AK Niederösterreich: Einkommensanalyse 2022

Die Arbeiterkammer Niederösterreich analysiert jährlich die Einkommenssituation der unselbständig Beschäftigten[1] mit einem Schwerpunkt auf Niederösterreich und seine Bezirke. Ein genauer Blick auf die Einkommensniveaus und die Einkommensentwicklung ist aus mehreren Gründen relevant. Zunächst sind Löhne und Gehälter für die meisten Menschen in Österreich, die den überwiegenden Teil des Jahres erwerbstätig sind (83 %), die Haupteinkommensquelle. Auch für arbeitslose Personen sind Einkommen aus unselbständiger Arbeit von entscheidender Bedeutung, einerseits entspringen ihre Arbeitslosenansprüche aus vormaliger Beschäftigung, andererseits stellen sie für fast die Hälfte der während des Jahres überwiegend Arbeitslosen (49 %) dennoch die Haupteinkommensquelle dar.[2] Auch Pensionszahlungen sind eng an Einkommen aus unselbständiger Arbeit geknüpft und die heutigen Einkommen begründen die Pensionsansprüche von morgen.

Unmittelbar wirken sich die Löhne und Gehälter auf die Lebensqualität der Beschäftigten und ihr physisches und psychisches Wohlergehen aus. Das ist besonders in Zusammenhang mit der Teuerungswelle ersichtlich, die viele Grundbedürfnisse betrifft. Nahrungsmittel, alkoholfreie Getränke, Mieten und andere Ausgaben fürs Wohnen, Strom und Gas sowie Mobilität gehörten in den letzten beiden Jahren zu den Hauptpreistreibern. Im 2. Quartal 2023 waren für mehr als ein Fünftel der Haushalte (22,2 %) die Begleichung der Wohnkosten (Miete, Wohnkredit, Betriebskosten, Wohnnebenkosten) eine schwere Belastung.[3] Österreichweit waren 2022 196.0000 unselbständig Beschäftigte (6 %) trotz Erwerbsarbeit armutsgefährdet, also vom Phänomen Working Poor betroffen.[4] Bei der Entwicklung der Löhne und Gehälter spielt auch der Anteil der Beschäftigten am gesellschaftlich geschaffenen Wohlstand eine wichtige Rolle, obwohl es u. a. in Zusammenhang mit der Klimakrise und dem viel zu hohen Ressourcenverbrauch eine Neudefinition von Wohlstand, v. a. von materiellem Wohlstand braucht. Nicht zuletzt sind die Löhne und Gehälter nicht nur Kosten für die Unternehmen, sondern auch ein wesentlicher Bestandteil der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage.

Österreichweit sind in den Daten die Einkommen von 4.292.907 Beschäftigten erfasst, in Niederösterreich von 711.070 Beschäftigten. [5] Wesentlich ist das Arbeitsortprinzip, d.h. unselbständig Beschäftigte sind mit ihrem Einkommen in dem Bundesland bzw. Bezirk erfasst, in dem sie arbeiten und nicht in dem sie wohnen. Diese Herangehensweise hat mehrere Gründe: Die Arbeiterkammer Niederösterreich analysiert damit, welche Einkommensniveaus ihre Mitglieder aufweisen und was in Niederösterreich und seinen Bezirken verdient wird. Unterschiede zur Lohnsteuerstatistik ergeben sich daher v. a. daraus, dass in Niederösterreich jede:r Zweite zumindest in einen anderen Bezirk zur Arbeit pendelt, fast ein Drittel in ein anderes Bundesland, davon die meisten nach Wien. [6] Das kostet den Pendler:innen Zeit und Geld, belastet gleichzeitig Umwelt und Gesundheit.

Mit 2.457 Euro lag das Bruttomedianeinkommen der in Niederösterreich unselbständig Beschäftigten im Jahr 2022 an achter Stelle im Bundesländerranking. Vorarlberg wies mit 2.712 Euro das höchste Medianeinkommen auf, das Burgenland mit 2.251 Euro das geringste. Österreichweit war ein Einkommensniveau von 2.568 Euro zu vermerken. Die Einkommensunterschiede sind im Wesentlichen durch die Branchen- und Beschäftigungsstruktur zu erklären.

Im Jahresvergleich stieg das niederösterreichische Bruttomedianeinkommen um +87 Euro (+3,7 %). Nach Berücksichtigung der allgemeinen Preissteigerung verringerte es sich allerdings real um -107 Euro brutto pro Monat. Wird nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge und der Lohnsteuer sowie unter Berücksichtigung der Inflationsrate die Entwicklung des realen Nettoeinkommens betrachtet, ergab sich bei 14 Auszahlungen ein monatlich durchschnittlicher Rückgang von -88 Euro (-4,7 %, -1.235 Euro jährlich). Aufgrund der hohen Teuerung (+8,6 % Inflationsrate) waren in allen Bezirken bzw. Statutarstädten Niederösterreichs gegenüber 2021 reale Rückgänge des Bruttomedianeinkommens zu beobachten. Den stärksten realen Rückgang des Medianeinkommens wies der Bezirk Bruck an der Leitha mit -6,95 % auf, den geringsten der Bezirk Scheibbs mit -2,74 %.

In Niederösterreich lag das Medianeinkommen der Frauen im Jahr 2022 mit 1.984 Euro um 794 Euro unter jenem der Männer (2.778 Euro). Die Einkommensdifferenz zwischen den Geschlechtern betrug damit 28,6 Prozent. Damit verringerte sie sich im Jahresvergleich um 0,6 Prozentpunkte, erhöhte sich absolut jedoch um 11 Euro. Österreichweit verringerte sich die Einkommensschere im Jahresvergleich um 0,7 Prozentpunkte auf 28,3 Prozent, erhöhte sich absolut allerdings um 7 Euro. Das bundesweite Einkommensniveau der Frauen lag mit 2.105 Euro um 831 Euro unter jenem der Männer (2.937 Euro).

Auf die Höhe der Medianeinkommen wirkten sich wesentlich die unterschiedlichen Teilzeitquoten bei Frauen (NÖ: 49,2 Prozent, Ö: 50,7 Prozent) und Männern (NÖ: 10,0 Prozent, Ö: 12,6 Prozent) aus. Dennoch kann der geschlechtsspezifische Einkommensunterschied nicht auf die unterschiedlichen Arbeitszeiten reduziert werden. Im Allgemeinen lässt sich die Differenz der Einkommensniveaus zwischen Frauen und Männern, abgesehen von den unterschiedlichen Arbeitszeiten, u. a. durch Bildung, Berufswahl, Branchenstruktur sowie unterschiedliche Berufserfahrung und Karrierechancen erklären, die sich auch wesentlich aus Unterbrechung(en) der Erwerbskarriere aufgrund von Kinderbetreuung ergeben. In frauendominierten Branchen (Handel, Beherbergungs- und Gaststättenwesen oder Gesundheits- und Sozialwesen) ist das Lohnniveau deutlich geringer und der Anteil der Teilzeitbeschäftigten weit höher als in männerdominierten Branchen (Verarbeitendes Gewerbe/Herstellung von Waren oder Baugewerbe/Bau). Abgesehen davon bestehen jedoch auch Einkommensunterschiede, die nicht durch statistisch beobachtbare Merkmale erklärbar sind und auch auf unterschiedliche Entlohnung aufgrund des Geschlechts zurückzuführen sind.[7]

 

1 Die Daten werden vom Dachverband der Sozialversicherungsträger zur Verfügung gestellt und beinhalten alle unselbständig Beschäftigten außer geringfügig Beschäftigte, Lehrlinge und Beamte.

2 Statistik Austria (2023): Tabellenband EU-SILC 2022, S38.

3 Statistik Austria (2023): So geht’s uns heute, Tabellenband.

4 Statistik Austria (2023): Tabellenband EU-SILC 2022, S122.

5 https://noe.arbeiterkammer.at/interessenvertretung/wirtschaft/Einkommensanalyse_2022.html

6 https://noe.arbeiterkammer.at/service/zeitschriftenundstudien/arbeitundwirtschaft/Pendleranalyse.html

7 Böheim, Fink, Zulehner (2023): Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern in Österreich von 2005 bis 2021, WIFO Research Briefs 4/2023.

Ähnliche Beiträge

Gefällt dir dieser Beitrag?

Via Facebook teilen
Via Twitter teilen
Via E-Mail teilen
Via Pinterest teilen