Jetzt: Handeln im Handel!

Auch in den Handels-KV-Verhandlungen hakt es heuer wieder gehörig. Das „Angebot“ der Handels-Unternehmen von lächerlichen 3,5 Prozent sowie maximal 3,5 Prozent Einmalzahlung ist die reinste Verhöhnung. Ja, es würde noch nicht einmal die zurückliegende Inflation abgelten. Die GPA hat die Verhandlungen letzten Donnerstag daher abgebrochen und für Montag bis Mittwoch in ganz Österreich Betriebsversammlungen einberufen.

Völlig zu Recht. Und im heimischen Handel geht es zudem immerhin um den Gehaltsabschluss von rund 430.000 Beschäftigten in einer – ungeachtet ihrer ausnehmenden Größe und teilweisen Heterogenität – notorischen Niedriglohnbranche. Die geforderten +10%, ein Mehrarbeits-Zuschlag ab der ersten Stunde Überschreitung (über das vereinbarte AZ-Ausmaß hinaus) und eine leichtere Erreichbarkeit der 6. Urlaubswoche in der zumal unter Personalmangel leidenden Branche, ist allemal das Mindeste.

Unterschlagene Besonderheiten der Konkurrenz-Strukturen im Handel

Die GPA hält in den Verhandlungen zurecht fest: „Die Handelsbranche konnte ein wirtschaftlich hervorragendes Jahr verzeichnen. Das beweisen alle wirtschaftlichen Eckdaten.“ Und wartet gegen die von den Wirtschaftsvertretern relativierend ins Feld geführten, drastisch steigenden Energiekosten mit einem originellen, zugleich der Entgrenzung der Öffnungs- und Arbeitszeiten im Handel gegensteuernden Vorschlag auf: nämlich als „hierzu gute geeignete Maßnahmen diese Kosten abzufedern – Öffnungszeiteneinschränkung“.

Was die Wirtschaftsvertreter in ihrem dagegen vorgetragenen Katzenjammer zudem geflissentlich unter den Tisch kehren, ist der Umstand, dass der Handel im Großen und Ganzen keinem internationalen Wettbewerb ausgesetzt ist (sieht man von partiellen internationalen Onlinehandelskonkurrenten ab). D.h. aber, dass Kollektivverträge u.a. auch regeln, dass es im Geschäftsfeld eben einheitliche Gehälter gibt. Es gibt daher in einer wie dem Handel strukturierten Branche und notorischen Niedriglohnsektor auf KV-Niveau keine Lohnkonkurrenz. Höhere Gehälter für alle ändern sonach auch nichts an der Konkurrenzsituation – um dem ökonomischen Mainstream verständlich zu bleiben. Vielmehr herrscht ein gravierender Personalmangel.

Auch NiedriglöhnInnen, zumal in „Zwangs-“Teilzeit, trifft die ganze Inflation

Die miserablen Löhne und Gehälter sowie schlechten, vielfach katastrophalen Arbeitsbedingungen und Belastungen (dieser in vielen Sektoren vorwiegenden „Frauenbranche“) dagegen, sind demgegenüber nur allzu bekannt. Allem voran im Lebensmittelhandel mit seinen 78% weiblichen Beschäftigten die zudem überwiegend in Teilzeit bzw. „Zwangs-“Teilzeit arbeiten und in einer Vielfalt struktureller Benachteiligung stehen. Mit 1.800 Euro brutto lässt sich, erst recht in Hochinflationszeiten, nicht über die Runden kommen, geschweige denn eine Familie ernähren. Noch weniger mit Teilzeitstellen. Denn auch Teilzeitbeschäftigte müssen ganze Energierechnungen, Einkäufe und Mieten zahlen und trifft die volle Inflation.

Rigoros entgrenzte Arbeitsverhältnisse

Dem nicht genug, ziehen zu den ohnehin schon rigoros flexibilisierten Arbeitsverhältnissen im Handel, noch immer entgrenztere Arbeitszeiten ein. So werden – wie die GPA hinsichtlich der teils regelrecht unwürdigen Praxen in der Branche vor einem Jahr drastisch hervorhob – , Beschäftigte immer früher in die Filialen beordert, um Einkäufe ab sechs Uhr morgens zu ermöglichen. Parallel werden für Aktionstage bereits um zwei oder drei Uhr Nachts die Regale bestückt und im Akkord Wurstplatten für die Öffnungszeit belegt. Hinzu zu dieser völligen Entgrenzung der Arbeit kommen begleitend noch besonders miese Zuschlagsregelungen der Mehr- und Nachtarbeit im Handel.

Ökonomische Albernheiten und Mätzchen der Wirtschaftsvertreter

Ebenso neben der Spur wie das Katzengejammer der Wirtschaftsvertreter ist deren alberne KV-Mathematik einer Einrechnung der Antiteuerungsmaßnahmen der Regierung in die Lohn- und Gehaltsabschlüsse. Ein durchschaubarer Versuch eines billigen Coups, dessen Spieß sich gewerkschaftlich allerdings auch leicht umdrehen ließe: Wenn die Unternehmer die staatlichen Entlastungsmaßnahmen für Arbeitende (z.B. Klima- bzw. Teuerungsbonus, …) einzupreisen gedenken, dann wären natürlich umgekehrt auch die staatlichen Förderungen für Unternehmer (Kurzarbeit, Corona-Hilfen für Unternehmen, Härtefallfonds, Umsatzersatz, Energiekostenausgleich …) gegenzurechnen. Und die ebenfalls mitherangezogene Abschaffung der Kalten Progression fließt zu satten 80% in die oberen drei Fünftel der Einkommenssegmente. Im untersten Fünftel der Einkommenshaushalte und NiedriglöhnerInnen bringt ihre automatische Abschaffung pro Kopf gerade einmal 84,- Euro im Jahr oder maue 7,- Euro im Monat.

Die Digitalisierung nimmer auch im Handel Gestalt an

Dazu kommt die rasant zunehmende Digitalisierung auch im Handel. Und das meint vorliegend nicht so sehr den viel beredeten Online-Handel oder Versandhandel und dessen virtuelle „Shoppingmalls“ und Geschäftsmodelle, sondern die Digitalisierung im stationären Handel sowie seinen Zentrallagern und Verteilzentren – vom„digitalen Einkaufswagen“, über Selfscanning-Kassen im Lebensmittelhandel, Handscanner bei der Warensortierung und -Auffüllung, (Teil)Automatisierung im Lager, Arm-Chips, diverse Assistenzsysteme, Datenbrillen, automatische Bestellungen über Unternehmensgrenzen, neue Formen innerbetrieblichen „Benchmarkings“, über Algorithmen getaktete Personalkapazitätsplanungen, neue digitale Kontrolltechnologien einer lückenlosen ständigen Überwachung, ja die „Verwaltung 4.0“ und das „Büro 4.0“, neuerdings sogar (das aber für den Online-Handel) die Entwicklung einer „digitale Umkleidekabine”. Die digitale Arbeit nimmt auch im Handel Gestalt an.

> Die Abgeltung der Inflation, Reallohnerhöhungen und Sicherung unserer Kaufkraft jedenfalls werden sich nur mit entsprechendem Druck erreichen lassen!

> Keine faulen Kompromisse! Konsequenter gewerkschaftlicher Kampf um +10% !

Bild: Dennis Skley/flickr

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