COVID-19: Zur Haftung bei allfälligen Impfschäden

Nach der Einigung der Regierung mit breiten Teilen der Opposition tritt mit 1. Februar nun bekanntlich eine COVID-19-Impfpflicht in Kraft. Eine in diesem Zusammenhang immer wieder aufgeworfene Frage war und ist: Und wer haftet für etwaige Impfschäden? Philipp Brokes, Jurist in der Arbeiterkammer, ist dieser Frage in „Arbeit&Wirtschaft“ nochmals detailliert nachgegangen und klärt auf.

Wer kennt es nicht: Ankunft in der Impfstraße, kurzes Arztgespräch, Unterzeichnung eines Konvoluts an Unterlagen, und schon sitzt man in der Impfkabine. In der aktuellen Debatte rund um die bevorstehende Einführung der COVID-19-Impfpflicht taucht nun wiederholt die (nicht unberechtigte) Frage nach der Haftung für allfällige Impfschäden auf. Auffallend dabei: Trotz der breit angelegten Aufklärungskampagne zur Schutzimpfung gegen COVID-19 hüllt sich die Bundesregierung bei dieser Gretchenfrage konsequent in Schweigen. Möglicherweise, um Streitfälle und daraus resultierenden Verwaltungsaufwand hintanzuhalten. Oder aber um die öffentliche Wahrnehmung der Schutzimpfung nicht zu konterkarieren und die Bevölkerung nicht zu verunsichern. Wie dem aber auch sei: Das österreichische Impfschadengesetz gehört tatsächlich zu den besten in Europa. Die Haftung des Bundes für Impfschäden kann damit weder eingeschränkt noch ausgeschlossen werden. Und das darf zur Beruhigung auch gerne betont werden.

Wann der Staat haftet

Grundlage für die Haftung der Republik für allfällige Impfschäden bildet das österreichische Impfschadengesetz aus dem Jahr 1973. Primär auf die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens bestehende Impfpflicht gegen Pocken abgestellt, stellt § 1b klar, dass der Staat auch für Schäden haftet, die sich aufgrund jeder vom Gesundheitsminister „empfohlenen“ Impfung ergeben. Welche Impfungen das sind, ergibt sich dabei aus der auf dieser Grundlage erlassenen Verordnung, die durchaus überraschen kann.

So finden sich darin nicht nur Impfungen gegen Masern, Mumps und Hepatitis B, sondern unter anderem auch jene gegen FSME (Zecken), Influenza (Grippe) und COVID-19. Kurzum: Die Haftung des Staates für Impfschäden greift nicht etwa erst dann, wenn für bestimmte Schutzimpfungen eine Impfpflicht gilt. Das Impfschadengesetz greift vielmehr schon dort, wo von staatlicher Seite die ausdrückliche Empfehlung ergeht, bestimmte Schutzimpfungen in Anspruch zu nehmen. Im Fall von COVID-19 gilt eine solche seit 19.12.2020.

Wofür der Staat haftet

Zugegeben: Das Impfschadengesetz ist nicht nur deshalb kaum bekannt, weil es von staatlicher Seite kaum bis gar nicht kolportiert wird. Es hat vor allem deshalb kaum praktische Relevanz, weil tatsächliche Impfschäden aufgrund zugelassener Impfungen in der Praxis ausgesprochen selten vorkommen.

Im Jahr 2019 bezogen in Österreich nur 88 Personen Leistungen nach dem Impfschadengesetz, wobei die meisten Fälle (58) auf Schäden nach einer Pockenimpfung zurückzuführen waren. Generell wurden zwischen 1990 und 2019 insgesamt 409 Impfschäden anerkannt. Spannend dabei: Ganze 341 Fälle entfielen hiervon auf Tuberkuloseimpfungen, die allesamt zwischen 1991 und 1994 in Anspruch genommen wurden. Für die Größenordnung: Vor Beginn der COVID-19-Pandemie fanden österreichweit pro Jahr rund drei Millionen Impfungen statt.

Warum betone ich das? Weil Impfschäden im politischen Diskurs fälschlicherweise immer wieder mit klassischen Impfreaktionen bzw. nach der Impfung kurzzeitig auftretenden Nebenwirkungen gleichgesetzt werden. Letztere sind Personen, die zuletzt eine COVID-19-Schutzimpfung in Anspruch nahmen, wohl bekannt: Kopfschmerzen, leichtes Fieber, Schüttelfrost, Druck an der Impfstelle. Diese Nebenwirkungen mögen naturgemäß unangenehm sein, stellen jedoch keinen Impfschaden im Sinne des Gesetzes dar.

Die Haftung des Staates greift vielmehr erst dort ein, wo die Impfung eine dauerhafte gesundheitliche Beeinträchtigung hervorruft. Eine solche liegt dann vor, wenn die Impfung eine über das übliche Ausmaß der Impfreaktion hinausgehende, länger- bzw. langfristige gesundheitliche (und damit auch wirtschaftliche) Schädigung hervorruft, etwa eine dauerhafte Bewegungsstörung oder einen Hirnschaden.

Wie der Staat haftet

Das Impfschadengesetz garantiert zum Ausgleich der Folgen eines Impfschadens eine Reihe staatlicher Entschädigungsleistungen. Kernstück sind dabei Behandlungs- und Rehabilitationskosten und die Übernahme der Kosten für die Versorgung mit allen notwendigen Arznei-, Heilmitteln und orthopädischen Behelfen.

Hat der Impfschaden eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 Prozent für die Dauer von mehr als drei Monaten zur Folge, besteht darüber hinaus Anspruch auf Beschädigtenrente, die sich an den bisherigen Einkommensverhältnissen der betroffenen Person orientiert.

Wird aufgrund des Impfschadens für lebenswichtige Verrichtungen die Hilfe einer anderen Person benötigt, kann überdies eine zusätzliche Pflegezulage gewährt werden.

Aber auch dann, wenn durch die Impfung zwar eine Gesundheitsschädigung eintritt, diese aber keine Dauerfolgen bewirkt, sieht das Gesetz eine einmalige Entschädigung vor, deren Höhe im Einzelfall zu bemessen ist.

Die Leistungen nach dem Impfschadengesetz gebühren im Falle des Todes auch Hinterbliebenen.

Warum der Staat oft nicht haftet

So großzügig das Leistungsspektrum des Impfschadengesetzes auf den ersten Blick auch wirken mag: Wer Schadenersatz geltend macht, der trägt auch die Beweislast für Schaden und Kausalität. Betroffene müssen also imstande sein darzulegen, dass zwischen dem eingetretenen Schaden und der erhaltenen Schutzimpfung „mit Wahrscheinlichkeit“ ein Zusammenhang besteht.

Das erfolgt primär durch schlichte Antragstellung beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice). Schwierig wird es, wenn dieses den Antrag und damit den Ersatzanspruch ablehnt. Gegen die Entscheidung steht zwar der ordentliche Instanzenzug an die Verwaltungsgerichte offen, allerdings kommt darin die entscheidende Rolle unabhängigen Gutachtern zu, die den vorgebrachten Schaden und den Zusammenhang mit der Impfung penibel untersuchen und das Verfahren so oftmals spürbar in die Länge ziehen.

In Deutschland mussten etwa Personen, die nach der sogenannten „Schweinegrippe-Impfung“ in den Jahren 2009/10 an Narkolepsie (Schlafstörung) erkrankten, über fünf Jahre auf ein Gutachten des fachlich zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts warten, bis die Kausalität zwischen der Impfung und der Autoimmunkrankheit bestätigt werden konnte.

Neben den glücklicherweise überaus selten aufkommenden tatsächlichen Impfschäden eventuell auch ein Grund, warum im Jahr 2020 beim österreichischen Sozialministeriumservice insgesamt nur zehn Anträge nach dem Impfschadengesetz einlangten.

Wer sonst noch haftet

Das eingangs erwähnte Konvolut an Unterlagen, das vor Inanspruchnahme der Impfung zu unterzeichnen ist, bleibt in diesem Zusammenhang natürlich nicht ohne Bedeutung. Neben der Haftung des Staates nach dem Impfschadengesetz ist nämlich auch eine zivil- und strafrechtliche Haftung der aufklärenden bzw. impfenden ÄrztInnen einerseits und der Impfhersteller andererseits nicht ausgeschlossen, wenn auch in der Praxis von weitaus geringerer Bedeutung.

So müssen ÄrztInnen bei jedem Impfvorgang naturgemäß lege artis vorgehen, also nach allen Regeln der ärztlichen Kunst. Dabei ist insbesondere der genannte Aufklärungsbogen zu beachten: Gibt die zu impfende Person klar an, gegen bestimmte, in der Impfung enthaltene Stoffe allergisch zu sein, oder handelt es sich überhaupt um eine Person, für die der Impfstoff nicht zugelassen ist, ist die Impfung in der Regel nicht geboten.

Aber auch eine unzureichende Aufklärung über die Impfung selbst kann für ÄrztInnen zu rechtlichen Konsequenzen führen: Die Einwilligung eines Menschen in eine Heilbehandlung ist nur dann wirksam, wenn sie auf Grundlage einer korrekten Aufklärung über allfällige Risiken entstand. Die eigenmächtige (also auf keiner wirksamen Einwilligung beruhende) Heilbehandlung im Sinne des § 110 Strafgesetzbuch ist dabei im Übrigen auch dann strafbar, wenn ein Impfschaden gar nicht erst eintritt.

Der mittlerweile vielfach genannte Aufklärungsbogen spielt daher vor allem in diesem Zusammenhang eine Rolle.

Aber auch die (vielfach für unmöglich gehaltene) Haftung der Impfhersteller selbst ist nach dem Produkthaftungsgesetz (PHG) möglich und durchaus denkbar. Die EU-Produkthaftungsrichtlinie und auf deren Grundlage ergangene Judikate des EuGH ließen die Hürde für die Beweislast impfgeschädigter Personen zuletzt erheblich sinken – und das ist zu begrüßen.

Fazit

Oft für kaum möglich gehalten, ist die Haftung für allfällige Impfschäden rechtlich besser verankert, als man vermuten würde. Neben Entschädigungsansprüchen gegen den Staat ist der Rechtsweg gegen impfende bzw. aufklärende ÄrztInnen, aber auch die Impfhersteller selbst keinesfalls ausgeschlossen. An diesem Umstand ändert auch die bisher „bedingte“ Zulassung einzelner Impfstoffe oder die Unterzeichnung der Aufklärungsbögen vor Inanspruchnahme der Impfung nichts. Voraussetzung ist dabei, dass ein tatsächlicher, über eine temporäre Impfnebenwirkung hinausgehender gesundheitlicher Schaden eintritt.

Es wäre durchaus Aufgabe des Staates, diese (beruhigenden) Informationen mit einer intensiven Impfkampagne zu verknüpfen, um diesbezügliche Ängste und Unsicherheiten auch bestmöglich einzufangen. Besonders in einem Land, in dem selbst in Pandemiezeiten durch gewisse Gruppen mit genau diesen Ängsten und Unsicherheiten gezielt und bewusst politisches Kleingeld geschlagen wird und zahlreiche Medien gezielt falsche Informationen verbreiten.

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