#ZeroCovid-Debatte 1 – Die emanzipatorische Antwort

#ZeroCovid – eine notwendige Debatte um eine linke Antwort auf die Corona-Pandemie
Verena Kreilinger & Christian Zeller / Mosaik-Blog

Die soeben gestartete #ZeroCovid-Kampagne stößt – auch für die Initiant*innen überraschend – auf einen enormen Zuspruch. In nur fünf Tagen haben rund 70 000 Menschen den Aufruf unterzeichnet. Die Kampagne erreicht eine riesige mediale Reichweite. Es ist ihr gelungen, eine radikale Position im öffentlichen Diskurs sichtbar zu machen. Wann gab es in den letzten Jahren aus einer Situation der kompletten Lähmung einen derartig starken Ausdruck für eine ganz andere Politik?

Die Corona-Pandemie beschleunigt sich gerade enorm. Neuninfektionen und Todeszahlen erreichen Höchstwerte. Neue Mutationen sind aufgetaucht und breiten sich schnell aus – mit unklaren Konsequenzen auf die Wirksamkeit der Impfstoffe. Die Impfung kann in den kommenden Monaten nicht dazu beitragen, die Ausbreitungsdynamik der Pandemie zu kontrollieren.

Die seit Beginn der Pandemie von den Regierungen ergriffenen Maßnahmen schränken unser soziales Leben und unsere Freizeit massiv ein. Gleichzeitig halten sie den Zwang zur Arbeit aufrecht. Die reproduktive Arbeit wird verdichtet, dies trifft insbesondere Frauen hart. Quarantänebrecher*innen sollen demnächst ins Gefängnis gesteckt werden. Die Außengrenzen für Schutzsuchende werden weiterhin gewaltsam geschlossen gehalten. Das Recht auf Versammlungsfreiheit wird nur eingeschränkt ermöglicht. Diese Pandemiepolitik ist längst autoritär. Ihre Zielsetzung ist es auch.

Ziel der herrschenden Pandemiepolitik

Die herrschende Pandemiepolitik zielt nicht darauf ab die Infektionsdynamik einzudämmen, sondern – stets die Kapitalinteressen im Blick – diese gerade so runterzudrücken, dass das Gesundheitssystem nicht komplett zusammenbricht, woraufhin die Regierungen einen massiven Vertrauensverlust erleiden würden. Dieses „geordnete Sterben“ trifft die Menschen ungleich. Die Wahrscheinlichkeit sich anzustecken, schwer zu erkranken und zu sterben, aber auch die Auswirkungen der bisher ergriffenen Maßnahmen treffen auf eine rassistisch und patriarchal geprägte Klassengesellschaft und verschärfen diese. 

Mit dieser zynischen Strategie ist radikal zu brechen. Eine solidarische Perspektive auf ZeroCovid muss keineswegs den autoritären Staat befördern, sondern setzt ihm eine demokratische Alternative von unten entgegen. ZeroCovid ist eine emanzipatorische Strategie. Es geht darum, die Menschen transparent über die Ziele der Viruseindämmung zu informieren. Und sie von einer schwierigen, aber überschaubaren Zeit zu überzeugen. Sozialist*innen und emanzipatorische Linke setzen auf die kollektive Einsicht und die Lernfähigkeit der Menschen. Wir müssen wegkommen von einem administrativen und technischen Verständnis der Pandemiebekämpfung hin zu einem gesellschaftlichen Verständnis. 

Politische Kräfteverhältnisse

Ob sich ein autoritärer Staat durchsetzt, hängt nicht davon ab, ob die Pandemie härter oder weniger hart bekämpft wird. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass jene Staaten, die die Pandemie entschlossen bekämpft haben und dies weiterhin tun, durch diese Strategie autoritärer wurden, als sie das vor der Pandemie waren. Ein solcher Prozess hängt vielmehr von der Dynamik der politischen Kräfteverhältnisse ab. Aber wie verändern wir die politischen Kräfteverhältnisse? Der erste Schritt besteht darin, eine alternative und solidarische Perspektive aufzuzeigen, wofür sich die Menschen gewinnen und begeistern lassen. Eine klare Haltung für die radikale Eindämmung der Pandemie, eine konsequente Verbindung von Gesundheit und Demokratie werden damit zu Voraussetzungen, um autoritären Tendenzen im Staat entgegenzutreten und die Menschen in dieser Widerstandsperspektive miteinander zu verbinden. 

Getrieben durch die Ausbreitung des Virus und seiner Mutationen, sehen sich nun die Regierungen gezwungen, ihre einseitigen und teilweise willkürlichen Lockdowns zu verschärfen und verlängern. Ohne allerdings den Menschen ein klares Ziel mitzuteilen. Je länger diese für das Leben und die Gesundheit der Menschen sowie für die gesamte Gesellschaft verheerende Dynamik anhält, desto stärker greifen die Regierungen zu autoritären Mitteln. Seit einem Jahr ist die gesellschaftliche Linke gelähmt und schaut zu. Das muss sich ändern. Ansonsten droht weiteres gesellschaftliches Elend und eine weitere politische Demoralisierung emanzipatorischer Kräfte.

Kollektiver Widerstand

Dass die Dramatik der Pandemie Menschen dazu bringen kann, kollektiv aufzustehen, haben die Arbeitskämpfe im Frühjahr in Norditalien gezeigt. Im Kampf um Betriebsschließungen haben sie gegenüber einflussreicher Kapitalfraktionen den Shutdown gesellschaftlich nicht notwendiger Industrien durchgesetzt. Diese Stimmung erfasste auch einzelne Gewerkschaften. Shutdown der Wirtschaft heißt: Ende des Arbeitszwangs –und damit des Zwangs, sich tagtäglich dem Risiko einer Infektion auszusetzen. Es gilt der Vereinzelung und gesellschaftlichen Atomisierung in der Krise entgegenzutreten. Anstatt uns Stimmungen anzupassen, müssen wir Stimmungen herstellen. So verändern wir die Kräfteverhältnisse, so geht widerständige Politik. Was ist die Alternative?

Es führt kein Weg daran vorbei, dass die Virusausbreitung durch eine große gesellschaftliche Anstrengung und eine – allerdings kurze – Zeit voller Einschränkungen und Entbehrungen zu stoppen ist. Alles andere führt zu weiteren hunderttausenden von Toten in ganz Europa und an vielen Orten der Welt.

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