UN-Vollversammlung fordert „sofortige Waffenruhe“ in Gaza – Österreich abermals und immer isolierter dagegen

Letzten Freitag konnten die USA im UN-Sicherheitsrat die Forderung nach einer „sofortigen humanitären Waffenruhe“ in Gaza noch mit ihrem Veto blockieren – blieb damit aber bereits allein. Selbst EU-Außenbeauftragter Josep Borell hielt mit seiner Kritik an der US-Blockade nicht hinterm Berg. Damit scheiterte der UN-Sicherheitsrat seit Kriegsbeginn zum insgesamt sechsten Mal eine Vereinbarung zur Einstellung des Gemetzels und der Vertreibungen zu erzielen sowie ein Ende den Gazastreifen dem Erdboden gleich zu machen zu erreichen. In einem seltenen Schritt einer Anrufung des Artikel 99 der UN-Charta durch den UN-Generalsekretär (was zuvor erst vier Mal geschah, zuletzt durch Pérez de Cuéllar 1989 zum Libanon), forderte António Guterres den Weltsicherheitsrat zum entschiedenen Handeln für eine verbindliche Waffenruhe auf. Am Freitag noch am Veto Washingtons gescheitert, forderte gestern Nacht nun die UN-Generalversammlung mit überwältigender Mehrheit einen sofortigen Waffenstillstand.

Und dies angesichts der zwischenzeitlich herbeigebombten „apokalyptischen“ (Oxfam) „Hölle auf Erden“ (UNRWA-Generalsekretär Philippe Lazzarini) im Gazastreifen mit noch überwältigerendem Votum als bereits am 27. Oktober. 153 Staaten der Internationalen Gemeinschaft stimmten in der Nacht für die Resolution (vor zwei Monaten 120), lediglich 10 Länder stimmten dagegen (darunter Österreich) – 23 Länder (vor zwei Monaten noch 45) enthielten sich (darunter das per „Staatsraison“ für die „bedingungslose Unterstützung“ Israels stehende Deutschland und die ehemalige Mandatsmacht in Palästina Großbritannien).

Während sich Gros des Westens – welcher sich am 27. Oktober überwiegend noch mit Enthaltungen abduckte – dieses Mal ebenfalls für die Resolution votierte, stimmte das ‚neutrale‘ Österreich mit den USA erneut eisern gegen eine „humanitäre Waffenruhe“. Und stellt dem rechten, rassistisch und faschistisch durchsetzten israelischen Kriegskabinett (der rechtesten Regierung in der israelischen Geschichte) damit weiterhin vorbehaltslosen Persilschein aus. Koste es, was es wolle – wenn auch kaschiert durch einen Abänderungsantrag.

Außer Österreich machten nur noch Tschechien, Mikronesien, Nauru, Liberia, Papua-Neuguinea, Paraguay, die Putsch-Eliten Guatemalas und natürlich die USA und Israel gegen die Resolution Front oder gaben sich dafür her. Noch nicht einmal der notorische US-Vasall Palau oder ein weiteres Mitglied des G7-Klubs stimmte dagegen. Kroatien, im Oktober noch unter den damals 14 Gegenstimmen, stimmte der UN-Resolution dieses Mal zu. Ungarn, im Oktober ebenfalls noch eine der wenigen Gegenstimmen aus der EU, enthielt sich dieses Mal. Auch die Fidschi, die Marshalinseln und Togo brachen gestern aus der vorbehaltslosen Phalanx aus und stimmten für die Resolution oder enthielten sich.

Während Israels UNO-Botschafter Gilad Erdan bereits im Oktober von einem „dunklen Tag für die Vereinten Nationen und die Menschheit“ sprach, der ersichtlich mache, „dass die UN nicht einmal einen Hauch von Legitimität besitzen“, verleumdet Tel Avivs Außenminister Eli Cohen UN-Generalsekretär António Guterres zudem mittlerweile als „Gefahr für den Weltfrieden“ und forderte zusammen mit Giland Erdan dessen „sofortigen Rücktritt“. Oder, wie sagte Israels UNO-Botschafter Erdan zur vorangegangenen Resolution in New York bereits: „Der einzige Ort an den diese Resolution gehört, ist der Mülleimer der Geschichte.“ Und dieser Orcus scheint dem außenpolitischen Establishment Israels auch für Guterres zu gelten.

Zur Lage im (zudem auch noch rigoros abgeriegelten) Gazastreifen, mit 1,9 Millionen EinwohnerInnen bevölkerungsmäßig mit Wien vergleichbar, nur auf engerem Raum, in dem seit Kriegsbeginn nach israelischen Angaben bereits mehr 22.000 Ziele angegriffen wurden, muss hier nicht im Detail eingegangen werden. Die Tagesnachrichten, Berichte der UN-Unterorganisationen und internationalen Menschenrechts- und Hilfsorganisationen, sowie der Vereinten Nationen selbst – darunter des österreichischen UN-Hochkommissar für Menschenrechte Volker Türk – führen uns die Katastrophe am östlichen Mittelmeer Tag für Tag vor Augen. Und eine Imagination, was zweimonatige dauerhaft schwere Luftschläge, unablässige Bombardements zur See und vom Boden, sowie durch die gesamte Stadt vorrückende Spezialeinheiten, Panzerverbände und Militärs auf 22.000 Ziele und im Häuserkampf in einem hermetisch abgeriegelten Wien (mit vorrangig zivilen Opfern, darunter knapp 2/3 Frauen und Kinder) bedeuten würde, vermag vielleicht ansatzweise einen etwas greifbareren Eindruck der „Hölle auf Erden“ im Gaza zu vermitteln. 

Während indes selbst der EU-Außenbeauftragte Joseph Borrell (dem zuletzt regelrecht die Hutschnur über die Ignoranz der Kritik an der Dauer-Bombardierung des Gaza platzte) – beileibe keine „Taube“ – und die Mehrheit der EU-Staaten auf eine humanitäre Waffenruhe Israels drängten sowie ein Kreis von Staats- und Regierungschefs am bevorstehenden EU-Gipfel auf einen dauerhaften, humanen Waffenstillstand drängen, nimmt Österreich unbeirrt an der Seite Tel Avivs und Washington die Rolle des „Falken“ ein.

Die Dissonanz Österreichs, wir wiederholen uns, zu seiner einstigen diplomatischen Rolle im Nahost-Konflikt (als man sich nach Kräften um Verhandlungslösungen und Wiens Rolle als Vermittler und Dialogstifter bemühte und sich nachdrücklich für den Schutz von Zivilisten in Kriegsfällen engagierte) könnte größer kaum sein. Bis hin zur Nonchalance gegenüber einem drohenden Flächenbrand im Nahen Osten. Anzeichen dafür liegen bereits zutage. Und die „erste Phase“ des Kriegs gegen den Gazastreifen wird sich den israelischen Streitkräften zufolge wohl noch (mindestens) zwei Monate dahinziehen, bevor, wie Israels Nationaler Sicherheitsberater Tzachi Hanegbi und Premier Nethanjahu schon durchblicken lassen haben, in einer „zweiten Phase“ die Hisbollah und der Libanon ins Fadenkreuz genommen werden. Man darf zumindest schon auf die Weihnachtsfrohbotschaften und Silvesteransprachen gespannt sein.

Foto: Jérôme Blum, CC BY-SA 2.0 FR Deed, cropped

 

Ähnliche Beiträge

Gefällt dir dieser Beitrag?

Via Facebook teilen
Via Twitter teilen
Via E-Mail teilen
Via Pinterest teilen