US-Automobilgewerkschaft schreibt Geschichte

Der historische Streik in der US-Automobilbranche unter der neuen kämpferischeren Gewerkschaftsführung um Shawn Fain endete mit Wochenbeginn nach eineinhalbmonatigen Arbeitskampf und Streiks „mit einem großen Sieg der Gewerkschaften“ (wie der ORF titelte). Nicht wenige Kommentatoren sehen in der aktuell größten Streikwelle in den USA seit den 1970er Jahren überhaupt eine Renaissance der US-Gewerkschaftsbewegung. Nach dem Erfolg gegen die „Big Three“ der US-Autoindustrie (Ford, GM und Stellantis (Chrysler)) rücken als nächstes auch schon Tesla, BMW, Toyota u.a. in den Fokus. Susanne Knütter hat in ihrem jw-Beitrag „UAW schreibt Geschichte“ den erzielten Abschluss der UAW (United Auto Workers) mit den „Großen Drei“ detailliert ins Auge genommen.

Die Gewerkschaft der Beschäftigten der US-amerikanischen Automobilindustrie sparte zu Beginn der Woche nicht mit Superlativen. Die Tarifeinigung mit General Motors sei einer der „atemberaubendsten Erfolge“ seit dem Sit-down Strike der 1930er gewesen, erklärte der Vorsitzende der United Auto Workers (UAW), Shawn Fein, am Montag (Ortszeit) per Videobotschaft auf X an die Arbeiter.

Wie kurz zuvor bei den beiden Autobauern Ford und Stellantis handelte UAW ein ähnliches Paket bei GM aus. Es beinhaltet eine Einkommenserhöhung von 25 Prozent über 4,5 Jahre. Das ist mehr als die Steigerungen der vergangenen gut 20 Jahre zusammen. Zwischen 2001 und 2022 hätten die Gehaltserhöhungen bei GM insgesamt 23 Prozent betragen, wie Gewerkschaftschef Fein vorrechnete. Damit sei das Ergebnis die „lukrativste Erhöhung“ in der GM-Geschichte. Das Anfangsgehalt steige sogar um 70 Prozent von 18 Dollar die Stunde auf 30 Dollar. Für erfahrene Arbeiter, in der höchsten Lohngruppe, ergebe sich eine Erhöhung um 33 Prozent – von 32,32 Dollar die Stunde aus 42,95 Dollar.

UAW-Vizepräsident Mike Booth erläuterte die Fortschritte als „Equal Pay for equal work“. GM sei lange Zeit der „übelste Akteur“ gewesen, wenn es um die Spaltung der Belegschaft ging. Es habe unterschiedliche Bedingungen für die Arbeiter in der Produktion, GMCH-Worker und CCA-Worker gegeben. Die Arbeiter in GM Subsystems hätten gänzlich andere Verträge gehabt. Und die Leiharbeiter arbeiteten zum Teil jahrelang auf viel niedrigerem Niveau, ehe sie übernommen wurden. Der Konzern „will uns gespalten sehen im Streit über die unterschiedlichen Brosamen, die jede Gruppe erhält, während die Manager und Shareholder mit dem ganzen Kuchen wegspazieren“, so Booth. Mit der nun erreichten Einigung sei es laut Gewerkschaft gelungen, alle Berufs- und Beschäftigtengruppen in den Haupttarifvertrag für die Produktion aufzunehmen.

In dem Zusammenhang sollen einige niedrig eingestufte Arbeiter bei GMCH Erhöhungen von 89 Prozent erhalten, erklärte Fein. Die Arbeiter bei CCA eine Erhöhung von 79 Prozent. Leiharbeiter mit mindestens 90 Tagen Beschäftigung im Unternehmen sollen zwischen 51 und 115 Prozent mehr erhalten – je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit. Außerdem erhalten sie eine zeitigere Übernahmeperspektive.

Der UAW-Chef resümierte: „Wir lernen aus der Geschichte, und wir schreiben Geschichte“. Die Gewerkschaft hatte ihre Kampagne bereits in Anlehnung an den historischen Sit-down Strike Stand-up-Strike genannt. Dieser Sit-down-Streik 1936/37 war der erste große Arbeitskonflikt in der US-Automobilindustrie und einer der ersten großen Siege der US-amerikanischen Gewerkschaftsbewegung. Nach Versuchen, ihn brutal niederzuschlagen, endete der Arbeitskampf mit einem Tarifvertrag zwischen General Motors und UAW. Organisatoren der Streiks in den Betrieben waren überwiegend Kommunisten.

Der Stand-up Strike sei ein neues Kapitel in der eigenen Geschichte, so Fein. „Wir haben den Konzernen, der amerikanischen Öffentlichkeit und der ganzen Welt gezeigt, dass die Arbeiterklasse nicht erledigt ist. Wir haben gerade erst angefangen.“

Die Gewerkschaft UAW, die rund 146.000 Beschäftigte in der US-Automobilindustrie vertritt, hatte erstmals gleichzeitig bei den sogenannten Big Three des Industriezweigs – General Motors, Ford und Stellantis mit der Marke Chrysler – Arbeitskämpfe organisiert. Die Arbeitsniederlegungen hatten Mitte September begonnen und waren von der UAW mehrfach ausgeweitet worden, bis zu 45.000 Beschäftigte beteiligten sich daran. Stellantis hatte einer Lohnerhöhung um 25 Prozent über eine Laufzeit von viereinhalb Jahren zugestimmt. Bei Ford belaufen sich die Tariferhöhungen über die gesamte Vertragslaufzeit auf 33 Prozent. Die Autokonzerne befürchten nun, durch steigende Arbeitskosten im Konkurrenzkampf mit Tesla oder Toyota, die bisher keine Tarife mit der UAW aushandeln, benachteiligt zu werden. Gewerkschaftsfrei sind auch die Werke der deutschen Autobauer Volkswagen, Mercedes-Benz und BMW. Sie sind in südlichen US-Bundesstaaten angesiedelt, wo Gewerkschaften einen besonders schweren Stand haben.

Foto: UAW

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