USA: Die Inflation frisst Bidens „Neues Amerika“

Während die EZB in Europa und die FED im letzten Jahrzehnt an ihren 2%-Zielmarken fast verzweifelten, ist die von ÖkonomInnen schon fast totgesagte Inflation zurück und beherrscht (neben Corona) aktuell von der Türkei über Afrika und Europa oder Lateinamerika bis in die USA die Gemüter. Ja, die US-AmerikanerInnen sehen die Inflation laut Umfragen mittlerweile als das größte politische Problem des Landes.

Mit 6,8% ist diese zuletzt auf einen Rekordwert seit 40 Jahren (Juni 1982) geklettert. Zum einen, analog Europa, explodierten mit einer Teuerung von fast 60% auch in den USA die Treibstoffpreise regelrecht, was im weitaus dünner besiedelten Flächenstaat jenseits des Atlantiks und traditionellem Autoland noch eine Spur stärker auf die Lebensverhältnisse durchschlägt. Ähnliches gilt für Erdgas, das um rund 25% anzog. Dazu stiegen die Preise für Neuwagen wie für Gebrauchtautos. Zum anderen zogen in den USA auch die Kosten für Lebensmittel mit 6,1% schmerzlich spürbar an. Fleisch, Fisch und Eier verteuerten sich sogar um knappe 13%. Vor allem die 140 Millionen GeringverdienerInnen und Armen in „God’s Own Country“ oder unteren 40% der Bevölkerung sind von den Preissteigerungen nochmals überproportional und erheblich getroffen.

Entsprechend feixen denn auch Donald Trump und seine Republikaner-Truppe, Biden habe mit seinem Bruch mit den Reaganomics die USA in eine „Inflationsnation“ verwandelt. Sekundiert wird ihnen dabei von Larry Summers, Ex-Finanzminister und Harvard-Professor, und Konsorten. In der Tat hat Biden mit zwei seit Reagan etablierten neoliberalen Dogmen gebrochen: zum ersten, dass Steuersenkungen fürs Kapital und für Reiche über den sogenannten „Trickle down“-Effekt nach unten durchrieseln und damit zu allgemeinem Wohlstand führen würden und zweitens, dass die Staatsausgaben nicht höher sein dürften als die Steuereinnahmen. Nur war und ist Bidens ganzes „Build Back Better“(BBB)-Investitionsprogramm für einen tatsächlichen Umbau des US-Kapitalismus in seinem Volumen in Wirklichkeit viel zu gering veranschlagt, auch zu unkonturiert, in Kompromissabsicht mit den Republikanern ohnehin schon abgespeckt und hängt mit dem aktuellen „No“ seines Parteifreunds und demokratischen Senators Joe Manchin aus dem Kohle- und Gasstaat West Virginia zur Zeit ohnedies in der Luft.

Die FED wiederum steckt in einer faktischen Zinsfalle. Zieht sie die Leitzinsen, um der Inflation Einhalt zu gebieten ordentlich an, droht sie den mit Bidens Konjunkturprogrammen angeschobenen Wirtschaftsaufschwung ab- und auszubremsen. Bleibt sie bei ihrer lockeren Geld- und Billigkreditpolitik, heizt sie bis zu einem gewissen Grad wiederum die Preisinflation weiter mit an. Wobei man ihre Macht auch nicht überschätzen sollte. Gegen hohe Energiepreise, Lieferschwierigkeiten in der Autoindustrie und damit einhergehende Preissteigerungen von Neuwagen sowie attraktiver werdenden Gebrauchtwagen etwa, kann sie auch zinspolitisch nicht wirklich was ausrichten. Und auch die im Aufschwung für die USA im Vorjahr um immerhin rund 4,8% gestiegenen Löhne bleiben gleichviel deutlich hinter den Teuerungen zurück.

Nötig wäre denn auch vielmehr (mindestens) eine rigorose verteilungspolitische Wende. Dazu aber taugt entgegen den vielfältigen medialen Unkenrufen Bidens Programm nicht. Die geplante Wiederanhebung der von Trump von 35% auf 21% zusammengestutzten Gewinnsteuer auf bloße 28% liegt selbst noch deutlich unter der (die Massen betreffend krachend an die Wand gefahrenen) Obama Ära. Ganz zu schweigen von den Nachkriegszeiten, als die Steuer auf Unternehmergewinne selbst in den USA noch bei 45% lag. Nämliches gilt – über seine konzeptionellen Mängel hinaus – für die mickrige Mickey Mouse-Anhebung des Spitzensteuersatzes von 37% auf 39,5%. Dieser lag in der US-Nachkriegszeit, man mag es in Zeiten wie diesen kaum mehr glauben, übrigens bei 91%. Und Bidens großes Vorbild, Franklin D. Roosevelt, forderte für den absoluten Einkommensadel sogar einen Grenzsteuersatz von 100%. Fast schon müßig zu erwähnen, dass den vom Wall Street-Journal Bloomberg-Infodienst fälschlich als „dramatischer Wandel“ in der Reichtumsverteilung an die Wand gemalten Bidenomics ebenso jede Vermögens- wie Erbschaftssteuer sowie Schließung der unsäglichen, sprichwörtlichen Steuerschlupflöcher für die US-Dollar-Milliardäre und Millionäre fehlt.

Da hilft es auch nichts, dass im Weißen Haus jetzt wieder ein Porträt Roosevelts prangt. Ohne Aufbruch von unten und harte Massenkämpfe lassen sich die Kräfteverhältnisse nun einmal nicht substanziell verschieben. Viel entscheidender als Biden hin oder her, oder das viel betrauerte Scheitern Bernie Sanders bei den Präsidentschafts-Vorwahlen 2019, sind denn auch die sich in den letzten Jahren entzündeten Massenproteste wie „Black Lives Matter“ oder die 2021 neu aufgeflammten Streikwellen in den USA – wenngleich es keinen Grund für Illusionen hinsichtlich der aktuellen Lage der US-amerikanischen Gewerkschaften, Arbeiterbewegung, gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse in der Bevölkerung und der Linken gibt.

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