Vom Scheitern des Green Deal

„Der Klimawandel ist da“, so UN-Generalsekretär Antonio Guterres vor knapp einem Jahr. Und wir stehen erst an dessen Anfang. „Die Welt sitzt auf einem heißen Stuhl“, so Guterres weiter und erklärte markant „die Ära der globalen Erwärmung“ für beendet. Nun sei vielmehr bereits „die Ära des globalen Kochens (oder: Siedens – boiling) angebrochen“. Die Menschheit steht denn auch vor der Wegscheide die 1,5°-Marke definitiv zu reißen, wie die UNO gerade erneut nachdrücklich warnte. Vor diesem Hintergrund schrillen ob des Aufbrandens der „Klimaleugner“ von ‚rechts außen‘ natürlich auch unter klimapolitischem Gesichtspunkt völlig zu Recht die Alarmglocken. Allerdings, der „European Green Deal“ wurde realiter bereits von der „radikalen Mitte“ (Ingeborg Maus) weitgehend verwässert und eingeholt. Von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit dem Apollo-Projekt verglichen und mit dem Versprechen einer europäischen „Mondlandung“ versehen, droht so, nur fünf Jahre nach seiner pompösen Verkündung, schlicht die Bruchlandung, wie es der unbestechliche wie scharfsinnige Beobachter der europäischen Politik Eric Bonse jüngst in der taz auf den Punkt brachte – dessen Kommentar wir als löbliche Ausnahme aus den Verzeichnungen des EGD (dem Autor zufolge „alles andere als eine Erfolgsgeschichte“) wir hier gekürzt wiedergeben.

Die letzte Europawahl war eine Klimawahl. Schüler und Eltern von „Fridays for Future“, Grüne und Sozialdemokraten machten 2019 massiven Druck für eine klimagerechte Transformation der Wirtschaft. Mit Erfolg. Als erste Amtshandlung verkündete EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen einen „European Green Deal“.

Statt vom Klima spricht von der Leyen nun von Aufrüstung und Bürokratieabbau. Und die Europäische Volkspartei (EVP) rüttelt am „Verbrennerverbot“, das ab 2035 nur noch schadstofffreie Fahrzeuge zulässt. Scheitert der Green Deal? Wollen von der Leyen und ihre EVP das Rad der EU-Politik zurückdrehen?

Wenn sich von der Leyen nach der EU-Wahl tatsächlich mit rechten Parteien verbünden sollte, drohe eine klimapolitische Katastrophe [wird gewarnt].

Doch hat der schwarz-grüne Deal wirklich funktioniert? Müssen die ehrgeizigen Klimagesetze, die Brüssel in den vergangenen fünf Jahren auf den Weg gebracht hat, jetzt „nur noch“ ordentlich umgesetzt werden? Und was ist eigentlich aus dem Versprechen geworden, dass der Green Deal der EU zu neuem, grünem Wachstum verhelfen und Europa zum Weltmarktführer bei „Green Tech“ machen werde?

Schlechter Witz

Dieses Versprechen hat sich als falsch erwiesen. Das deutsche Wachstum ist ein schlechter Witz und die EU ist wirtschaftlich weit zurückgefallen. Bei „Green Tech“ hat Europa sogar den Anschluss verloren. Sonnenkollektoren und Windräder werden mittlerweile in China produziert, energieintensive Unternehmen sind in die USA abgewandert oder planen dies zu tun. Das Gespenst der „Deindustrialisierung“ geht um in Europa.

Nur Schwarzmalerei? Nein. Die Realität hat den Green Deal überholt. Er beruht auf einem marktwirtschaftlichen Ansatz, während China und die USA auf Subventionen und Protektionismus setzen. Von der Leyen will die Wirtschaft regulieren, US-Präsident Joe Biden lockt mit Steuervorteilen. Bidens „Inflation Reduction Act“ zeigt Wirkung, von der Leyens Deal nicht – oder nur unzureichend.

Klar, die CO2-Emissionen gehen runter, der Anteil erneuerbarer Energien steigt. Doch kein einziges EU-Land ist bei der grünen Transformation „on track“ (im Plan), wie ein grüner EU-Abgeordneter einräumt. Selbst Deutschland droht seine Klimaziele zu verfehlen. Erfolge bei der Senkung der Treibhausgase sind vor allem auf Corona und die Wirtschaftskrise zurückzuführen – und nicht auf eine gelungene Politik.

Besserung ist nicht in Sicht. Denn dafür müssten die Investitionen in den Klimaschutz massiv steigen. Nach Angaben der EU-Kommission wären allein bis 2030 zusätzliche 620 Milliarden Euro nötig – pro Jahr. Das entspricht 3,7 Prozent der Wirtschaftsleistung der EU.

Klammheimlich zusammengestrichen

Zusätzlich müssten die Europäer in Klima-Resilienz oder „Anpassung“ investieren: Deiche, Dämme, Fluss-Renaturierungen, Regenrückhaltebecken – aber auch Wärmedämmung, Klimaanlagen, um die Folgen der Klimakrise abzufedern. Doch dafür hat Brüssel bisher noch nicht einmal ein Programm aufgelegt.

Dringend nötig wäre auch ein Klimageld, um die sozialen Folgen der Transformation abzufedern. Doch auch dafür ist kein Geld da. Der EU-Klimasozialfonds ist klammheimlich zusammengestrichen worden. Der soziale Teil des Green Deal wurde de facto aufgekündigt.

Dabei kommt das dicke Ende noch. Der europäische Emissionshandel – das wichtigste Markt-Instrument – sieht kräftig steigende Preise vor. Ab 2027 werden auch Gebäude und Verkehr in den Handel einbezogen. Dann dürfte es für die Verbraucher richtig eng werden.

Schon jetzt murren viele Bürger ob der steigenden Preise, rechtspopulistische Parteien nutzen die Unzufriedenheit für ihre Zwecke aus. Bei der Europawahl könnten die Rechten deutlich zulegen – auch wegen der verkorksten Klimapolitik.

Doch die EU hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Statt den Green Deal neu zu justieren und um ein Sozialprogramm zu ergänzen, will sie die Unternehmen entlasten. Nach der EU-Wahl sollen zudem Strafzölle auf günstige E-Autos made in China kommen. Der Umstieg auf schadstofffreie Fahrzeuge wird so verteuert und erschwert – und nicht erleichtert, wie versprochen. Der Green Deal war eine schöne Idee. Nun wird er wohl endgültig verkorkst.

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