Während die Masse der Arbeitenden, zunehmende Zahl an Working Poor und ins immer rissigere soziale Auffangnetz Verknüpften unter der Hochinflationswelle ächzen, hat Kanzler Karl Nehammer mit den Steuerplänen seines „Österreichplans“ nahezu sozialautistisch ein typisch neoliberales Programm für die sogenannten „Leistungsträger“ ausgerollt. Und bewegt sich darin durchaus in der Wende- und seitherigen Traditionslinie der Sozialdemokratie im Land.
So lag der Spitzensteuersatz in Österreich bis 1989 noch bei 62%, ehe ihn das SPÖ-geführte großkoalitionäre Kabinett Franz Vranitzky II unter dessen sozialdemokratischer Kanzlerschaft und SP-Langzeitfinanzminister Ferdinand Lacina radikal auf nur mehr 50% drückte.
Man mag es in Zeiten wie diesen kaum mehr glauben: selbst in den USA lag der Spitzensteuersatz bis in die Nachkriegszeiten einst sogar bei 91%. Franklin D. Roosevelt forderte für den absoluten Einkommensadel gar einen Grenzsteuersatz von 100%. Noch eine Spur darüber hinaus lagen die Verhältnisse in Schweden, seit dem von Ministerpräsident Per Albin Hansson als zeitgenössischem Pendant Roosevelts angestoßenem ‚Sozialstaats-‘Projekt, mit einem Grenzsteuersatz von bis zu 100% (und im Einzelfall sogar darüber!) zu dessen Höhepunkt in den 1970er Jahren.
Die Zeiten einer ‚ausbalancierte(re)n‘ Steuerprogression sind indes seit langem dahin. Mit Nehammers jüngst lancierten „Österreichplan“ soll angesichts der obszönen Gehaltspreizungen (so verdienen die heimischen ATX-Vorstandsvorsitzenden im Schnitt das 75-fache ihrer MitarbeiterInnen) zwar dem Spitzensteuersatz nicht neuerlich zu Leibe gerückt werden, mit einer Streichung der 5. Steuerstufe jedoch das obere Einkommensdrittel entlastet werden. Damit würden Gutverdiener (zwischen 67.000 und 99.000 Euro pro Jahr) nicht mehr mit aktuell 48%, sondern nur mehr mit 40% besteuert werden. Ein typisches Programm für die einkommensstärksten 30 Prozent.
Und da die Einkommenssteuer in Österreich ein zusammengesetzt progressiver Tarif ist, in dem die höheren Einkommen die jeweiligen Steuerentlastungen durch die Tarifstufen mitnehmen, würden davon nicht zuletzt auch die Großverdiener und Spitzeneinkommensbezieher mitprofitieren.
Dem begleitenden neoliberalen Gerede von den „Leistungsträgern“ wiederum, entspricht als Kehrseite der Medaille die darin eingeschriebene Denunziation der massenhaften, gewöhnlichen Beschäftigten und Einkommensbezieher:nnen – von Hilfs- bis Facharbeiter:innen – als „Minderleister“ und „Leistungsverweigerer“. Da dies indes nicht wahlkampfförderlich ist und daher nur unausgesprochen mitwaltet, geben wir ausnahmsweise dem Starpropagandisten der deutschsprachigen Reaktion, Peter Sloterdijk, das Wort, der die Dinge immerhin deutlicher beim Namen nennt und in der FAZ schon vor 15 Jahren gegen den angeblichen steuerpolitischen „Semi-Sozialismus“ und dessen regelrechten „Bürgerkrieg“ gegen die bürgerlichen „Leistungsträger“ ins Feld zog, um für diese gegen die „Ressentiments der Zukurzgekommenen“ (Nietzsche) die Lanze zu brechen.
Aber lassen wir dieses Delirium beiseite. Was anstatt dieses ganzen neoliberal-neokonservativen Programmansatzes Not täte, wäre vielmehr eine sozialer ausgestaltete Steuerprogression, mit entsprechend differenziert angepassten Steuersätzen, einer Verlängerung des Progressionsverlauf nach oben und eine wieder rigorosere Anhebung des Spitzensteuersatzes.