Vor 20 Jahren, am 15. Juli 2003, warfen sechs Polizisten im Zuge einer Amtshandlung in Wien den Mauretanier Seibane Wague zu Boden, hieben mit Faustschlägen auf ihn ein und knieten bzw. standen mehr als fünf Minuten auf den am Boden Fixierten – bis er zu atmen aufhörte und starb. Der Fall Wague gilt neben dem Tod Marcus Omofumas 1999 zu Recht als einer der bekanntesten Fälle rassistischer Polizeigewalt in Österreich. Denn beileibe nicht „nur“ die US-amerikanische oder französische Polizei ist von strukturellem Rassismus und Rassisten in Uniform durchsetzt. Dunkelhäutige Menschen und Personen mit Migrationshintergrund gelten auch der heimischen Polizei sowie der Mentalität der überwiegenden Exekutivbeamten als nicht gleichwertig sowie vielfach gleichsam per se als Drogendealer und kriminell. Vor diesem Hintergrund findet kommenden Samstag im Gedenken an Seibane Wague unter nachstehendem Aufruf die Gedenkkundgebung „20 Jahre danach: No Justice – No Peace!“ statt.
Gedenkkundgebung I Samstag, 15. Juli I 17.00 Uhr I Stadtpark (Skatepark), Wien
Begegnungen mit der Polizei sind für viele Menschen schwierig. Ohne die Sprache zu verstehen, von Armut oder Wohnungslosigkeit betroffen, als Drogennutzer:in oder Sexarbeiter:in, usw. sind diese Begegnungen mit der Polizei bedrohlich und existenzgefährdend. Schwarze Menschen sind bei verdachtsunabhängigen Kontrollen, Razzien, Schikanen, Platzverweisen und Festnahmen daran erinnert, dass die Polizei tötet.
„Tausende Menschen verschwinden in der Schubhaft Jahr für Jahr. Sie haben nichts verbrochen. Ihr einziges ‚Delikt‘ ist eine Verwaltungsübertretung: der illegale Aufenthalt. Hinter Gitter! Aber wer einen Schwarzen zu Tode quält, verlässt das Gericht als freier Mann.“ Das schrieb die antirassistische Organisation „Asyl in Not“ vor mehr als 20 Jahren und diese Zeilen haben immer noch nichts an ihrer traurigen Aktualität eingebüßt. Tödliche Polizeigewalt oder das mörderische Grenzregime an den Europäischen Außengrenzen sind hierbei aber nur die Spitze des Eisbergs. Es ist eine strukturelle Gewalt, die Schwarzen Menschen weltweit das Leben kostet. Viele sind und bleiben unsichtbar.
Vor 20 Jahren, in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2003, wurde Seibane Wague im Rahmen einer rassistischen „Amtshandlung“ von sechs Polizist:innen und drei Sanitätern durch direkte Gewalt ermordet. Der Notarzt stand – mit den Händen in den Hosentaschen – daneben. Seibane Wague wurde leblos ins Krankenhaus transportiert, wo trotz Wiederbelebungsversuchen nur noch der Tod festgestellt werden konnte. Seibane Wague wuchs in Nouakchott (Mauretanien) auf und studierte Physik an der Technischen Universität in Wien. Er wurde nicht älter als 33 Jahre.
Das Urteil im Strafprozess gegen die zehn beteiligten Einsatzkräfte Anfang November 2005 spiegelte die Kollaboration von Polizei, Justiz und schwarzblauer Regierung in Fällen rassistischer Gewalt wider: Acht Freisprüche, der Notarzt und ein Polizist wurden zu je sieben Monaten bedingter Freiheitsstrafe verurteilt. Der verurteilte Polizist konnte also weiterhin seinen Polizeidienst versehen. Beim Berufungsverfahren am Oberlandesgericht Wien wurden 2007 die Freisprüche und konsequenzlosen Scheinstrafen der ersten Instanz bestätigt. Die einzige Ausnahme betraf den verurteilten Polizisten, dessen Strafausmaß sogar noch auf vier Monate bedingte Freiheitsstrafe reduziert wurde.
BIPOC und Migras können sich nicht auf Recht (geschweige denn Gerechtigkeit) und Justiz verlassen – das Urteil ist für alle und vor allem Schwarze Menschen eine Katastrophe. Dieses Vorgehen der Justiz lässt die Hinterbliebenen mit ihrem berechtigten Unrechtsempfinden allein und ebenso mit allen Lasten, die durch den Tod ihres geliebten Angehörigen entstanden sind.
Der Tod von Seibane Wague ist ein Glied in einer traurigen Kette von nicht geahndeten Fällen von (tödlicher) Polizeigewalt. Deshalb wollen wir bei der Demonstration auch anderer Opfer österreichischer Polizist:innen und Justizwachebeamt:innen gedenken! Rassismus ist institutionalisierter Bestandteil aller staatlichen Organe, so auch der Polizei, weil ihr Zweck die (gewaltvolle) Aufrechterhaltung der herrschenden Ordnung ist und war! Dass diese strukturelle und institutionelle Gewalt zu Ende gehen muss, zeigen die Proteste in Frankreich, das ist erst der Anfang! Ende der willkürlichen Ermordung durch das Grenzregime, Abschaffung der Schubhaft, sowie aller [Asyl-]Gefängnisse und Lager!