein mutiger Demokrat, übertrug Davis daraufhin ohne jedes Zaudern eine außerplanmäßige Vorlesungsreihe, da er in Anbetracht des anhängigen Verfahrens die Suspendierung von der Universität als zunächst einmal ausgesetzt betrachtete. Anstatt der lediglich für die Vorlesungsreihe angemeldeten StudentInnen erschienen zu ihrer Antrittsvorlesung im Oktober 1969 rund 2.000 StudentInnen und HochschullehrerInnen und bereiteten ihr minutenlange Ovationen.
Ein Leben im Ausnahmezustand – aber „großartig auf jedem Gebiet“
Diese Niederlage auf universitären Boden und Wendung der Dinge versetzte die Mächtigen in Kalifornien und den ganzen USA erst recht in Rage. Entgegen dem Ansinnen, sie zum Schweigen zu bringen, wurde Angela vielmehr zum leuchtenden Beispiel einer jungen, selbstbewussten schwarzen Frau und stolzen Kommunistin, und damit Symbol der Redefreiheit und Inspiration vieler BürgerrechtlerInnen, Linken und RevolutionärInnen. Dies konnte in den Augen Reagans und seiner Mitverschwörer nicht länger geduldet werden. Die Verleumdungs- und Einschüchterungskampagne wurde in nochmals neuer Qualität entfesselt und hinter verschlossenen Türen an einem Komplott gearbeitet. Die Universität Los Angeles wurde vor diesem Hintergrund von Hass- und Drohanrufen gegen die „rote Niggerin“ und den täglichen Hass- und Drohbriefen regelrecht überschwemmt, so dass sich die Fakultät zur Durchsicht der Drohpost gezwungen sah, zur Bewältigung dieser Aufgabe eine eigene Angestellte hierfür aufzunehmen. Davis‘ Vorlesung zu philosophischen Themenkomplexen in der Schwarzen Literatur hatten zeitgleich die meisten ZuhörerInnen in der Geschichte der Universität Los Angeles, aber auch etwa ihre Philosophievorlesung zur materialistischen Dialektik erreichten ein Riesenpublikum. Der Lehrkörper wiederum bescheinigte ihr „unanfechtbare akademische Qualitäten“. Und Dekan Donald Kalish urteilte über ihre Vorlesungen fast bewundernd: „Angela Davis war großartig auf jedem Gebiet. Sie war gut vorbereitet, offen für alle Fragen, zugänglich für andere Meinungen und sehr klar in ihrem Ausdruck.“ Ihre StudentInnen beurteilten ihre Lehrtätigkeit in einer Umfrage als „exzellent“. Aufgrund der wiederholt angekündigten Bombenanschläge auf Angela Davis stand sie auf der Universität unter Sicherheitsschutz, wurden die Sicherheitskräfte der UCLA in Alarmbereitschaft versetzt und untersuchte die auf dem Universitätsgelände stationierte Polizei ihr Auto regelmäßig auf Plastikbomben ab. Zugleich beauftragte der Che-Lumumba Club, eine nur aus AfroamerikanerInnen bestehende Uni-Zelle der KP in Los Angeles deren Mitglied sie war, einige seiner Mitglieder, die akut gefährdete Genossin permanent zu begleiten und für ihre Sicherheit zu sorgen. Und Davis nahm auch in dieser Zeit weiterhin aktiv am politischen Kampf ihrer Partei und der Bürgerrechtsbewegung teil.
Der Intrigen-Hebel „Soledad Brothers“
Währenddessen trieben die Herrschenden ihren Rachefeldzug weiter voran. Basierend auf dem COINTELPRO-Programm des FBI, das im geheimdienstlichen Krieg der Behörde gegen die US-amerikanische Bürgerrechtsbewegung und unliebsame politische Gegner, insbesondere kommunistische, seit 1956 die Schritte „Behinderung, Diskreditierung und Zerstörung“ umfasste. Eingehakt wurde dabei an Angelas‘ Engagement für die drei schwarzen, bald als „Soledad Brothers“ bekannten, Gefangenen George Jackson (der wegen eines Bagatelldelikts bereits über 10 Jahre einsaß), Fleeta Drumgo und John Clutchette – gegen die im Februar 1970 ein politisch motivierter Mordprozess erhoben wurde. Wiewohl sich am Verteidigungskomitee für die „Soledad Brothers“ auch Persönlichkeiten wie der zweifache Nobelpreisträger Linus Pauling oder die berühmte Schauspielerin Jane Fonda beteiligten, witterte die Reaktion ihre Chance und setzte der mit Reaktionären und Parteigängern Reagans gespickte Verwaltungsrat (darunter sein persönlicher Anwalt und spätere Justizminister unter ihm: Willam French Smith) – gegen die Professorenschaft – 1970 durch, dass der Vertrag mit Angela Davis aufgrund ihrer „Aktivitäten außerhalb des Hörsaals“ nicht verlängert wird. Selbst Teile der bürgerlichen Presse nannten diese durchsichtige Verbannung aus der Wissenschaft „anachronistisch“ und „empörend“. Parallel prophezeite die Zeitschrift „Newsweek“, dass die „Davis-Affäre“ damit „noch lange nicht abgeschlossen“ ist. Als „geistigen Urheber der ganzen Kampagne“ gegen die unliebsame Kommunistin benannte ein anonymer Autor in jenen Tagen explizit „Gouverneur Ronald Reagan“.
Die Geiselnahme in San Rafael & der „große Coup“ gegen Angela Davis
Die missglückte Verzweiflungstat des jüngeren Bruders eines der „Soledad Brothers“, eine Geiselnahmeaktion Jonathan Jacksons in einem Gerichtssaal zum Austausch gegen die „Soledad Brothers“ im August 1970, bot den Hexenjägern die Gelegenheit für ihre Intrige. Schon im Vorfeld in Kenntnis des Vorhabens, ließen sie den durch das Verteidigungskomitee Angela bekannten Jugendlichen um zum „großen Coup“ gegen Angela Davis auszuholen gewähren. Während Angela von dessen „sinnloser Aktion“ – so sich ihre Partei von den Geschehnissen in San Rafael abgrenzend – nichts wusste und auch nicht in der Stadt war, warteten die postierten Scharfschützen aus San Quentin bereits auf die Flüchtenden und eröffneten umgehend das Feuer. Dem Kugelhagel der Sniper fielen neben den beiden schwarzen Häftlingen William Christmas und James McClain, denen Jonathan im Zuge der sie ebenfalls überraschenden Aktion Waffen ausgehändigt hatte, und Jonathan Jackson selbst, auch Richter Harold Haley zum Opfer. Staatsanwalt Gary Thomas wurde schwer verletzt. Ebenso eine Geschworene und der dritte schwarze Häftling aus dem Gerichtssaal Ruchell Magee. Die späteren Aussagen der Schützen zu ihrem kaltblütigen Gemetzel – aus dem man jetzt mit den wildesten Erfindungen und Unterschiebungen irgendwie eine Verbindung zu Angela Davis‘ Kampf um Gerechtigkeit für die „Soledad Brothers“ zu konstruieren versuchte – schockierten im Davis-Prozess dann die Jury und Medien, und ließen bei nicht wenigen endgültig den Groschen fallen. Umso mehr noch, als Jonathan und die drei schwarzen Häftlinge im Zuge ihrer Flucht und des Kugelhagels selbst nicht einen Schuss abgegeben haben. Die gesamte Anklage und Anklagekonstruktion erwies sich im Prozessverlauf denn auch Stück für Stück als nachweislich gestricktes Komplott gegen die „schwarze Rote“. Das bestätigte auf einer Pressekonferenz auch der vom FBI auf die schwarze Bürgerrechtsbewegung angesetzte Polizeispitzel Louis Tackwood: „Im Gerichtsgebäude des Marin County wartete man bereits auf den Überfall, um ihn gegen Angela Davis zu benutzen. Die Polizei hatte … nichts dagegen unternommen, weil man Angelas Bekanntschaft mit der Jackson-Familie … für einen ‚großen Coup‘ ausnützen wollte.“ Tackwood gab bei dieser Gelegenheit auch einen Einblick in den Auftrag seiner Einschleusung in das Davis-Verteidigungskomitee und ließ auch das Ausmaß der Observationen und weit über Davis hinausreichenden Verwanzung durchblicken. Obwohl Angela Davis mit den Geschehnissen in San Rafael nicht das Geringste zu tun hatte, bliesen FBI, Polizei und Justiz Kaliforniens bzw. der ganzen USA zur Jagd auf die nun als Mittäterin, ja als Drahtzieherin verfolgte „Terroristin“. Das FBI setzte die damals erst 26jährige auf die berüchtigte Liste der zehn gefährlichsten Verbrecherinnen der USA. Ihr Steckbrief hing damit als quasi tradiert amerikanisches „Wanted – Dead or Alive“, sprich: als Aufforderung an jedermann ihrer habhaft zu werden und sie auszuliefern (notfalls sie ‚auf der Flucht zu erschießen‘) in allen US-amerikanischen Polizeirevieren, Postämtern und Behörden aus. Vor diesem Hintergrund tauchte Davis unter. In einer Umfrage der „Los Angeles Times“ unter schwarzen Bürgern der Stadt, gaben 80% der Befragten an, sie wären angesichts der entfesselten Lynchmob-Atmosphäre ebenfalls untergetaucht.
Festnahme, klassenpolitisch diametrale Statements und Angelas Erklärung zum Prozess
Im Oktober 1970 entdeckten die Häscher und Agenten des FBI Angela Davis und ihren Begleiter David Poindexter, die sich dort als Ehepaar Gilbert verbargen, in New York und nahmen sie fest. Der republikanische Präsident Richard Nixon gratulierte dem FBI-Chef und obersten Kreuzzügler gegen den Kommunismus J. Edgar Hoover euphorisch zu diesem „Fahndungserfolg“ des Bureaus. Nun war es in den Augen der Herrschenden soweit, an Davis ihr Exempel statuieren zu können.
Die KP der USA gab umgehend eine Solidaritäts-Erklärung ab. Die „Daily World“ wiederum veröffentlichte dann zur Anklageeröffnung gegen Davis wegen „Menschenraub, Mord und Verschwörung“, Delikte auf die je für sich die Todesstrafe stand, die Erklärung Angelas‘: „Ronald Reagan und der Staat Kalifornien, die zuerst meine Entlassung forderten, weil ich Mitglied der KP bin, fordern jetzt mein Leben.“ „Weshalb? Nicht, weil ich die gefährliche Verbrecherin bin, als die sie mich hinstellen, nicht, weil die erlogenen Beschuldigungen, für die es keinerlei Beweise gibt, zutreffen, sondern deshalb, weil in ihrer verdrehten Vorstellungswelt ein Revolutionär von vornherein ein Verbrecher ist.“ Angeklagte in einem „Jahrhundertprozess“, wie US-amerikanische Zeitungen schrieben, auf dessen Schuldspruch dreimal die Todesstrafe stand, wurde auch die Möglichkeit einer Freilassung auf Kaution ausgeschlossen. Zunächst im Frauengefängnis von New York inhaftiert, überführte man sie nach wochenlangen juristischen Auseinandersetzungen – begleitet von einem Dutzend FBI-Agenten und erwartet von hunderten schwerbewaffneten Soldaten und Polizeibeamten, um die Inszenierung mit welch besonders gewalttätigen und gefährlichen „Terroristin“ man es mit Angela Davis zu tun habe perfekt zu machen – per Flug mit der Luftwaffe in die Todeskammer des ‚zuständigen‘ Gefängnisses in Kalifornien, um ihren Prozess zu erwarten.
Ankläger Staatsanwalt Albert Harris und Adjutanten versus Davis und ihr unbestechliches Verteidigungs-Team
In Staatsanwalt Albert Harris (und seine Adjutanten) glaubte man zudem den richtigen Mann für diese Aufgabe gefunden zu haben. Mit nicht enden wollenden Inszenierungen und einer wahren Flut präparierter „Zeugen“ der Anklage (darunter 60 Polizisten und Gefängniswärter bzw. Gefängnisbeamte), die sich auf das Groteskeste widersprachen, teils offensichtlich logen dass sich nur so die Balken bogen, wildeste Erfindungen zum Besten gaben, zu ihrem überwiegenden Teil jedoch überhaupt nichts zur verhandelten Sache beitragen konnten und immer wieder im Vorfeld ihrer Aussagen erhaltene „kleine Gedächtnisstützen“ durch den Ankläger eingestanden, wollte er für Angela Davis um jeden Preis das Todesurteil in der Gaskammer von San Quentin. Mehrmals widerriefen die Zeugen, die im Unterschied zur Vorverhandlung ob die Anklage überhaupt zur Verhandlung kommt nun unter Eid standen, ihre Aussagen, die sie zuvor gemacht hatten.
Am Prozessende – das lässt sich hier schon vorausschicken – ließen ihn Davis und ihr Verteidigungsteam (Haywood Burns, Leo Branton, Margaret Burnham, Howard Moore und Doris Walker) wie ein gerupftes Huhn zurück (während sich Richter Arnason als ein souveräner Verhandlungsführer erwiesen hat). Insbesondere der ungemein scharfsinnige Leo Branton, aber auch die fulminanten Auftritte Angelas selbst, gaben den US-Inquisitor und seine gestrickte Anklage nicht selten regelrecht der Lächerlichkeit preis. Die gesamte Anklagkonstruktion ohne jeden Funken eines Beweises brach letztlich krachend in sich ein.
„Eine Million Rosen für Angela“ – die weltweite Solidaritätskampagne
Parallel zur auch international viel beachteten Hexenjagd auf Davis und ihrer Verhaftung, Inhaftierung und der offensichtlich im Raum stehenden Prozessfarce gegen sie, entwickelte sich weltweit eine selten dagewesene Welle des öffentlichen Protests gegen dieses hinterhältigen, ungeheuren Staatskomplott. Eine weltweite Solidaritätskampagne forderte lautstark ihre Freilassung. Unter dem Druck der Weltöffentlichkeit musste die US-Justiz zunächst ihren Plan begraben, mit Angela Davis einfach ohne viel Federlesens zu verfahren und sah sich bei jedem ihrer Schritte unter internationaler Kontrolle. Aus aller Welt trafen gleichzeitig Solidaritätsbriefe und Solidaritätsbotschaften ein. Aus Westeuropa, allen voran aus Frankreich, Italien, der BRD und Dänemark, aber auch aus Österreich und zahllosen weiteren Ländern. Unter den vielfältigen Solidaritätssendungen fand sich auch etwa eine eigens gestaltete Fahne einer in Südkorea stationierten Einheit schwarzer Wehrpflichtiger aus Seattle, die die Gefangene besonders rührte. Und nicht zuletzt aus Kuba, der Sowjetunion, der CSSR, dem Chile der Volksfront und der DDR, mit deren Kampagne „Eine Million Rosen für Angela“ – von Kindern mit niemals welkenden Rosen verzierte und geschriebene Postkarten. Die Solidaritätsbotschaften erreichten ein Ausmaß, dass Davis ihre tägliche Post nur mehr in großen U.S. Post Office Säcken zugestellt und ausgehändigt werden konnte und schließlich auch diese nicht mehr ausreichte. „Die beeindruckende Aktion ‚Freiheit für Angela Davis‘ in der DDR hat mich in jenen Tagen besonders bewegt“, schrieb sie später in einem Rückblick.
Historischer Triumpf gegen die Klassen- und Rassenjustiz der USA
Neben ihrem AnwältInnen-Team nominierte sich Davis schließlich auch selbst als Verteidigerin in eigener Sache (von dessen Recht sie vor Gericht auch Gebrauch machte), und bereitete sich mit diesem sowie mit den GenossInnen Charlene Mitchell, Franklin und Kendra Alexander auf den Prozess vor. Ihre jüngere Schwester Fania organisierte bzw. koordinierte währenddessen mit anderen unermüdlich quer durch die Städte der USA das Solidaritätskomitee für Angela und reiste im Rahmen der internationalen Verteidigungskampagne über den Globus – darunter natürlich auch in die sozialistischen Länder Europas.
Auf dem Hintergrund einschneidender Gesetzesänderungen in Kalifornien am 18. Februar 1972, kurz vor Prozessbeginn, erreichte Davis schließlich am 23. Februar 1972 auf Kaution ihre vorläufige Entlassung aus dem Gefängnis in San José. Bereits tags drauf stattete ihr Gus Hall, Generalsekretär der KP der USA, einen Solidaritätsbesuch ab und gratulierte ihr zugleich zu ihrer kurz zuvor erfolgten Wahl in das Zentralkomitee der CPUSA. Ein Monat danach, am 27. März, begann unter riesigem weltweiten Medienandrang – darunter auch Medienvertreter und solidarische Prozessbeobachter des „Neuen Deutschland“ für die DDR und der Nachrichtenagentur „TASS“ für die Sowjetunion – dann der Schauprozess gegen Amerikas prominenteste politische Angeklagte. Als „Verteidigerin in eigener Sache“ konnte Angela als Angehörige der Verteidigung schließlich einen Teil des Eröffnungsplädoyers selbst übernehmen und ohne von der Staatsanwaltschaft unterbrochen zu werden zu können eingehend das Wort ergreifen.
Der Prozess – in mehreren Publikationen im Detail nachlesbar – geriet zur reinen Polit-Farce und Blamage der Anklage, in dem kein Stein auf dem anderen blieb. Das ganze Gespinst und immer offener zu Tage tretende Komplott brach wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Das parallel in San Francisco laufende Verfahren gegen die „Soledad Brothers“ endete seinerseits schon während des Davis-Prozesses mit einem Freispruch für die Angeklagten. George Jackson, der sich im Gefängnis zu einem (auch international) vielgelesenen Autor der Black Panther Party entwickelt hatte und dessen Freilassung man politisch um jeden Preis verhindern wollte, war zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits von einem Turmposten auf dem Gefängnishof in San Quentin erschossen worden. Angela Davis nahm den Tod Jacksons 1971, für dessen Freilassung sie so unermüdlich und entschlossen gekämpft hatte und mit dem sie auch ein inniges persönliches Verhältnis verband, mit tiefem Schmerz auf.
Nach einer mehrjährigen Hatz, einer gezielten Verleumdungs- und Einschüchterungskampagne, der Entfesselung einer regelrechten Menschjagd auf sie durch jeden verrückten Rassisten und Antikommunisten in „God‘s Own Country“, 488 Tagen Haft und dem ständigen Damoklesschwert der Hinrichtung in der Todeskammer eines Kalifornischen Gefängnisses, wurde Angela Davis am 4. Juni 1972 dann nach lediglich 13stündiger Beratung der Geschworenen von einer unbestechlichen weißen Jury einstimmig in allen Punkten der Anklage freigesprochen. Mary Timothy, von der Jury zur Sprecherin gewählt, die dem Gerichtsdiener die Abstimmungsprotokolle mit den dreimaligen Worten: „Nicht schuldig“ überreichte, verfasste später ihr ergreifendes und in vieler Hinsicht aufschlussreiches Buch „Jury Woman“ zum Prozess.
Auf die Frage eines Journalisten der „Los Angeles Times“ ob sich Angelas Sicht auf das US-Justizsystem nach dem Freispruch geändert hätte, antwortete sie vielsagend: „Die Tatsache, dass ich freigesprochen wurde, beweist nicht, dass ich ein faires Verfahren hatte. Wäre es ein faires Verfahren gewesen, hätte es niemals stattgefunden“. Eine Ansicht die nicht nur Millionen in aller Welt teilten, sondern zu der auch schon viele Zeitgenossen in den USA angesichts der von der Staatsanwaltschaft aufgebotenen, bei nüchternem Verstand unschwer als konstruiert durchschaubaren ‚Beweise‘ der Vorverhandlung gelangten.
Und sofort wieder rastlos auf Achse
Keine Woche nach ihrem Freispruch machte sich Angela Davis mit Franklin und Kendra Alexander bereits zu Kundgebungen nach Chicago, Detroit und New York auf, fuhr nach Dallas und Atlanta weiter. Im Anschluss reiste sie durch eine Reihe mit ihr solidarischer Länder wie Kuba, die Sowjetunion, die DDR, die CSSR und Bulgarien. Das Jahr drauf nahm sie auf persönliche Einladung erneut an den Weltfestspielen der Jugend und StudentInnen, 1973 in Berlin/Hauptstadt der DDR, teil. „Die internationale Kampagne hatte nicht nur die Regierung unter schweren Druck gesetzt, sondern auch das weitere Wachstum unserer Bewegung in der Heimat gefördert. Im Kern der internationalen Bewegung stand die sozialistische Gemeinschaft der Nationen“ – schrieb Davis dazu 1974. „Aus diesem Grunde beschlossen wir, die UdSSR, einschließlich Zentralasien, die DDR, Bulgarien, die Tschechoslowakei und Kuba zu besuchen. Wir sahen diese Reise als die naturgegebene Fortsetzung der Reise durch die Vereinigten Staaten an, deren Hauptzweck gewesen war, den Menschen zu danken, die am Kampf für meine Freiheit teilgenommen hatten, und ihre Aufmerksamkeit auf andere politische Gefangene zu lenken.“ Von Fidel Castro erhielt sie in diesem Zusammenhang in dessen Rede auf offener Bühne auch die umgehende Zusage, für die Freiheit von Billy Dean Smith zu streiten, der schon am Folgetag erste Taten folgten. „In jenen Ländern wurden die Kundgebungen von mehr Menschen besucht, als ich je auf einen Platz versammelt gesehen hatte, zum Beispiel Hunderttausende in der DDR, und beinahe eine dreiviertel Million in Kuba.“ Ohne einmal wirklich durchzupusten setzte sie nach ihrem Freispruch sogleich ihre politische Tätigkeit fort.
Rote Professorin 2.0
Kurz darauf nahm sie im November 1975 auch wieder ihre Lehrtätigkeit als Dozentin und Professorin der Philosophie auf. „Als Mr. Reagan Gouverneur von Kalifornien war, versprach er, dass ich niemals an einer öffentlichen Institution dieses Staates lehren würde“, meinte sie 1981 dazu. „Tatsächlich unterrichte ich seit fünf Jahren an der San Francisco University.“ Heute längst emeritiert, setzt sie ihre vielfältigen Studien, Vorlesungen und Vorträge ebenso unermüdlich fort, wie ihren Kampf um den Sozialismus. Die Themen und Forschungsakzente haben sich in den Jahren freilich weiterentwickelt und verschoben. Ihr grundsätzlichen Denkeinsatz und ihr geradezu rastloser Arbeitseifer blieben davon allerdings völlig unberührt. „Wladimir Iljitsch Lenin sagte einmal“ – so eröffnete die Februar-Nummer der ehemaligen österreichischen Monatszeitschrift Weg und Ziel unter dem Titel Solidarität mit Angela Davis im Februar 1972 ihre Seiten – „dass Zeiten radikaler Veränderungen und sozialer Konflikte ungewöhnliche Persönlichkeiten hervorbringen.“ Und genau als eine solche außergewöhnliche Persönlichkeit würdigte die Zeitschrift im Kontext von Davis Geburtstag am 26. Jänner vor 50 Jahren die „schwarze Bürgerrechtskämpferin und Kommunistin, die mehrere außergewöhnliche Gaben in ihrer Persönlichkeit vereinigt: hervorragenden Intellekt, großen persönlichen Mut und ein brennendes Herz für die Unterdrückten.“ Ein Urteil, dem es sich damals wie heute anzuschließen gilt.
Angela Davis und der Kommunismus
In den Jahren nach ihrem Freispruch nahm Angela, wie betont, sogleich auch wieder am Kampf ihrer Partei teil und bezog unmittelbar ihren Kampfposten in den Klassenauseinandersetzungen der USA. 1980 und 1984 trat sie an der Seite von Gus Hall für die KP der USA zu den Präsidentschaftswahlen an. 1991, nach der Niederlage des Sozialismus in Europa, brachen allerdings auch in der CPUSA heftige ideologische Auseinandersetzungen und parteiinterne Querelen um den politischen, strategischen und taktischen Kurs der Partei aus. Mit Henry Wintons Tod fünf Jahre zuvor, des bis zu seinem Ableben 1986 afroamerikanischen Stellvertreters Gus Halls, verließen bereits eine Reihe verdienter GenossInnen und WegbegleiterInnen Angelas die immer stärker von Hall als Person allein geführte Partei, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion auch eine etwas eigenwillige internationale Orientierung und Ausrichtung einschlug. Im Zuge dieser Auseinandersetzungen trat 1991 schließlich auch Angela Davis aus der CPUSA aus und schloss sich mit anderen den sogenannten Committees of correspondence for Democracy and Socialism (CCDS) an. Auch die große Charlene Mitchell, einst selbst Spitzenkandidatin der KP der USA zu den Präsidentschaftswahlen, vollzog denselben Schritt. Die KP der USA schlug unter ihrem späteren, neuen Vorsitzenden Sam Webb dann einen abermals geänderten Kurs in den politischen Gewässern ein. Angela Davis selbst versteht und bezeichnet sich all diesen parteilichen Pendelausschlägen untangiert bis heute als Kommunistin und blieb ihren marxistischen Grundüberzeugungen treu, wie auch ihre Publikationen, Vorträge, Aktivitäten und Auftritte eindrücklich bezeugen.