Solidarität gegen Polizeigewalt – statt devotem Gusch bei da He

Interview mit Anselm Schindler – der als Journalist vor 2 Jahren mit dem Kopf unter ein Polizeiauto gezerrt wurde –  über Klimaproteste, Polizeigewalt, Gegenwehr und eine demokratische, ökologisch sozialistische Perspektive

Vor ziemlich genau zwei Jahren wurdest du von Polizisten festgenommen, gewaltsam zu Boden gebracht und unter einem Polizeiauto fixiert als du eine Klimademo journalistisch begleitet hattest. Dabei wurdest du nur knapp unter dem rollenden Polizeiauto herausgezogen, bevor Schlimmeres passiert wäre. Du hast darauf eine Maßnahmenbeschwerde gegen die Polizei eingelegt – kannst du den Prozessablauf bis heute kurz schildern?

Die Maßnahmenbeschwerde haben mein Anwalt und ich in allen Punkten gewonnen. Das Landesverwaltungsgericht hat geurteilt, dass alle polizeilichen Maßnahmen gegen mich unrechtmäßig waren, von der Verhaftung über die Fixierung am Boden bis zur Länge der Festhaltung im Polizeianhaltezentrum, wo ich nach meiner Festnahme bis zum nächsten Morgen eingesperrt war.

Gleichzeitig zum Verfahren vorm Verwaltungsgericht wurde auf Betreiben von Polizei und Staatsanwaltschaft zwei Verfahren gegen mich gestartet, offenbar, um mich einzuschüchtern. Konkret geht es dabei um den Vorwurf, ich hätte mich einem Polizeibeamten gegenüber aggressiv verhalten und damit eine Verwaltungsübertretung begangen. Zudem wurde mir vorgeworfen, dass ich einen Polizisten dazu aufgefordert hätte, mich frei zu lassen, was als „Anstiftung zum Amtsmissbrauch“ gewertet wurde. Beide Vorwürfe mussten später fallengelassen werden weil sie vor Gericht nicht standhielten. Es ist wichtig, sich gegen solche absurden Vorwürfe zu wehren und sich davon nicht einschüchtern zu lassen. Parallel zu diesen Verfahren begann die Staatsanwaltschaft nach der Polizeigewalt auf der Aspernbrücke, gegen mehrere Polizisten zu ermitteln – was nicht oft passiert, aber wegen dem öffentlichen Druck wohl alternativlos war. Bei diesen Ermittlungen geht es nicht nur um meinen Fall sondern auch um andere Fälle, bei denen Aktivist:innen an dem Tag verletzt und unrechtmäßig festgenommen wurden. Vor einigen Tagen stand nun der erste Beamte vor Gericht und wurde wegen Amtsmissbrauch und Falschaussage vor Gericht verurteilt – er hatte in einem der vorherigen Verfahren als Zeuge ausgesagt, dass ich ihn angeschrien und mit meinen Händen in seinem Gesicht „herumgefuchtelt“ hätte – das Videomaterial das die Situation vor meiner Festnahme und meine Festnahme zeigt, belegt aber, dass das eine Lüge ist.

Wie schätzt du das jetzige Urteil gegen den Polizisten ein?

Der Polizist hat ein Jahr auf Bewährung bekommen. Er muss also nicht ins Gefängnis und wird vermutlich auch seinen Job nicht verlieren. Er ist also mit einem blauen Auge davongekommen. Trotzdem ist es für die Landespolizeidirektion Wien ein herber Schlag, weil mehrere ihrer Beamten vor Gericht stehen und einer nun sogar verurteilt wurde. Aus einer zivilgesellschaftlichen Perspektive ist das ein Erfolg weil es zeigt, dass Widerstand gegen Polizeigewalt auch auf gerichtlicher Ebene möglich ist. Ich hoffe, dass ich anderen Mut machen kann, sich ebenfalls gegen Polizeigewalt zu wehren auch wenn ich weiß, dass das für viele Menschen nicht so einfach ist wie für mich, insbesondere Migrant:innen und Geflüchtete sind oft von Polizeigewalt betroffen und haben viel weniger Möglichkeit sich dagegen zu wehren.

Was sind die strukturellen Probleme mit Polizeigewalt?

Die Gewalt, die von der Polizei auf der Aspernbrücke ausging ist systemisch, weil sie Folge einer Zuspitzung der Auseinandersetzungen um die Klimakrise ist. Eine ganze Generation hat in den letzten Jahren erkannt, dass die derzeitige Politik die Lebensgrundlagen von Millionen Menschen zerstört. Deshalb gibt es in der ganzen Welt Bewegungen, die eine radikale Kehrtwende in der Klimapolitik fordern. Und immer größere Teile dieser Bewegungen sind inzwischen bereit, eine andere Politik auch mit zivilem Ungehorsam durchzusetzen. Das war auch bei der Aktion auf der Aspernbrücke der Fall, wo mit der Blockade des Verkehrs für eine radikale Verkehrswende geworben wurde. Die Politik ist aber nicht in der Lage, die Forderungen dieser Generation umzusetzen, selbst wenn sie wollten könnten sie es nicht, weil der Wachstums- und Konkurrenzzwang der kapitalistischen Wirtschaft eine nachhaltige Gesellschaft verhindert.

Die Radikalisierung von Teilen der Klimabewegung auf der einen, und die Starrheit des politischen Systems auf der anderen Seite führen zu Reibungspunkten. Und die Reibung entlädt sich dann auch in Polizeigewalt. Beides, sowohl die Reibungspunkte als auch die Gewalt werden mit der Zuspitzung der Klimakrise weiter zunehmen. Wir müssen uns an dieser Stelle die Frage stellen, warum die Polizei in gesellschaftlichen Auseinandersetzungen, wie denen um die Klimakrise, gegen Protestbewegungen vorgeschickt wird anstatt den Menschen zu dienen und Teil der Veränderung zu sein. Das hängt mit dem Klassencharakter der Polizei zusammen. Denn die Polizei ist in einem kapitalistischen Staat genauso wenig neutral wie es andere Teile des Staatsapparates sind. Der ganze Sicherheitsapparat dient ja vor Allem denen, die ihren Reichtum und ihre Macht gegen Umverteilung und die Infragestellung ihrer Macht verteidigen. Und das zeigt sich dann eben auch in der Klimakrise, wo die Polizei eine gescheiterte Verkehrspolitik gegen Blockaden durchsetzt und sich schützend vor Kohlekonzerne stellt wenn gegen Kohlekraft protestiert wird, wie das auch in Deutschland immer wieder der Fall ist.

Wie können wir uns gegen Polizeigewalt wehren?

Mit Protesten, aber eben auch vor Gericht. Dafür, dass Menschen sich effektiv wehren können braucht es solidarische Strukturen, die denen, die gegen Polizeigewalt kämpfen unterstützend zur Seite stehen. Wie wichtig das ist habe ich in den letzten beiden Jahren selbst erfahren. Ohne emotionale Unterstützung durch Freund:innen und Genoss:innen hätte ich das nicht geschafft. Und ohne Rechtshilfestrukturen und einen guten Anwalt auch nicht. Und dann geht es natürlich darum, die richtigen Forderungen zu stellen und Strukturen aufzubauen, um sie gegen den Druck von Oben durchzusetzen. Wir sollten uns dabei vor allem daran orientieren, welche Forderungen diejenigen aufstellen, die am meisten unter Polizeigewalt leiden. Also Migrant:innen und andere Menschen, die rassistisch unterdrückt werden. Es macht Sinn, für eine Reformierung der Polizei zu kämpfen, für Kennzeichnungspflicht, für unabhängige Stellen, die der Polizei auf die Finger schauen, für die Abschaffung des Racial Profiling, nur um einige Beispiele zu nennen. Trotzdem sollten wir uns auch keine Illusionen in Reformen machen.

Wie meinst du das?

Eine wirklich demokratische Polizei, eine Polizei, die unseren Interessen dient, werden wir nur mit einer anderen Gesellschaft bekommen. Das ist nur im Sozialismus möglich, also in einer Gesellschaft, in der die Produktionsmittel demokratisch kontrolliert werden und der Reichtum der ganzen Gesellschaft gehört, anstatt einigen Millionären und Milliardären. Ich habe ja bereits erklärt, dass die Polizei nicht neutral ist, sondern vor Allem der Kapitalistenklasse dient. In einem sozialistischen System wäre das anders, weil auch die ökonomischen Grundlagen der Gesellschaft andere wären: In einer Planwirtschaft könnte die Produktion mit der Ressourcenbegrenzung und dem Bedarf von Menschen in Einklang gebracht werden, weil die Produktion geplant wird und nicht dem Chaos der Märkte unterliegt. Die Polizei hätte dann eine andere Rolle: Sie würde im Dienst der Gesellschaft stehen und absichern, dass sich niemand an ihr bereichert oder ihre ökologischen Lebensgrundlagen zerstört. Aus einer Polizei für die Reichen und die Konzerne würde dadurch eine Polizei für die Menschen. Gleichzeitig macht es Sinn, nicht nur Polizei sondern auch gesellschaftliche Sicherheit ganz anders zu denken und als kollektiven Prozess selbst zu organisieren. Das kann zum Beispiel über Awareness-Strukturen geschehen, in denen sich Menschen selbst gegen patriarchale Gewalt organisieren anstatt nur an den Staat zu appellieren. Oder über den Aufbau von Selbstverteidigungsstrukturen von Menschen, die in dieser Gesellschaft am meisten von Gewalt betroffen sind, wie Frauen, LGBTIQ und Menschen die rassistische unterdrückt werden.

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