Deutschlands Verkehrsinfrastruktur stillgelegt – ein Duft von Generalstreik lag in der Luft

Gestern Montag fand in Deutschland der größte Streik seit Jahrzehnten statt. Die beiden Gewerkschaften Verdi (Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft) und EVG (Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG) haben angesichts der grassierenden Inflation zur Untermauerung ihrer Forderungen in den Kollektivvertragsverhandlungen gemeinsam und gezielt den Fern- und Güterverkehr, Flughäfen, Häfen, sowie in sieben Bundesländern auch den öffentlichen Personennahverkehr sowie bundesweit die Bereiche der Autobahn GmbH stillgelegt. Obgleich „nur“ ein Warnstreik, mit dem die beiden Gewerkschaften die Verkehrsinfrastruktur lahmlegten, „duftete es nach Generalstreik“, wie Stefan Siegert in der jungewelt schrieb. Und auch Arnold Schölzel widmete sich in seinem nachstehend übernommenen Beitrag „Kräftig Dampf gemacht“ dem größten Streik seit 1992 ausführlicher. (https://www.jungewelt.de/artikel/447708.bundesweiter-arbeitskampf-kr%C3%A4ftig-dampf-gemacht.html)

Eine Ahnung vom Ausmaß der Streikwellen in Frankreich oder Großbritannien kam am Montag in der Bundesrepublik auf: Busse und Bahnen blieben 24 Stunden lang weitgehend in den Depots, Flugzeuge am Boden. Rund 335.000 Beschäftigte folgten dem gemeinsamen Aufruf der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi sowie der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) zu einem bundesweiten Warnstreik. Der traf den kommunalen öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in sieben Bundesländern, die Flughäfen, die Arbeitsbereiche der Autobahn GmbH, Teile der kommunalen Häfen, die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung sowie die Deutsche Bahn mit ihren Busgesellschaften und diverse weitere Bahnunternehmen. Der Fernverkehr der Bahn kam völlig zum Erliegen. Zu einem Chaos in Städten und auf Autobahnen führte der Ausstand indes nicht – viele hatten sich offenbar darauf eingestellt. Laut einer Umfrage unterstützen zudem 55 Prozent der Bevölkerung den Arbeitskampf.

Am selben Tag begann in Potsdam die bis Mittwoch angesetzte dritte Verhandlungsrunde mit Verdi für die rund 2,5 Millionen Angehörigen des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen. Die EVG, die am Montag etwa 31.000 Kolleginnen und Kollegen an 800 Standorten mobilisierte, verhandelt in dieser Woche in zweiter Runde mit 50 Bahn- und Verkehrsgesellschaften, mit der Deutschen Bahn (DB) am 24. und 25. April, will aber zu Ostern nicht streiken. Verdi fordert Lohnerhöhungen von 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro mehr bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die Gegenseite bot zuletzt fünf Prozent mehr Lohn in zwei Stufen für eine Laufzeit von 27 Monaten sowie Einmalzahlungen von 1.500 und später 1.000 Euro, lehnt aber einen Mindestbetrag ab. Die EVG verlangt 650 Euro für alle Gruppen unter rund 230.000 Beschäftigten bei Bahn und Bus, alternativ zwölf Prozent mehr Lohn. EVG-Chef Martin Burkert sagte dpa, es gehe »jetzt darum, dass diese Branche nicht abgehängt werden darf von der allgemeinen Lohnentwicklung«. Nach Angaben von Verdi fehlen im Flugverkehr 20 Prozent des Personals im Vergleich zu 2019, beim ÖPNV wurden im Kürzungswahn 20 Prozent aller Jobs gestrichen.

Verdi-Chef Frank Werneke erklärte: »Alle, wirklich alle Mitglieder, die wir heute zum Arbeitskampf aufgerufen haben, beteiligen sich an diesem Streik.« Es sei einfach »Druck auf dem Kessel, weil die Beschäftigten es leid sind, sich jeden Tag mit warmen Worten abspeisen zu lassen, während die Arbeitsbedingungen immer schlechter werden und viele Stellen unbesetzt sind«. Bereits in den vergangenen Tagen habe Verdi mit 400.000 Teilnehmern an Warnstreiks die größte Beteiligung seit Jahrzehnten verzeichnet. Laut Werneke fand am Montag der größte Streik in der Bundesrepublik seit 1992 statt. Damals legte die Gewerkschaft ÖTV den öffentlichen Dienst elf Tage lang lahm.

Burkert fragte Kritiker der Streikaktion bei einer Kundgebung in Potsdam, »ob es noch verhältnismäßig ist, wenn Vorstände das 40-, 50fache oder mit Boni das 80-, 100fache von dem verdienen, was in den Dienstleistungen verdient wird«. Die Unternehmer, so Burkert, »reden sich gern mit der angeblichen ›Lohn-Preis-Spirale‹ raus. Die ›Lohn-Tschüs-Spirale‹ sagt ihnen anscheinend nichts. Dabei rennen ihnen die Leute doch scharenweise davon!« Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hatte schon vorab die Aktion am Montag verurteilt und bereits am Sonnabend in der Rheinischen Post warnend den Finger erhoben: Der Warnstreik komme »einem Generalstreik ziemlich nahe«. Die Gewerkschafter hat das offenbar mobilisiert.

Bild: verdi – Streik am Frankfurter Flughafen

Ähnliche Beiträge

Gefällt dir dieser Beitrag?

Via Facebook teilen
Via Twitter teilen
Via E-Mail teilen
Via Pinterest teilen