Die jährlich zum 1. Februar präsentierten Jahresarbeitslosenzahlen unterstreichen erneut, in welchem Ausmaß die Geißel und Misere der Arbeitslosigkeit im Land in der „Corona-Krise“ durch die Decke geschossen ist.
Und diese mit der Krise auf neue Rekordhöhen gekletterte Arbeitslosigkeit, bleibt auch die nächsten Jahre verstetigt. Demgemäß sprach der neue Arbeitsminister Martin Kocher noch in seiner Funktion als IHS-Chef denn auch ungeschminkt Tacheles: Die Arbeitslosigkeit, so seine Prognose, wird im Rahmen des gegenwärtig herrschenden wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Regimes wohl erst 2024 wieder auf den Vorkrisenstand von 2019 zurückgehen. Das heißt im Klartext die Festschreibung einer grob 5-jährigen, dramatischen Arbeitsmarktkrise und Massenarbeitslosigkeit.
Mit dieser „sehr schwierigen Situation am Arbeitsmarkt“, wie vom neuen Arbeitsminister angesichts der katastrophalen Jänner-Zahlen gerade euphemistisch bezeichnet, einhergehend, erodieren nicht nur massenhaft Lebensverhältnisse, fallen Hundertausende auf einen Bruchteil ihres bisherigen Einkommens herab, sondern rutschen immer mehr Menschen regelrecht in Armutsverhältnisse ab, in denen sie nicht oder kaum mehr über die Runden kommen.
Wesentlich hierzu trägt nicht zuletzt der Umstand bei, dass das Arbeitslosengeld – die sog. Nettoersatzrate bei Arbeitslosigkeit – in Österreich mit 55% des vorherigen Einkommens auch im internationalen Vergleich skandalös niedrig liegt. Nicht nur gegenüber Ländern wie Belgien und Dänemark in denen diese bei 80% liegt, sondern selbst im Vergleich zum OECD-weiten Schnitt von 65%.
Entsprechend gewinnen auch die Forderungen und Initiativen nach einer massiven Anhebung des Arbeitslosengeldes immer mehr an Zuspruch und Brisanz. Als KOMintern fordern wir daher mit anderen seit Monaten nachdrücklich eine sofortige Erhöhung des Arbeitslosengelds auf 80 Prozent des letzten Netto-Entgelts.
Und das Ziel eines zumindest armutsfesten Arbeitslosengeldes verlangt auch danach. Denn diese 80% würden – wie aus Berechnungen der Arbeiterkammer OÖ hervorgeht – nicht nur das durchschnittliche Arbeitslosengelt über die Armutsschwelle (EU-SILC) heben, sondern auch dem Abrutschen in die Notstandshilfe (die nur mehr 92% des Arbeitslosengeldes beträgt) einen monetären Riegel vorschieben, damit nicht erneut unter die Armutsschwelle zu stürzen.
Den Berechnungen der AK-OÖ bedarf es hierzu jedoch einer Anhebung der Nettoersatzrate im Land auf (mind.) 78%. Die seitens des ÖGB wie der SPÖ und anderer ventilierte Anhebung auf lediglich 70% hingegen reicht für dieses Mindestziel eines armutsfesten Arbeitslosengeldes nicht aus.
Aber schlimmer geht natürlich auch immer. So ließen der grüne Vizekanzler Kogler, sekundiert vom Grüner „Sozial“sprecher“ Koza letzten Sommer die neoliberale Katze aus dem Sack: statt einer generellen Anhebung des Arbeitslosengelds, das in Österreich nach wie vor bei besagter katastrophalen 55% Nettoersatzrate liegt, sollen Arbeitslose „am Anfang mehr und später weniger“ bekommen. Diese degressive Kürzung des Arbeitslosengelds bedeutet, dass es mit der Länge der Bezugsdauer sinkt. Ein Vorschlag, der schon im Schwarz-Blauen Regierungsprogramm Anfang 2018 drinstand, vom neoliberalen Think Tank Agenda Austria mit Nachdruck vertreten wird und sich nun offensichtlich erneut in der Schublade von Kanzler Kurz und seines willfährigen grünen Koalitionspartners liegt.
Der ehemalige AuGE-Arbeiterkammerrat und nunmehrige „Sozial“sprecher der Grünen Markus Koza präzisiert diesen Vorschlag denn auch folgendermaßen: „Worüber wir gerne diskutieren wollen: Über ein Arbeitslosengeld, dass in einer ersten Phase der Arbeitslosigkeit deutlich über den 55 % liegt. Bei 80 oder 70 % zum Beispiel. Damit der Einkommensverlust nicht so drastisch ausfällt wie heute und das Arbeitslosengeld besser gegen Armut schützt. Über den Zeitverlauf und die Dauer kann das Arbeitslosengeld dann schrittweise sinken – aber nicht unter dem aktuellen Stand sozialer Absicherung.“ Die Formulierung, das Arbeitslosengeld darf „nicht unter dem aktuellen Stand sozialer Absicherung“ fallen, sollte bei allen die Alarmglocken schrillen lassen. Denn weder Kogler noch Koza haben gesagt und je gemeint: nicht unter den jetzigen Betrag des Arbeitslosengelds oder gar die Armutsschwelle nach EU-SILC. Sondern „aktueller Stand der sozialen Absicherung“: das aber ist für offizielle Stellen die – von SchwarzBlau heruntergekürzte – Mindestsicherung/Sozialhilfe. Verabschiedet haben sich die Grünen somit von einer Anhebung des Arbeitslosengelds für alle, und verpulverisierte ihre jahrelange Forderung nun in trauter Einigkeit mit der ÖVP zu einer Strafverschärfung für arbeitslose Menschen.
Umso nötiger nur, die Forderung nach einer sofortigen Anhebung des Arbeitslosengeldes auf 80% des letzten Netto-Entgelts auf die politische Kampfagenda zu setzen.