Peru: Abimael Guzmán nach Herzinfarkt und mit Krebs im vorgeschrittenen Stadium in kritischem Zustand

Zu wenigen politischen Häftlingen gehen die Meinungen, auch innerlinken, stärker auseinander wie zu Abimael Guzmán (alias: Presidente Gonzalo), dem ehemaligen Guerilla-Anführer des „Sendero Luminoso“ („Leuchtender Pfad“ / PCP-SL) in Peru.

Und nur mehr wenigen ist das Schicksal des zu lebenslänglicher Haft Verurteilten in Erinnerung, der 1992 in Lima wie eine Jagdtrophäe der Öffentlichkeit im Käfig präsentiert wurde und im Anschluss von einem Militärgericht mit maskierten Richtern in Uniform – abermals in einem eisernen Käfig gehalten  –   abgeurteilt wurde. Gleiches aus dem ebenso blutigen wie tobenden „Guerra Popular“ (Volkskrieg) der (allem voran) 1980er Jahre gilt auch für andere Langzeitgefangene aus den Guerillabewegungen der Kommunistischen Partei Perus, PCP, bzw. der Revolutionären Bewegung Túpac Amaru, MRTA, sowie den seit der Jahrtausendwende zunehmend inhaftierten GewerkschafterInnen des Landes.

Der in der Tat äußerst erbittert geführte und blutige „Guerra Popular“ in Peru der 1980er Jahre bis 1993 ist jenseits der Rache-Politik seitens der Machthaber ansonsten geradezu einem stillschweigenden Tabu unterworfen. Außer aus taktischen Erwägungen. So durften im zurückliegenden Präsidentschaftswahlkampf zwischen dem Gewerkschafter und Sozialisten Pedro Castillo gegen die korrupten rechten Fujimoristas die Verweise der damaligen Nähe Castillos zum „Sendero Luminoso“ und des „Movimiento Revolucionario Túpac Amaru“ im Blätterwald der Reaktion keinesfalls fehlen.

Insgesamt sitzen in Peru noch etwa 200 politische Gefangene ein. Rund 30 von ihnen befinden sich bereits seit fast 3 Jahrzehnten im Gefängnis. „Es sind Langzeitgefangene aus den Guerillabewegungen der Kommunistischen Partei Perus, PCP, beziehungsweise [etwas weniger] der Revolutionären Bewegung Túpac Amaru, MRTA“, wie Frieda Tarazona, Mitglied der peruanischen Asociación de Familiares de Desaparecidos y Víctimas de Genocidio (Vereinigung der Familien von Verschwundenen und Opfern des Völkermordes) in einem jw-Interview ausführt.

Parallel entwickelten sich auch die völlig überfüllten und überbelegten Gefängnisse Perus, mit ihren miserablen Haftbedingungen, zu regelrechten Corona-Hotspots. Die politischen Gefangenen des Landes leiden dazu aufgrund ihrer langen Inhaftierung und der drastischen Haftbedingungen fast alle an Vorerkrankungen. Prominente Häftlinge wie Margot Liendo, Osmán Morote und Silvia Gonzales, sind folglich auch bereits an Corona erkrankt.

Wie in anderen Ländern gab es angesichts der angespannten Corona-Lage in den Gefängnissen auch in Peru eine rege Debatte über Begnadigungen und Freilassungen zur Vorbeugung gegen Covid-Epidemie. Explizit ausgeschlossen davon waren allerdings stets – vergleichbar der Türkei – politische Gefangene, die demzufolge einfach von der Seuche hingerafft werden können. Entsprechend dieses offenen Feindstrafrechts sind auch bereits die ersten politischen Opfer und Tote bekannt geworden.

Vor rund eineinhalb Monaten, am 17. Juli erlitt nun der in schwerer Sonder-Isolationshaft gehaltene ehemalige Philosophieprofessor und studierte  Jurist Guzmáns einen Herzinfarkt und wurde ins Spital eingeliefert. Darüber hinaus wurde erstmals bekannt, dass er an Hautkrebs erkrankt ist. Da dieser – so die durchgedrungene Informationslage – bis dato nicht behandelt wurde, haben sich in Folge der verschleppten medizinischen Behandlung am Körper des mittlerweile 86-jährigen bereits Metastasen gebildet.

Die Informationslage zu Guzmán wird in Peru traditionell wie ein Staatsgeheimnis gehütet. Auch die Gefängnisbeamten sind angewiesen, jede Auskunft zu verweigern. Aufgrund des Herzinfarktes und seiner Krebserkrankung, sowie Verlegung zur Behandlung, ist nun jedoch sein kritischer Gesundheitszustand durchgesickert. Seine ebenfalls inhaftierte Frau, Elena Iparraguirre, wandte sich schon Ende Mai mit der Forderung an die peruanischen Gerichte, ihn aufgrund seines Alters und gesundheitlichen Angeschlagenheit in einen medizinisch betreuten Hausarrest zu verlegen. Der Antrag wurde von der Jusitz abgelehnt und ist aktuell im Berufungsverfahren.

Dies zumal vor dem Hintergrund, dass die peruanische Regierung in den 1990er Jahren eigentlich eine Amnestie beschloss, diese aber nie richtig auf den Weg brachte und Guzmán (unter der Hand) als sichtlich davon ausgeschlossen galt. Das wiederum, obwohl er selbst 1993 (die Hochzeit der bewaffneten Kämpfe in Lateinamerika der 1970er und 1980er Jahre ebbte kontinental mehr und mehr ab) – auch gegen Widerstände innerhalb der Guerilla-Bewegung – für ein Friedensabkommen und eine politische Lösung plädierte. Ein Plädoyer, das seitens der Herrschenden nie ernsthaft aufgegriffen wurde. Deren Zeichen standen und vielmehr auf Rache, Verfolgung und gesellschaftliche Ächtung.

Vor diesen Hintergründen sowie angesichts des akut kritischen Zustandes und fortgeschrittenen Alters Guzmáns – sowie der auch in vielen Ländern nicht unüblichen Praxis der Freilassung schwerkranker Gefangener aus humanitären Gründen –  rufen zahlreiche Kräfte in Peru die internationale Öffentlichkeit zur Verteidigung des Lebens und die Freilassung Abimael Guzmáns und aller politischen Gefangenen in Peru auf.

Auch in Wien findet dazu am Freitag 27.8., 16.30 Uhr vor der Botschaft Perus eine Kundgebung zur Verteidigung des Lebens Guzmáns und Freilassung aller politischen Gefangenen in Peru statt.


Foto: Bettyreategui, CC BY-SA 4.0

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