Weltklima am Kippen – Bruch mit dem System statt Klima-Umbruch!

Gemeinsam für eine radikale Umwälzung!

Der heißeste Sommer Europas seit Beginn der Aufzeichnungen, Dürren, Waldbrände und zu Rinnsalen versiegende Flüsse rund um die Welt, Monsunfluten und Überflutungen im Anschluss an dörrende Hitzewellen, globale Ernteverluste, drastische Einschränkungen der Strom- und Energieerzeugung als Folge des Klimawandels weltweit – die Klimakatastrophe schreitet voran. Gleichzeitig steigen auch 30 Jahre nach dem historischen Rio-„Erdgipfel“ die Treibhausgas-Emissionen unvermindert an, ja befinden wir uns sogar inmitten eines neuen Emissions-Rekordjahrs, und überschreiten wir wohl schon in ein paar Jahren, sehr wahrscheinlich noch vor 2030, das 1,5°-Ziel.

Der Kampf gegen die Klimakatastrophe bedarf eines dringenden, tiefgreifenden Umbaus unseres gesamten Wirtschaftssystems: einschließlich der fundamentalen Umstellung der energetischen Grundlagen, einer grundlegenden Mobilitätswende und einer öko-sozialen Neugestaltung der gesamten gesellschaftlichen Infra- bis Wohnstruktur. Und zwar in kurzer Frist. Denn bei einer weitergehenden Erderwärmung sind wir nicht mehr „bloß“ mit einem sozusagen gemächlichen Klima„wandel“ konfrontiert, sondern stehen als Menschheit unmittelbar an der Schwelle zu einem gravierenden, menschenverursachten Klima„umbruch“.

Um aber dafür Sorge zu tragen, dass die Beschäftigten in diesem unumgänglichen Umbau nicht unter die Räder kommen, bedarf es – unter gewerkschaftlicher Perspektive – freilich eines unaufkündbaren Gleichgewichts aus Ökologie und Sozialem. Jeder Versuch, die tiefe, ineinander verwobene Einheit der ökologischen und sozialen Frage auseinanderzureißen, führt in die falsche Richtung. Zumal angesichts der tiefen sozialen Krise und wachsenden sozialen Polarisierung, bei der, wie jüngst formuliert wurde, eine der kapitalistischen Profitlogik verpflichtete Klimapolitik vielen „zum sozialen Belastungsfaktor zu werden droht“.

Wege aus der Zangenkrise

Dieser sozial-ökologischen Doppel- oder Zangenkrise können wir daher auch nur in einer entsprechenden, eigenständigen Strategiebildung gerecht werden – die gewerkschaftlich wiederum sowohl ihre Schutzfunktion wie ihre politische Gestaltungsfunktion in diesem Transformationskonflikt aktiv zur Geltung bringen muss. Das aber verlangt nach umfassenden, eigenen, zukunftsweisenden Konzepten der wirtschaftlichen, ökologischen und verteilungspolitischen Umstrukturierung und einer gesellschaftlichen Umwälzung. Konservative, rein bewahrende gewerkschaftspolitische Positionen in Industrie- und Wirtschaftspolitik hingegen, werden der Komplexität nicht gerecht. Es geht vielmehr auch um nötige Konversionen (Umstellung auf alternative Produkte und Produktionen) bis hin zu Fragen der gesellschaftlichen Entscheidung und Verfügung über unsere Lebensbedingungen, die Produktions- und Investitionspolitik sowie der gesamten Produktionsweise.

Allerdings hinkt die Gewerkschaftsbewegung in Österreich, trotz zunehmender allgemeiner Einsicht in die Bedeutungsschwere der Frage sowie verstreuter Ansätze im Einzelnen, diesen Anforderungen insgesamt noch weit hinterher. Und während Gewerkschaften anderer Länder, allem voran des globalen Südens, die sozial-ökologische Doppelherausforderung der Zeit bereits zum Programm erhoben haben, fristen ökologische Fragen und die Klimapolitik als Feld des Gewerkschaftskampfs hierzulande noch ein – zudem widersprüchliches und uneindeutiges – Schattendasein.

Höchste Zeit zu handeln: Weltklima vor dem Kippen

Vor exakt einem halben Jahrhundert, 1972 in Stockholm, fand die erste UN-Umweltkonferenz statt. Das zeigt, dass man sich der globalen Umweltprobleme, denen es gegenzusteuern gilt, selbst in den politischen Institutionen der Zentren des entwickelten Kapitalismus klar wurde. Spätestens seit dem „Erdgipfel“ von Rio de Janeiro vor 30 Jahren (1992) bzw. dem vorbereitenden, ersten ausführlichen UNO Klima-Report 1990 wiederum gilt die durch den menschlichen Einfluss verursachte globale Klimaerwärmung und die Unumgänglichkeit einer rigorosen Begrenzung der Erderwärmung weltweit als nicht mehr bestritten. Trotzdem: Das Ergebnis eines halben Jahrhunderts realer kapitalistischer Klimapolitik lässt das Klima nun wohl endgültig kippen.

Sämtlichen Projektionen zufolge überschreiten wir schon in ein paar Jahren die 1,5° C. Gleichzeitig sieht eine neue Studie führender KlimaforscherInnen und PIK-Experten (Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung)aus mehreren Ländern in einer Neubewertung der Daten der letzten Dekade mittels eines aktualisierten Modells, das Klima schon früher kippen als bislang angenommen. Ihrer Studie zufolge reicht selbst das Pariser 1,5-Grad-Ziel womöglich nicht aus, um den Kollaps zu verhindern. So werden schon bei einer Erwärmung um 1,5° mit einiger Wahrscheinlichkeit mehrere Schwellenwerte überschritten – womit sich die Klimakrise in einer planetaren Kettenreaktion verselbständigen und vielfach unumkehrbar außer Kontrolle geraten würde.

Die neuen Forschungsergebnisse besagen nicht weniger, als dass einerseits das alte, die Klimadebatte lange begleitende 2°-Ziel schlechthin obsolet ist und wir andererseits eventuell schon 2030 vier der gefährlichen ökologischen Schwellen überschreiten könnten: das unwiederbringliche Abschmelzen der grönländischen und westantarktischen Eisschilde, das Tauen der Permafrost-Böden und das Absterben der tropischen Korallenriffe. „Die Vorstellung, wenn wir 1,5 Grad nicht schaffen, dann werden es eben zwei Grad, ist ein gefährlicher Trugschluss“, so der bekannte Klimaforscher Johan Rockström, der die Empfindlichkeit „Klima-Kippelement durch Erderhitzung“ ebenfalls bislang noch deutlich unterschätzt sieht. Den neuesten Forschungsergebnissen zufolge schrillen die Alarmglocken vielmehr bereits bei 1,5°. Bei zwei Grad ist das Klima bereits aus dem Lot.

Gelingt es nicht die globale Erwärmung in der gebotenen Dringlichkeit zu stoppen (bzw. mindestens noch radikal zu begrenzen und einzuhegen) „ist die Erde geradewegs auf Kurs, mehrere gefährliche Schwellenwerte zu überschreiten, die für die Menschen auf der ganzen Welt katastrophale Folgen haben würden“, so nochmals Rockström.

Und als ob es noch einer zusätzlichen Herausstreichung der Dringlichkeit gebraucht hätte, hat ein weiteres ForscherInnenteam gerade die Ergebnisse seiner Studie zum berüchtigten Thwaites-Gletscher in der Westantarktis publiziert. „Der Thwaites hält sich inzwischen wirklich nur noch mit seinen Fingernägeln fest“, formuliert es Robert Larter, Mitautor der Studie, drastisch. Nur ein „kleiner Klick“ könnte ihm den Rest geben und seinen Kollaps bewirken, was den Meeresspiegel relativ abrupt um etwa 65 Millimeter ansteigen lassen und damit ganze Küstenstädte und Regionen überfluten würde, sowie darüber hinaus den gesamten westantarktischen Eisschild insgesamt weiter destabilisieren und zu noch rascherem Abschmelzen bringen würde. „Wir sollten in Zukunft“, so denn auch die Warnung des Meeresgeophysiker, vor diesem Hintergrund „mit großen Veränderungen in kleinen Zeiträumen rechnen – sogar von einem Jahr zum nächsten.“

Brückenschlag, Gesamtkonzept & Konfliktbereitschaft

All das zeigt gleichzeitig: Einzig über marktkonforme Lenkungsinstrumente und eine marktwirtschaftliche Regulierung auf der Grundlage des „Spiels der Preise“, ist dem Klimawandel und einer „Kipp-Kaskade“ nicht (mehr) beizukommen. Dafür braucht es schon eine radikalere Orientierung, die auch vor den Gesetzen des Marktes nicht Halt macht, sondern vielmehr die notwendigen Brüche mit marktwirtschaftlichen Regeln vollzieht. Denn ohne massive (staatliche) Eingriffe in das Wirtschaftsgeschehen resp. ohne gesellschaftliche Planung, sowie einer globalen solidarischen Perspektive (denn sowohl das Klimasystem, wie die Ursachen und Folgen des Klimawandels sind global verknüpft) wird sich das menschliche Naturverhältnis nicht ins Lot bringen lassen. Ökologische wie soziale Nachhaltigkeit und Kapitalismus schließen sich dagegen gegenseitig aus.

Selbst die UNO und deren Generalsekretär Guterres warnen mittlerweile, dass der Klimawandel nicht bloß eine bereits „ungeahnte zerstörerische Tragweite erreicht“ hat, sondern wir ohne „radikale Maßnahmen“ in eine Klimakatastrophe und chaotische Zustände noch ganz anderer Tragweite schlittern. Und anstatt endlich aus fossilen Brennstoffen auszusteigen, gerate die Welt realiter vielmehr sogar immer tiefer in deren Abhängigkeit. Ja, der alles dominierende westliche Fokus auf geopolitische Konflikte um die hegemoniale Vorherrschaft und globale Rivalitäten – so lässt sich mit Raphaël Schmeller ergänzen –, hat „die größte Herausforderung der Menschheit im 21. Jahrhundert – die Bewältigung der Klimakrise – in den Hintergrund gerückt“.

Das aber heißt: Anstatt Orientierungen auf einen „grün“ lackierten, „sozialpartnerschaftlichen“ Krisenkorporatismus mit den wirtschaftlichen und politischen Vertretern der Konzerne, Monopole und Finanzmärkte, gilt es demgegenüber die ökologischen Herausforderungen auch als grundlegende gesellschaftsverändernde Chance zu begreifen. Dazu braucht es jedoch zugleich einen ernsthaften wechselseitigen Brückenschlag von Gewerkschaften und Öko- bzw. Klima-Bewegungen!

Gleichzeitig benötigt es ein eigenes Gesamtkonzept des notwendigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturwandels, das den grundlegenden Umbau unserer Wirtschafts- und Lebensweise mit einem unabdingbaren, durchgearbeiteten Sofortprogramm im Einzelnen verknüpft. Um aus der Palette der damit im Zusammenhang stehenden Problemfelder im Land nur einige beispielhaft zu nennen: 800.000 Ölheizungen müssen ersetzt werden, die Güter dringend auf die Schiene gezwungen werden. Parallel dazu stellt sich die Frage nach einer Klimamaut für LKWs. Es bedarf eines klimagerechten Hochbaus, u.a. mit Holz statt Beton, Außenrollos, Beschattungen, Fassaden- und Dachbegrünungen etc., die bis zu Fragen einer entsprechenden Anpassung der Bauordnung reichen. Gleichzeitig braucht es den massiven Ausbau leistbarer Öffis und eine ökologische, thermische Offensive im Wohnsektor sowie in der Industrie in Richtung klimaneutraler Geothermie und Solarthermie – und einen sofortigen Umbau des Energieversorgungssystems auf Erneuerbare und den Ausstieg aus fossilen Energieträgern.

Zu vielen dieser Punkte und zu weiteren Fragen existieren verstreut über die Fachgewerkschaften, Landes-Arbeiterkammern, dem ÖGB und der Bundesarbeitskammer auch einzelne Forderungsprogramme und Expertisen. Allerdings ermangelt es ÖGB und AK nach wie vor noch konsolidierter Positionen und eines umfassenden, eigenen, zukunftsweisenden Gesamtkonzepts der wirtschaftlichen, ökologischen und verteilungspolitischen Umstrukturierung und des gesellschaftlichen Umbaus. Vor allem aber fehlt die dafür unumgängliche gewerkschaftliche Konfliktbereitschaft, bis hin zu Fragen der gesellschaftlichen Entscheidung und Verfügung über unsere Lebensbedingungen!

Feld des Klassenkampfs: Welt retten = Kapitalismus überwinden!

Denn: es sind nicht „die Menschen“ oder „die Gesellschaft“ schlechthin, die für die tief-greifende, gegenwärtige Umwälzung des Weltklimas verantwortlich sind, sondern das kapitalistische System. Das Verhältnis „Mensch – Natur“ ist nicht sozial indifferent, sondern wird durch das gesellschaftliche Verhältnis „Mensch – Mensch“, also die kapitalistische Produktionsweise bestimmt, in dem die globale Klimakrise in letzter Instanz wurzelt. Nämlich in der Profit-Logik, den dem System eingeschriebenen Konkurrenzzwängen, des spezifisch kapitalistischen Wachstumszwangs und der imperialistischen Vorherrschaft sowie strukturellen Vermachtung der Welt, samt deren ökologischen Plünderungen und globalem (neo-)kolonialen Raubbau an der Natur.

Gleichzeitig sind es global zurzeit (noch) gerade jene Länder und Regionen, die die Folgen des Klima-Umbruchs bis hin zu Hungersnöten, Überflutungen oder Wasserknappheit am drastischsten zu erleiden haben, die am wenigsten zur Erderwärmung beigetragen haben. Und auch in den Industrieländern trifft der Klimawandel allem voran alte und sozial schlechter gestellte Menschen sowie Bewohner benachteiligter Stadtteile und Orte.

So wichtig und unumgänglich daher jeder nur mögliche Beitrag zur Klimarettung ist (und wir können nicht warten!): Die Welt zu retten heißt daher nicht weniger, als den Globalkapitalismus mit seiner Profitlogik, seinem Raubbau an der Natur und seinen umwelt- zerstörerischen Systemeigenschaften als tiefste Ursache der Klimakrise zu überwinden.

KOMintern fordert:

• Für eine umfassende wirtschaftliche, ökologische und verteilungspolitische Wende und Umstrukturierungen!

• Umstellung auf alternative Produkte und Produktionen bis hin zu Fragen der gesellschaftlichen Entscheidung und Verfügung über unsere Lebensbedingungen, die Produktions- und Investitionspolitik, sowie der gesamten Produktionsweise.

• Für eine global koordinierte, solidarische Strategie und Gegenmacht der Klimabewegung von unten!

• Für Klimagerechtigkeit: samt Anerkennung der „historischen Verantwortung“ des kapitalistischen Metropolenkapitalismus, Kompensationsleistungen, des Ausgleichs der Anpassungsmaßnahmen der armen und peripheren Länder und Deckung der vom Klimakiller Kapital verursachten und hervorgerufenen Verluste und Schäden!

• Brückenschlag der Gewerkschaften zu den unterschiedlichen Bewegungen und viel- fältigen Protesten gegen die Klimakrise – anstatt Orientierungen auf einen „grün“ lackierten „sozialpartnerschaftlichen“ Krisenkorporatismus mit den herrschenden Wirtschaftsvertretern und ihrem politischen Personal.

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