Dass mit dem Langzeitsenator und Ex-Vizepräsidenten Joe Biden ein außenpolitischer Falke Washingtons ins Weiße Haus einzog, dürfte nur die wenigsten überraschen. Seit 1972 im Senat Unterstützer diversester US-Kriege und als Vizepräsident für die permanent entfesselten Kriegsgänge der Obama-Administration sowie umfassende Forcierung der US-Drohnenkriege direkt mitverantwortlich, versucht er heute unter US-Führung den „alten Westen“ in einen „Kampf der Systeme“ gegen dessen „systemische Rivalen“ (China und Russland) zu führen und den seit der sog. Monroe-Doktrin für sich reklamierten amerikanischen „Hinterhof“ wieder botmäßig zu machen. Im unmittelbaren Fokus des US-Imperialismus steht dabei aktuell vor allem Kuba.
Entsprechend gespickt mit ist denn auch sein Personal mit erfahrenen Haudegen, einschlägigen BeraterInnen und bekannten außenpolitischen Strategen. Während ökonomisch ein prominent zusammengesetzter Stab von BlackRock die Goldmänner von Goldman Sachs abgelöst hat, tummeln sich in den zuständigen Schwerpunkt-Ministerien und Ressorts für die Schlacht um den künftigen Welthegemon erfahrene, altbekannte Länder-ExpertInnen, Schlapphüte und Kalte Krieger sowie weltpolitische Armageddon-Propheten.
Für die nach der globalen Wende 1989/91 nochmals verschärfte Kubapolitik und die Agenda den „Socialismo Tropical“ hinwegzufegen, steht mit der bereits unter George W. Bush (2001 – 2009) und seinem US-Außenminister Colin Powell (dem Lügenbaron für eine „Koalition der Willigen“ für den Irak-Krieg, dessen einer der prominentester Unterstützer seitens der Demokraten seinerzeit Joe Biden war) verstärkt auf Kuba fokussierten Kontroll- und Sanktionsbehörde OFAC (Office of Foreign Assets Control) beim US-Finanzministerium, eine äußerst scharfe Waffe zur Verfügung. Zumal Kubas Wirtschaft aktuell in der Tat in einer allen voran von externen Faktoren bewirkten schwierigen Situation und einem festen Zangengriff zwischen Corona-Pandemie und verschärfter US-Blockade steckt.
Demgemäß hat US-Präsident Joe Biden gerade weitere Sanktionen gegen die Karibik-Insel verhängt und parallel die Zusammenarbeit mit und den Brückenschlag zu den Kuba-Contras verstärkt. Die neuen Sanktionen zielen in ihrer aggressiven Eskalationsabsicht dabei unmittelbar auf eine Reihe kubanischer Minister. Und „dies ist nur der Anfang“, tönt es aus dem Weißen Haus.
Von kubanischer Seite gab es diesbezüglich auch keine Erwartungen an oder Illusionen in „Sleepy Joe“. Bidens Ziel wird sein, analysierte das lateinamerikanische Zentrum für Geopolitik die US-Kubapolitik unter dem neuen Biden-Harris-Kabinett schon frühzeitig, weiter Druck auszuüben, um einen „Wandel“ in Kuba zu erreichen. „Es wird erwartet, dass er dies mit Instrumenten der soft power tun wird; es ist eine Änderung der Taktik, aber nicht des Endziels regime change“, so die Experten. Dass darin der strategische Einsatz von, gegebenenfalls auch Umschlag in Mitteln der „hard power“ mit involviert ist, dürfte für Kenner des Imperialismus, zumal noch eingedenk der Latein- und Südamerikapolitik dessen US-Führungsmacht, kaum eine riskante These darstellen. Im Grunde gilt für Washington nach wie vor: Hier ist „God‘s Own Country“, die „auserwählte Nation“ und regiert das Gesetz Monroes, dort der Outlaw. Und ein anständiger US-Präsident löst das, wie einst im Wilden Westen mit der Kugel, heute im akuten Fall mit Flugzeugträgern, Bombern, Marschflugkörpern oder Drohnen – sollten Wirtschaftsblockaden, verdeckte Operationen und Contras (samt deren Flottille) letztlich nicht zum Ziel führen.
Bei der US-Blockadegegen Kuba handelt es sich zudem freilich nicht bloß um einen bilateralen Konflikt, der ausschließlich die Führungsnation des Westens und die Karibikinsel betrifft, sondern auch Drittstaaten bisweilen die Pistole an die Brust setzt und vor erhebliche Hindernisse stellt – ja zuweilen und zunehmend Investitionen und normalisierte Wirtschaftsbeziehungen verhindert. Nachdem die Trump-Regierung noch den dritten Abschnitt des Helms-Burton-Gesetzes in Kraft gesetzt hatte, wurden dementsprechend auch europäische Firmen in den USA verklagt. Die westlichen Vasallen haben sich aus Sicht Washingtons natürlich ebenfalls der ihnen von „Uncle Sam“ als Juniorpartner gewährten ‚beschränkten Souveränität‘ einzufügen.
Nicht wenige Linke ducken sich Kuba betreffend allerdings seit Wochen weg oder monieren vor allem den Zustand der kubanischen Wirtschaft. Aber auch ihnen sei zunächst in Erinnerung gerufen, dass das Land Herausforderungen zu meistern hatte die seinesgleichen suchen. Mit der Niederlage der Sowjetunion und der Auflösung des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) verlor das Land quasi über Nacht 85% seiner Außenhandels- und Versorgungsbeziehen (insbes. für Öl) und brach das BIP binnen Kürzestem um exorbitante 35% ein. Wenn in ihren ökonomischen Reproduktionskreisläufen auch nur bedingt vergleichbar, ein abrupter Wegfall von 85% der Auslandsmärkte und rasanter BIP-Einbruch von über einem Drittel der Wirtschaftsleistung, hätte in Österreich und jedwedem anderen entwickelten kapitalistischen Land schlichtweg zum gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenbruch geführt. Dafür reicht schon ein nüchterner Blick auf die – demgegenüber unter zyklische Schwankungsbreiten verbuchbaren – ökonomischen Folgen der Wirtschafts- und Corona-Krise.
Zur nun auf Leben und Tod unabdingbaren Neu-Erschließung von Devisen wurde in der „Spezialperiode“ („periodo expecial“) die Wirtschaft einer harten Umstrukturierung unterzogen. Um neue Devisenquellen zu eröffnen hielt in dessen Zuge bekanntlich ein rigoroserAusbau des Tourismussektors (mit allen damit einhergehenden anderweitigen Problemen) Einzug. Mit der Corona-Pandemie ist diese Quelle aktuell jedoch (vorübergehend) weitgehend versiegt. Und dieses Ausbleiben des Tourismus zusammen mit der noch von Trump politisch verfügten massiven Einschränkung der Überweisungen von Dollar aus den USA an Familienangehörige in Kuba, bilden auch die beiden Hauptgründe des derzeitigen, eklatanten Devisenmangels, der seinerseits für die Versorgungsmängel auf der importabhängigen Insel verantwortlich zeichnet. Dazu gesellen sich Destabilisierungen und Putsch-Versuche der USA in für Kuba wichtigen Nachbarländer: allem voran etwa die im letztlich missglückten Staatsstreich gegen Nicolas Maduro gipfelnde US-„Regime-Change“-Politik in Venezuela, aus dem Kuba unter Hugo Chávez zu Sonderkonditionen sein Erdöl bezog. Aber lieferte Venezuela 2012 täglich noch 105.000 Fass Öl nach Kuba, brachen die Lieferungen 5 Jahre danach auf weniger als die Hälfte ein. Das Austarieren dieses Öl-Bedarfs und die vorangetriebene, ökologische Energiewende („revolucion energetica“) Havannas sind gleichzeitig noch nicht in der Lage diese Importabhängigkeit zu kompensieren. Analoges gilt auch für die Versorgungslage mit Gütern des täglichen Bedarfs und Medikamenten. Dass es daneben auch diverse endogene Unzulänglichkeiten, Problemfelder und Hemmnisse der unter Präsident Miguel Díaz-Canel beschlossenen Wirtschaftsreform und zukunftsfähigen Wandlungen Kubas gibt, wissen auch Díaz-Canel, die politisch Verantwortlichen, die Partei, das CDR usw. usf.
Nach der bizarren Präsidentschaft George W. Bush‘ und dessen rigoroser Verschärfung der US-Kubapolitik – samt Inthronisierung eines „Transition Coordinator“ im State Department zur Koordinierung und Unterstützung „zivilgesellschaftlicher“ Projekte auf Kuba und Orchestrierung eines Regimewechsels – , und der Blockadeverschärfungen durch den im Stile eines faschistischen Cowboys durch die Weltpolitik galoppierenden Donald Trump, legt nun Joe Biden nochmals nach, um die Lage auf der roten Insel im globalstrategischen US-imperialistischen Interesse weiter zu eskalieren.
Mit himmelschreienden Falschinformationen zur Lage, den Protesten und dem Vorgehen der kubanischen Institutionen, begleitet von einer breiten medialen Hetze und Hysterie, sowie in enger Kooperation mit ihren antikommunistischen Schergen und Contras versuchen jene, denen der „Socialismo Tropical“ ein Dorn im Auge ist diesen nun gezielt zu destabilisieren und Unzufriedenheiten aufgrund der angespannten Wirtschafts- und Versorgungssituation erneut anzuheizen. Nebenbei – auch gegen die Linie der katholischen Bischöfe der USA, die demgegenüber für einen verstärkten Dialog das Wort ergriffen. Freilich, lugt bei ihnen dabei nur dürftig übertüncht die Strategie des „Wandels durch Annäherung“ durch. Und doch ist diese Linie im Vergleich zu den Falken und der anti-kubanischen Miami-Mafia in den USA, die über die konterrevolutionären Einmischungen und Erdrosselungsversuche gegen den Inselstaat bereits offen US-Luftangriffe und eine US-geführte Intervention ins Spiel brachten, ein ganz anderer Rahmen internationaler Beziehungen.
Wie dem im Einzelnen aber auch immer. Der ideologische Tsunami der letzten Jahrzehnte hat auch vor der Linken nicht Halt gemacht. Und das betrifft in Fragen der internationalen Solidarität nicht nur Kuba. Bei weitem nicht. „Cuba socialista“ betreffend lässt sich das Gebot der Stunde aber zumindest kurz und knapp auf den Punkt bringen: Nämlich der objektiven Verpflichtung alle Anti-Imperialisten und Freunde des eigenständigen Wegs Kubas zur verstärkten Wachsamkeit und aktiven Solidarität gegen die Umsturzpläne des (US-)Imperialismus und der Contras.