Die GPA-djp hat ein neues Modell zur längst überfälligen Arbeitszeitverkürzung vorgestellt. Damit fällt die Gewerkschaft allerdings hinter die eigenen Forderungen zurück und präsentiert eine Mogelpackung.
„90 für 80“ – so nennt die GPA-djp ihr neues Arbeitszeitmodell als „Resultat“ einer von ihr beauftragten Umfrage des IFES. Kurz gesagt soll dabei die Arbeitszeit auf 80% und der Lohn auf 90% reduziert werden. Zur „Attraktivierung“ des Ganzen soll dem Unternehmen dann für die ersten vier Jahre nach Einführung der Regelung die Differenz auch noch vom AMS ersetzt werden. Voraussetzung für diese Förderung ist, dass „für die freiwerdende Zeit eine neue Arbeitskraft aufgenommen wird.“
„…bei vollem Lohn- und Personalausgleich“
Charakteristisch für die Forderungen und Kämpfe der Gewerkschaftsbewegung nach Arbeitszeitverkürzung war dagegen seit Anbeginn, dass diese nicht von den Beschäftigten selbst bezahlt werde, sondern (u.a. als Form der Aneignung der Produktivitätssteigerung) bei vollem Lohnausgleich durchgesetzt wird. Sprich: Arbeitszeitverkürzung auch als zentrale Verteilungsfrage verstanden wird. So gingen auch zuletzt im Rahmen der SWÖ KV-Auseinandersetzungen tausende Beschäftigte im Rahmen einer breiten Streikbewegung für die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich auf die Straße. Gleichzeitig jedoch haben die Gewerkschaften mit der sogenannten „Freizeitoption“, mittels derer sich jene Teile der Belegschaften die es sich einkommensmäßig sozusagen leisten können ihre Arbeitszeitverkürzung selber zu zahlen, schon des längeren die Büchse der Pandora einer Abkehr des klassischen gewerkschaftlichen Kampfes um Arbeitszeitverkürzung geöffnet. Mit dem nun präsentierten Modell fällt die GPA-djp damit drastisch hinter ihre eigenen Forderungen und entsprechenden Beschlusslagen zurück.
Eine Arbeitszeitverkürzung, die du dir leisten können musst?
Vielmehr ist es so, dass dieses Modell an den substanziellen Punkten im Zusammenhang mit der Arbeitszeitverkürzung vorbeigeht. Beschäftigte sollen „freiwillig“ auf einen Teil des Lohns verzichten – für eine große Mehrheit der im Lande Arbeitenden stellt dies aber sowieso keine Option dar, gerade angesichts dessen, dass die letzten Jahrzehnte von einem beständigen Stagnieren bzw. Sinken der Reallöhne geprägt waren. Einzig bei (sehr) gut Verdienenden mag dieses Modell gegebenenfalls Anklang finden. Der grundlegende Haken dabei bleibt indes, dass sich a) die Beschäftigten damit die Arbeitszeitverkürzung weitestgehend selber zahlen müssen, b) die klassenpolitische Verteilungsfrage sang- und klanglos entsorgt wird, c) sich weitere entsolidarisierende Bruchlinien zwischen den Beschäftigten auftun und zusätzlich d) das – aus unseren Lohnbestandteilen finanzierte – AMS zur Profitsicherung ausgeräumt wird.
Kurze Vollzeit für alle
Demgegenüber geht es vielmehr darum, die Arbeitszeitverkürzung als entscheidenden Hebel im gesellschaftlichen Ringen zu begreifen. Denn während auf der einen Seite die Arbeitslosigkeit im Land jüngst auf ein Allzeithoch geklettert ist, steigt auf der anderen Seite der Leistungsdruck auf die Beschäftigten und man bürdet ihnen Millionen von Überstunden auf. Beides spiegelt indes nur kapitalistische Kehrseiten ein und derselben Medaille. Und beidem lässt sich ohne einer weitreichenden Arbeitszeitverkürzung und einer gesellschaftlichen Umverteilung auf alle nicht beikommen.
Arbeitszeitverkürzung für Umverteilung und Arbeitsplätze
Die 35-Stunden-Woche wurde von gewerkschaftlicher Seite bereits als Abgeltung der steigenden Produktivität der 1970er-Jahre(!) gefordert. Heute begründet sie sich schon alleine aus der enormen Produktivitätssteigerung der letzten beiden Jahrzehnte (1996 bis 2016: + 32,2%). Das heißt: Arbeit wird immer effektiver und mit weniger Zeitaufwand für dasselbe Ergebnis geleistet. Allerdings kommt dieser Fortschritt nicht bei den Beschäftigten an: weder finanziell noch durch bessere Personalschlüssel oder durch weniger Arbeitszeit. Eine Arbeitszeitverkürzung bedeutet also auch eine gesellschaftliche Umverteilung von oben nach unten. Allein die Durchsetzung der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich steht für rund 130.000 bis 180.000 zusätzliche Arbeitsplätze. Eine weitergehende weitreichende Arbeitszeitverkürzung könnte sogar einen Wendepunkt eröffnen.
Wir fordern
Nach Jahrzehnten eines gesetzlich-allgemeinen Stillstands bei der Arbeitszeitverkürzung, der aktuell explodierenden Arbeitslosigkeit, sowie einer kontinuierlich absackenden Lohnquote bedarf es dringend einer radikalen Arbeitszeitverkürzung und gesellschaftlichen Umverteilung auf alle im Land!
• Nein zu diesem „sozialpartner“orientierten Gewerkschafts-Modell
• Für eine radikale Senkung der täglichen, wöchentlichen, jährlichen sowie Lebensarbeitszeit!
• Für die längst überfällige Durchsetzung der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich sowie begleitender Arbeitszeitregelungen!
• Für eine weitreichende Arbeitszeitverkürzung auf eine allgemeine und flächendeckende 30-Stunden-Woche!
• Für eine flächendeckende Einführung der 6. Urlaubswoche für alle unselbständig Beschäftigten!
• Klassenkämpferischer Widerstand gegen die Angriffe der Reichen, Industriellen und Banken!
• Zurück zu einer konsequenten Auseinandersetzung für eine umfassende und generelle Arbeitszeitverkürzung, anstatt des Abtausches gegen Lohnerhöhungen!
• Offensiver und konsequenter Kampf der Gewerkschaften für eine radikale Arbeitszeitverkürzung in allen Branchen!