Arbeitskampf an der Uni: Der akademische Unterbau hat nichts zu verlieren außer seinen Ketten(verträgen)  

Seit Jahren verschlechtern sich aufgrund der neoliberalen Wettbewerbsorientierung, Befristungen der Arbeitsverträge und eklatanten Finanzierungslücken die Arbeitsbedingungen des Forschungs- und Lehrpersonals an den heimischen Universitäten drastisch.

Entsprechend trugen die Lehrenden des sogenannten Unterbaus (vormals Mittelbau) der Universitäten ihre Forderungen, allen voran nach Abschaffung des berüchtigten § 109 des Universitätsgesetzes (Kettenvertrags-§), schon zu den KV-Verhandlungen letzten Dezember lautstark auf die Straße und eröffneten das Sommersemester Mitte März mit einem Protestmonat. Und das Forschungs- und Lehrpersonal zeigte und zeigt sich dabei durchaus betont kampf- und streikbereit.

Demgemäß rufen die Beschäftigten des Unterbaus unter dem Motto „Gemeinsam gegen die Kälte des Prekariats!“ auch anlässlich der diesjährigen KV-Verhandlungen diesen Montag erneut zum öffentlichen Protest auf, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen: „Wie auch im letzten Jahr“, so der Demonstrationsaufruf einleitend, „wollen wir die Kollektivvertragssverhandlungen dazu nutzen, unserem Unmut über die prekären Arbeitsbedingungen an den Universitäten lautstark Luft zu machen!“

Denn – abseits der Einkommen und Arbeitsbedingungen unbefristeter Professuren – sind die Arbeitsbedingungen des heimischen Lehrpersonals an den Universitäten höchst prekär, die Gehälter mies und mangelt es seit dem neuen Universitätsgesetz von 2002 auch an umfassenden Mitspracherechten.

Satte 80 bis 90% des Unterbaus (Postdoc-ForscherInnen, Drittmittelangestellte, LektorInnen und andere WissenschafterInnen unterhalb der Professur – oder 34.000 Beschäftigte in ganz Österreich) arbeiten gegenwärtig in befristeten Arbeitsverträgen, die mit der Novelle der Kettenverträge 2021 auf die Gesamtdauer von acht Jahren nach maximal zweimaliger Verlängerung befristet wurde – danach ist Schluss, ein defacto Berufsverbot.

„Eine traurige Spitzenposition im internationalen Vergleich“, wie das Netzwerk Unterbau Wissenschaft zu Recht bemerkt. Entsprechend bezeichnete Leoni Breth vom Netzwerk die aktuelle Situation schon letztes Jahr auch als schlicht „existenzbedrohend“ und zog einen prägnanten Vergleich: „Das ist so als würde ein Unternehmen nach acht Jahren jemanden kündigen, nur weil er es nicht zum Chef gebracht hat.“

Der Irrsinn von § 109 zeigt sich unter anderem auch daran, dass Studierende, die z.B. neben dem Studium in der Bibliothek arbeiten, nach ihrem Abschluss nur begrenzt akademisch an der Universität beschäftigt werden können, weil jede Anstellung (mit Ausnahme der problematischen freien Dienstverträge) an der Universität in das acht Jahrespensum eingerechnet wird. Daran, dass die koalitionäre Novellierung des § 109 (2021) auch entscheidend auf das Konto der Grünen geht und namentlich von deren Wissenschaftssprecherin Eva Blimlinger auch immer wieder vehement gegen jedwede Kritik verteidigt wird, offenbart sich zugleich die nur notdürftig übertünchte Feindschaft der Grünen gegen Arbeitende und Wissenschaft.

Die Forschenden und Lehrenden des Unterbaus fordern daher unter grundsätzlicher Perspektive auch die Abschaffung des § 109 bzw. allermindestens dessen grundsätzliche Neuverhandlung zur Entfristung der Arbeitsverträge und längerfristige Beschäftigungsperspektiven unter ihrer Einbeziehung. Als unmittelbare Sofort-Forderungen stehen in diesem Kontext aktuell die Einführung einer gesetzlichen Höchstquote befristeter Anstellungsverhältnisse an den Universitäten und mehr unbefristete Dauerstellen im Mittalbau sowie natürlich ein Gehaltsabschluss über der Inflationsrate auf der Agenda.

Zugleich fordern die Beschäftigten des akademischen Unterbaus zugleich eine nachdrückliche, nicht zuletzt auch finanzielle, Attraktivierung unbefristeter Unterbaustellen. Diese müssen, so die Forderung, „Forschung UND Lehre zulassen, dürfen nicht bloß Stellen sein, auf denen man Profs. zuarbeitet, und es müssen vor allem auch attraktiv bezahlte Stellen sein!“ „Letzteres ist aktuell bedauerlicherweise keineswegs der Fall: Im B1-Schema des KV (Senior Scientist, Senior Lecturer, Postdoc usw.) gibt es nämlich nur wenige Gehaltssprünge, wodurch die Lebenserwerbsquote deutlich schlechter ausfällt als beispielsweise bei AHS-Lehrer:innen, die wir an den Unis ausbilden. Eine der wichtigsten Forderungen unserer Gewerkschaft (GÖD/BV13) in den Verhandlungen ist daher die Korrektur dieses Schemas.“ Sprich: Mehr Gehaltssprünge im B1-Schema.

Darüber hinaus enthält der Gesamtforderungskatalog des Unterbaus zudem eine Palette weiterer, weitreichender Reformen des österreichischen Hochschulsystems. Diese reichen von der Behebung der massiven Unterfinanzierung, dem Schluss mit der neoliberalen Ökonomisierung und Wettbewerbsorientierung der Universitäten, über die Ausfinanzierung der Forschung, ordentliche Gehälter und den Aufgaben angemessene unbefristete Arbeitsverträge, sowie eine nachhaltige Personalpolitik, bis zu einer generellen Demokratisierung des Wissenschafts-, Lehr- und Forschungsbetriebs der Hochschulen.

Zur Durchsetzung ihrer Forderungen zeigten sich die Protestierenden dabei schon im Vorjahr betont kampf- und streikbereit. „Es gibt kein Naturgesetz, wieso Unis nicht bestreikt werden sollten, um Verbesserungen durchzusetzen“, unterstrich dementsprechend auch etwa Sebastian Kugler vom Netzwerk Unterbau Wissenschaft die Bereitschaft zu Kampfmaßnahmen für notwendige Verbesserungen unterstreichend. Unterstützung für ihre Forderungen bekamen die Beschäftigten des ehemalig akademischen Mittelbaus dabei auch von zahlreichen ProfessorInnen.

Erfreulich an den Protesten war schon im Vorjahr zudem, dass der Arbeitskampf der Universitätsangestellten in einen Kontext mit anderen Arbeitskämpfen gestellt wurde und die Solidarität mit allen Arbeitenden, national und international stark betont wurde. Zudem wurde in Reden auf den Protestveranstaltungen auch Tacheles gesprochen und die prinzipielle Mitschuld der Sozialdemokratie an den vorherrschenden prekären Zuständen in der Gesellschaft und speziell im Bildungssystem hervorgehoben. Die etablierten Parteien würden nichts ändern, es komme wie in anderen gesellschaftlichen Feldern vielmehr darauf an, dass die Menschen sich für ihre eigenen Interessen organisieren und in den gemeinsamen Kämpfen solidarisch sind, hieß es unter Jubel der Anwesenden.   

 

Foto: Unterbau Uni Wien

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