Dass die EisenbahnerInnen angesichts der explodierenden Inflation die von ihr geforderte vorgezogene KV-Runde für die Eisenbahnberufe erreicht haben, kann durchaus als erster Etappenerfolg in Bezug auf die Lohnverhandlungen für die rund 50.000 Beschäftigten und die Herbst-KV-Runde insgesamt verbucht werden. In den Verhandlungen aber hakt es. Nachdem auch in der 2. Runde kein ernsthaft verhandelbares Angebot seitens des Fachverbands Schienenbahnen in der WKÖ vorgelegt wurde, hat die zuständige Gewerkschaft vida diesen Montag eine BetriebsrätInnenversammlung zum Verhandlungsstand und allfälligen Kampfmaßnahmen einberufen.
Gefordert wird: „Eine Erhöhung von brutto 500 Euro im Monat auf die KV- und Ist-Löhne für alle in der Eisenbahnbranche, die Abgeltung der gestiegenen Produktivität sowie die Einführung eines Bruttomindestlohns von 2.000 Euro im Monat. Zusätzlich sollen die Zulagen um die rollierende Inflation erhöht und die und die Lehrlingseinkommen um 250 Euro im Monat angehoben werden.“ Und diese +500 Euro sowie ein Mindestlohn von 2.000 Euro ist für die Eisenbahnberufe, in denen der Mindestlohn in vielen Verwendungsgruppen weit darunter liegt und in den untersten auch am Ende der Lohn- und Gehaltstafel nicht erreicht wird, auch dringend von Nöten.
Die Arbeitgeber wurden denn auch noch einmal nachdrücklich aufgefordert, der Gewerkschaft bis zu Beginn der BetriebsrätInnenversammlung ein konkretes Angebot zu übermitteln. Dabei ist klar, wie die vida betont, „dass es sich 2022 um keine normale Lohnrunde handelt und wir einen Abschluss brauchen werden, der ein starkes Fundament bildet.“
Neben der Eisenbahnbranche selbst kommt der KV-Runde der Kollegen und Kolleginnen der Eisenbahn mit ihrer besonderen gewerkschaftlichen Schlagkraft zugleich eine besondere Bedeutung im diesjährigen KV-Herbst als weichenstellende Lokomotive zu. Und mit ihrem hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad und ihrer Position am gesamtwirtschaftlich neuralgischen Punkt des Verkehrsbereichs, haben sie auch die Hebel dazu in der Hand wenn sie ihren allfällig bevorstehenden Arbeitskampf – anders als in den Eisenbahnerstreiks 2003 und 2018 – in aller Entschlossenheit und Konsequenz aufnehmen und bis zum erreichbaren Erfolg forcieren.
Überdies ist es schlicht unabdingbar, dass die dringend gebotene Verlagerung des Güter- und Personenverkehrs auf die Schiene mit entsprechenden Lohneinkommen und Arbeitsbedingungen einhergeht und dem Personalnotstand bei der Bahn entgegengesteuert wird. Denn eine sozial-ökologische Verkehrswende bedingt unauflöslich mit dieser zugleich umfassende Attraktivierungen für die Beschäftigten, sprich: kräftige Erhöhung der Löhne und Gehälter und erheblichen Verbesserung der Arbeitsbedingungen, die enorm gewachsenen Belastungen abzubauen und die immer weitere Arbeitsverdichtung wieder zu reduzieren, sowie eine Ausbildungs- und Einstellungsoffensive in die Wege zu leiten und das Personal in jeder Hinsicht aufzustocken.
Denn, um den gesamten Tätigkeitsbereich Bahn mit Winfried Wolf, auch mal zu umreißen: „Mechatronikerinnen und Schlosser halten Fahrzeuge instand. Fahrerinnen und Fahrer sind bis spät in die Nacht und am frühen Morgen für uns unterwegs … auch samstags und sonntags. Ingenieurinnen und Ingenieure zeichnen für die Sicherheit von Brücken, Tunneln, Schienen und Oberleitungen verantwortlich. Verwaltungskräfte nehmen Beschwerden entgegen, Reinigungskräfte säubern die Fahrzeuge und Bahnhöfe und kümmern sich im Winter um die Beseitigung von Schnee und Eis. Der klimaschonende Schienenverkehr wird von Menschen gemacht.“ Die hier und dort bisweilen teilweise outgesourcten Tätigkeiten (deren Wiedereingliederung gefordert ist) wiederum, lassen sich leicht durch eine Weiterführung der Aufzählung wie Schaffner und Schaffnerinnen, Fernverkehr mit Übernachtungen an den Zielbahnhöfen der Strecken oder im Ausland, Ticketverkauf und Beratungen an den Bahnhofsschaltern usw. gegenrechnen.
Dazu kommt, ohne rigorosen Ausbau des öffentlichen Verkehrs in der Fläche, eines breiten umgebungsnahen Zugangs samt Anbindungen an die Bahnhöfe (mittels entsprechender Parkplätze und/oder öffentlicher Shuttledienste), und einem massiven Gegensteuern gegen die bereits jetzt bis zum Bersten ausgelasteten bzw. vielfach bereits überlasteten Hauptachsen zu den Haupt-Pendelzeiten, samt der dafür notwendigen Zuggarnituren entsprechenden Komforts, wird eine ökologische Verkehrswende des Personenverkehrs schlicht nicht zu haben sein. Klimaticket hin oder her. Und das bedarf nicht nur der nötigen Investitionen in die Infrastruktur, sondern ebenso des dafür notwendigen Personals und entsprechend attraktiven Arbeitsplätzen für die Beschäftigten.
Dasselbe gilt nicht minder ebenso für die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene. Auch hierfür kann es nicht bloß bei einer geänderten Gleisanschlusspolitik und einem Ausbau des Schienennetzes (inkl. Überhol- und Ausweichgleisen) sowie einer innovativen Güterwagenflotte sein Bewenden haben, sondern bedarf es – neben dem Ganzzugverkehr und dem Kombinierten Verkehr – auch etwa einer Renaissance des sog. Einzelwagenverkehrs, samt der für diese Verlagerungen notwendigen Umschlagterminals und Logistikzentren. Und auch diese erfordern das nötige Personal – vom dafür erforderlichen Rangierpersonal, über Lokführer und Lokführerinnen bis zu IT-Technikern und –Technikerinnen der Bahn 4.0 – mit entsprechenden Löhnen und Arbeitsbedingungen.
Daher: Keine faulen Kompromisse – Keine faulen Deals! Es ist höchste Eisenbahn die Weichen auf Vorfahrt für die Beschäftigten zu stellen bevor der Zug für die Werktätigen abgefahren ist.